OKTOBERFEST | Oktoberfest
Filmische Qualität:   
Regie: Johannes Brunner
Darsteller: August Schmölzer, Barbara Rudnik, Peter Lohmeyer, Branko Samarovski, Gunnar Möller, Hildegard Kuhlenberg, Arndt Schwering-Sohnrey, Samira Bedewitz
Land, Jahr: Deutschland 2005
Laufzeit: 120 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S, X -
Auf DVD: 9/2006


JOSÉ GARCÍA
Foto: movienet

Die Verknüpfung von dokumentarischen und fiktionalen Elementen entwickelt sich zu einem neuen Trend im Kino. Die halbdokumentarische Ästhetik, die der europäische Zuschauer bislang insbesondere aus iranischen oder auch aus israelisch/palästinensischen Filmen kannte, erfasst inzwischen auch den europäischen Spielfilm. So setzte zuletzt der französische Altmeister Bertrand Tavernier in „Holy Lola“ (siehe Bildarchiv) diese Art der Inszenierung ein.

Für sein Spielfilmdebüt „Oktoberfest“ wählte Johannes Brunner, der als Dozent an der Münchener Kunstakademie sowie an der Hochschule für Fernsehen und Film (HFF) ohnehin einen ungewöhnlichen Zugang zum Medium Film besitzt, einen ähnlichen Ansatz. Mit Thomas Riedelsheimer als Kameramann, der neben Kulturdokumentationen fürs Fernsehen mit Kinodokumentarfilmen („Rivers and Tides“ 2000, „Touch the Sound“ 2004) bekannt wurde, drehte Brunner an 31 Tagen während des echten Oktoberfests 2004 auf der „Wiesn“.

Doch in die mit langen Kamerafahrten eingefangenen Totalen vom Münchner Volksfest mit seinen Bierzelten und Fahrgeschäften werden sieben fiktionale Geschichten, unterschiedliche Episoden in kaum miteinander verknüpften Handlungsfäden eingefügt: Frank, ein als Rollstuhlfahrer getarnter junger Mann, droht der Polizei in anonymen Anrufen mit einer Wiederholung des Attentats von 1980, bei dem 13 Menschen getötet und Hunderte verletzt wurden. Als ihm mitten in einem Drohanruf das Handy aus der Hand fällt, begegnet er Rena, deren Mutter Maria verzweifelt um den Erhalt ihrer in die Jahre gekommenen Geisterbahn kämpft. Maria würde sie am liebsten verkaufen, doch für ihren schwer kranken, bettlägerigen Vater Edmund bedeutet das Fahrgeschäft sein ganzes Leben.

Karl, Renas geistig behinderter Bruder, freundet sich mit dem kleinen Marc an, der verschwunden ist, nachdem sein Vater, der geschiedene Lehrer Richard, zufällig seiner Geliebten begegnet. Diese ist allerdings kaum älter als seine Tochter Jenny, die Marc ebenso allein lässt, weil sie lieber mit ihrem Freund zusammensein möchte.

In einem anderen Handlungsstrang kommen drei junge Italiener zum Oktoberfest, um dort Fabrizios Junggesellenabschied zu feiern. Im Bierzelt begegnen sie den beiden Hamburgerinnen Katrin und Lisa. Während Fabrizio mit Katrin flirtet, trifft Gianni eine Bekannte aus Italien, und Alessandro lernt die schüchterne Japanerin Tamiko kennen, die eigentlich nur auf ihren frisch Angetrauten Takeshi wartet, der nach ausgiebigem Bierverzehr einen Zusammenbruch erlitten hat.

In diesem Bierzelt spielt sich auch die Ehekrise der Serviererin Birgit ab, die von ihrem Mann, dem Dirigenten der Festzeltkapelle, betrogen wird. Verliebt in Birgit ist der Kameruner Talla, der zusammen mit seinem Landsmann Njaga in der Küche des Festzeltes arbeitet, und der auf eine Gelegenheit wartet, Birgit seine Gefühle zu offenbaren.

Der Ensemblefilm erzählt Geschichten von unterschiedlicher Qualität. Ausgerechnet die Storys mit den bekannteren Schauspielern (Barbara Rudnik als Birgit, Peter Lohmeyer als Richard) sind so klischeebeladen, dass sie kaum zu berühren vermögen. Im Unterschied etwa zur anrührend zarten Verbindung, die sich zwischen Rena und Frank entwickelt. Das eindringliche Spiel der jungen Darsteller Anna Brüggemann und Christoph Luser füllt ihre Rollen mit einem Leben, das sich sonst lediglich in der Figur des kranken Edmund wiederfindet, der sich gegen die Verkaufspläne seiner Tochter stemmt. Die konzentrierte Spielkunst Gunnar Möllers verleiht dieser im Grunde Randfigur eine ganz besondere Würde.

Nimmt sich der authentische Blick auf das größte Volksfest der Welt als die Stärke von „Oktoberfest“ aus, so ist die Uneinheitlichkeit der darin erzählten Geschichten sein Manko. Darüber hinaus schneidet Johannes Bruner im Unterschied etwa zu gleichmäßigem Rhythmus eines Ensemblefilms wie Hans-Christian Schmids „Lichter“ (siehe Bildarchiv) von einem Erzählfaden zu einem beliebig anderen ziemlich willkürlich. Die Handlungsstränge laufen eher nebeneinander, als dass sie miteinander verknüpft würden.
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