WEITER ALS DER MOND | Verder dan de maan
Filmische Qualität:   
Regie: Stijn Coninx
Darsteller: Neeltje de Vree, Johanna Ter Steege, Huub Stapel, Nyk Runia, Yannic Pieters, Julia van Litsenburg
Land, Jahr: Niederlande / Belgien / Dänemark / Deutschland 2003
Laufzeit: 99 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Movienet

Gegen Kinderfilme, zumal auch gegen deutsche, wird häufig der Vorwurf erhoben, dass sie sich entweder in die Fantasie flüchteten oder eine Harmonie vortäuschende, „heile Welt“ zeigten, die mit der Lebenswirklichkeit vieler Kinder heutzutage kaum etwas gemeinsam habe. In „Weiter als der Mond“ spricht dagegen der belgische Regisseur Stijn Coninx Themen an, die in den meisten Kinderfilmen ausgespart werden, etwa Ehescheidung oder auch Trunksucht. „Weiter als der Mond“ behandelt ebenso die religiösen Zweifel, von denen ein neunjähriges Kind heimgesucht wird, wenn es die eigene Familie zerbrechen sieht.

Im Jahre 1969 schauen die Erdbewohner gespannt auf den Himmel: Im Rahmen der US-amerikanischen Weltraummission Apollo 11 soll zum ersten Mal ein Mensch seinen Fuß auf den Mond setzen. Für die neunjährige Caro, die mit ihren Eltern und ihren vier Geschwistern auf einem Bauernhof in der holländischen Provinz aufwächst, steht der sprichwörtlich gewordene „kleine Schritt“ im Gegensatz zu ihrem kindlichen Gottesbild: Wenn Gott existiert, warum setzt er sich nicht gegen die menschlichen Eindringlinge zur Wehr?, fragt sie.

Diese Frage bleibt von den Erwachsenen jedoch unbeantwortet. Denn entweder verstehen sie Caros Zweifel nicht, oder sie haben genug Sorgen mit sich selbst. Etwa Caros Vater: Weil ihn die Verantwortung für seine große Familie – das sechste Kind ist bereits unterwegs – überfordert, flüchtet er sich immer wieder in den Alkohol. Oder er spielt an nüchternen Tagen den Familienclown. Als Caros Erstkommunion näher rückt, schließt sie mit ihrem Vater einen Pakt: Sie will ihre Angst vorm Schwimmen überwindet; dafür soll er bis zu ihrer Erstkommunion keinen Tropfen Alkohol mehr anrühren. Der Vater hält indes nicht durch. Während Caros Kommunionsfeier brüskiert er die eingeladenen Nachbarn und Freunde. Dies markiert allerdings erst den Anfang für das Auseinanderbrechen der Familie.

Der auf dem LUCAS Festival Frankfurt 2004 als „Bester Film“ ausgezeichnete Spielfilm lässt mit seiner sorgfältigen Ausstattung die Stimmung eines holländischen Dorfes Ende der sechziger Jahre wieder erstehen. Trotz einiger Drehbuchschwächen sowie einer teilweise schleppenden Inszenierung gelingt es Regisseur Stijn Coninx, mit feinem psychologischem Gespür die Zerbrechlichkeit der Kinderwelt einzufangen. Die Kamera verfolgt das Geschehen auf Augenhöhe mit der Neunjährigen, deren Perspektive der Zuschauer dadurch übernimmt.

Trotz dieser Übernahme der kindlichen Perspektive erweist sich „Weiter als der Mond” indes eher als ein Film für Erwachsene, denen er den ernsten Vorwurf macht, die Zweifel des Kindes nicht ernst genommen zu haben. Dass die Mondlandung für Caro zu einer Art Theodizee-Frage auswachsen kann, verstehen weder die Eltern noch der Pfarrer, der sich allerdings wenigstens um die Ehe von Caros Eltern bemüht. Ebenso wenig zeigen sich die Erwachsene in der Lage, Caros Mutproben, die teilweise Selbstmordversuchen gleich kommen, als Hilfeschreie der Neunjährigen zu interpretieren.

Die kleine Neeltje de Vree trägt als Caro den Film; sie spiegelt glaubwürdig die Dramatik einer auseinanderbrechenden Familie einfühlsam wider. Unterstützt wird sie durch eine der profiliertesten niederländischen Schauspielerinnen: Johanna ter Steege als Caros Mutter.
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