FLIGHTPLAN - OHNE JEDE SPUR | Flightplan
Filmische Qualität:   
Regie: Robert Schwentke
Darsteller: Jodie Foster, Peter Sarsgaard, Sean Bean, Kate Beahan, Erika Christensen, Michael Irby, Marlene Lawston, Assaf Cohen, Shane Edelman, Mary Gallagher
Land, Jahr: USA 2005
Laufzeit: 93 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Buena Vista International

Der klassische „Suspense-Film”, für den insbesondere der Name Alfred Hitchcock steht, hat in letzter Zeit durch Spielfilme wie „The Sixth Sense“ (M. Night Shyamalan, 1999) und „The Others“ (Alejandro Amenábar, 2002) eine Renaissance erfahren. Im Hitchcockschen Sinn bedeutet „Suspense“ freilich nicht nur Spannung; der Begriff schließt darüber hinaus die Unsicherheit ein, die von der Frage nach der „richtigen“ Wahrnehmung und nach dem Geisteszustand des Protagonisten beim Zuschauer hervorgerufen wird.

Alfred Hitchcock entwickelte dieses zweideutige Gefühl mit rein filmischen Mitteln: Kameraeinstellungen zeigen eine irreale Umwelt, rufen bei auch noch so alltäglichen Dingen eine unmittelbare Bedrohung hervor.

Diese Stilmittel, die kürzlich von Joseph Rubens „Die Vergessenen“ (siehe Filmarchiv) angewandt wurden, setzt nun ebenfalls Robert Schwentkes „Flightplan – Ohne jede Spur“ ein: Der Film beginnt mit einer langen Plansequenz am Berliner Alexanderplatz, auf die offensichtliche Traumbilder aus der U-Bahn folgen. Auf einer verschneiten nächtlichen Straße sieht Kyle Pratt (Jodie Foster) ihren verstorbenen Mann, von dem sie sich gerade im Leichenschauhaus verabschiedet hatte. Die Großaufnahme von Kyles Augen sowie die Tabletten, die sie einnimmt, gehören ebenfalls zu den Kunstgriffen, die auf eine gestörte Wahrnehmung hinweisen.

Die Triebwerkingenieurin Kyle Pratt begleitet zusammen mit ihrer sechsjährigen Tochter Julia in einem von ihr mitentwickelten Riesenflugzeug den Leichnam ihres verstorbenen Ehemannes auf dem Flug von Berlin nach New York. Mitten im Flug wacht Kyle plötzlich auf ¬– ihre kleine Tochter ist verschwunden. Kyle macht sich auf die Suche nach Julia, aber das kleine Mädchen lässt sich nirgends finden. Die Mutter reagiert zunehmend nervös, sie wird aggressiv, als das Flugpersonal nicht immer ganz verständig antwortet und die Fluggäste immer unruhiger werden.

Die Handlung von „Flightplan – Ohne jede Spur“ erinnert an Hitchcocks vorletzten englischen Film „Eine Dame verschwindet“ („The Lady Vanishes“, 1938), der – wie der Regie-Altmeister selbst im Jahre 1966 im Interview mit François Truffaut erklärte – auf eine wahre Begebenheit zurückgeht: In „The Lady Vanishes“ verschwindet im Balkanexpress eine alte Dame auf geheimnisvolle Weise. Die junge Engländerin Iris, die sie im Zug kennen gelernt hatte, macht sich auf die Suche nach der Lady. Als aber alle Fahrgäste leugnen, sie gesehen zu haben, fürchtet Iris, verrückt zu werden.

Auch in „Flightplan – Ohne jede Spur“ gelangen der mitfahrende „Air Marshal“ Carson (Peter Saarsgard) und der Flugkapitän (Sean Bean) zu dem Urteil, dass Kyle an Wahnvorstellungen leidet. Nur Kyle kämpft weiter um ihre Tochter. In ihrer Darstellung einer in Panik geratenen, eingeschlossenen Mutter, die ihre Tochter gegen eine unbekannte Bedrohung verteidigt, erinnert Kyle wiederum an Meg Altman in „Panic Room“ (2002), die letzte von Jodie Foster gespielte Hauptrolle. Nur dass „Panic Room“ eine stimmige Handlung vorzuweisen hatte, während „Flightplan“ immer abstruser wird. Ebenso wie „Die Vergessenen“ zeichnet sich „Flightplan“ durch Stilbruch aus: In seinem Verlauf steht der Film in keinerlei Zusammenhang mit der anfangs eingeführten „Suspense“-Atmosphäre.

Ähnlich „Die Vergessenen“ überzeugt in „Flightplan – Ohne jede Spur“ zwar die glaubwürdig dargestellte Liebe einer Mutter zu ihrem Kind. Wie andere Filme aus diesem Genre trifft jedoch auch für Robert Schwentkes Film zu, was François Truffaut vor beinah vierzig Jahren im erwähnten Interview feststellte: „Geschichten dieser Art sind meistens am Anfang recht aufregend, aber dann flauen sie ab, und meistens wird es, wenn es zur Aufklärung kommt, fürchterlich“. Obwohl es dank der hervorragenden Kameraarbeit von Michael Ballhaus’ Sohn Florian Drehbuchautor und Regisseur gelingt, Spannung zu erzeugen, bleiben sie meilenweit davon entfernt, „Suspense“ im Hitchcockschen Sinn zu schaffen: Die zeitweilige Unsicherheit beim Zuschauer löst sich in nichts auf.
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