LIEBER FRANKIE | Dear Frankie
Filmische Qualität:   
Regie: Shona Auerbach
Darsteller: : Emily Mortimer, Gerald Butler, Jack McElhone, Mary Riggans, Sharon Small, Sophie Main, Katy Murphy
Land, Jahr: Großbritannien 2004
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum:
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Buena Vista International

Der Film über Kinder, der sich nicht als Kinderfilm versteht, sondern an Erwachsene wendet, entwickelt sich zur Zeit zu einem regelrechten Filmgenre über kulturelle Hintergründe hinweg. Lief kürzlich der bewegende „Nobody Knows“ (siehe Filmarchiv) vom japanischen Regisseur Hirokazu Kore-Eda im deutschen Kino an, so startet nun im regulären Kinoprogramm die britische Produktion „Lieber Frankie“ („Dear Frankie“).

Mit einem Umzug begann „Nobody Knows“, bei einem Umzug im schottischen Glasgow trifft der Zuschauer ebenfalls den fast 10jährigen stummen Frankie (Jack McElhone), seine Mutter Lizzie (Emily Mortimer) und seine Großmutter an. Stand im Mittelpunkt von „Nobody Knows“ eine Lebenslüge – die junge Mutter, die drei ihrer vier Kinder verheimlicht, weswegen diese stets in der engen Wohnung bleiben müssen –, so spielt in „Lieber Frankie“ ebenso eine Lüge die Hauptrolle: Frankie kennt seinen Vater, der auf einem Schiff als Matrose arbeitet, nur aus Briefen. Doch weiß Frankie nicht, dass diese mit exotischen Briefmarken versehenen Briefe von der Mutter geschrieben werden, die damit mit ihrer eigenen traumatischen Vergangenheit brechen will.

Als aber Frankie erfährt, dass das Schiff, mit dem angeblich sein Vater um den Erdball reist, im Hafen von Glasgow vor Anker gehen soll, will der Junge natürlich seinen Vater endlich kennenlernen. Die Mutter sieht sich mit der Entscheidung konfrontiert, dem Lügengebilde ein Ende zu bereiten, oder aber jemand zu finden, der für einen Tag die Stelle von Frankies Vater übernimmt.

Ohne viele Worte, dafür aber mit großer visueller Kraft erzählt die britische Fotografin Shona Auerbach in ihrem Spielfilmdebüt von einer traumatisierten Mutter und einem möglichen Neuanfang. In der Tradition des britischen Sozialfilmes mit seiner typischen blassen braun-grünen Farbgebung schafft die Regisseurin einen zeitlosen Rahmen: Die Einrichtung des Hauses erinnert eher an die sechziger oder siebziger Jahre als an die Gegenwart, erst die spärlich ins Bild kommenden Autos vergewissern den Zuschauer, dass die Geschichte in der Gegenwart angesiedelt ist.

Lediglich in der manchmal etwas bemühten Kameraführung oder dem bisweilen zusammenhanglosen Schnitt erkennt man das Erstlingswerk. In der Erzählung dagegen beweist Shona Auerbach eine außergewöhnliche Sicherheit und ein feines Gespür für emotionale Themen, ohne in Sentimentalitäten abzugleiten.

Dabei lässt das Sujet von „Lieber Frankie“ den Zuschauer nicht unberührt. Er selbst muss entscheiden, ob Lizzie mit ihren wohl gemeinten Lügen richtig handelt, oder eher Lizzies Mutter mit ihrer Einstellung Recht hat: „Frankie braucht keine Briefe voller Lügen, sondern einen Vater aus Fleisch und Blut“.

Obwohl im Mittelpunkt von „Lieber Frankie“ ein 10jähriger Junge steht, der viel mehr versteht, als Erwachsene meinen, erweist sich das Spielfilmdebüt von Shona Auerbach letztendlich als ein Film über die Sehnsucht nach einer normalen Familie.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren