WENN TRÄUME FLIEGEN LERNEN | Finding Neverland
Filmische Qualität:   
Regie: Marc Forster
Darsteller: Johnny Depp, Kate Winslet, Julie Christie, Radha Mitchell, Dustin Hoffmann, Eileen Essel
Land, Jahr: USA / Großbritannien 2004
Laufzeit: 101 Minuten
Genre: Literatur-Verfilmungen
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Buena Vista International

Vor einem Jahrhundert feierte „Peter Pan“, das Theaterstück über den Jungen, der nie erwachsen werden wollte, im Londoner Duke of York’s Theatre Premiere. Peter Pan wurde bald zu einer Figur, die gleichermaßen Kinder wie Erwachsene ansprach. Zum hohen Bekanntheitsgrad von „Peter Pan“ trug wesentlich auch der Film bei: Bereits im Jahre 1924 wurde „Peter Pan“ als Stummfilm fürs Kino adaptiert. Vor allem aber die Disney-Zeichentrickfilm-Version aus dem Jahr 1953 machte Peter Pan endgültig zum Klassiker. Die jüngsten Spielfilmfassungen von „Peter Pan“ konnten allerdings nicht an diesen Erfolg anknüpfen: In Steven Spielbergs „Hook“ aus dem Jahre 1991 begegnete dem Zuschauer ein erwachsen gewordener Peter Pan, der die Erinnerung an sein früheres Leben wieder finden musste, um seine Kinder aus der Gewalt des bösen Kapitän Hook zu befreien. „Peter Pan“ von P. J. Hogan (2002) lieferte zwar eine werkgetreue Umsetzung der klassischen Peter Pan-Erzählung, aber sein mit atemberaubenden Bildern entworfenes sowie vor Computertricks nur so strotzendes „Nimmerland“ scheiterte an der Kinokasse.

Der Spielfilm „Wenn Träume fliegen lernen“ von Marc Forster, der in sieben Kategorien für den Oscar 2005 nominiert wurde, und nun im deutschen Kino anläuft, konzentriert sich getreu seinem Originaltitel „Finding Neverland“ auf die Entstehungsgeschichte des Theaterstücks, gewissermaßen des „Ur-Peter Pan“, so wie es am 27. Dezember 1904 uraufgeführt wurde. „Wenn Träume fliegen lernen“, dem Alan Knees Theaterspiel „The Man Who Was Peter Pan“ zugrunde liegt, erzählt vom Peter Pan-Erfinders, dem schottischen Autor James M. Barrie (1860-1937).

Der Film setzt im Jahre 1903 an, als der erfolgsverwöhnte Autor mit seinem jüngsten Theaterstück Schiffbruch erleidet. Die Inspiration für sein neues Werk findet James M. Barrie (Johnny Depp) unerwartet im Park Kensigton Gardens, als er die vier Jungen Llewelyn Davies und ihre kürzlich verwitwete Mutter Sylvia (Kate Winslet) kennenlernt. In den Llewelyn Davies-Jungen findet der kinderlose, aber mit kindlichem Gemüt ausgestattete Schriftsteller die idealen Spielkameraden. Für sie erfindet er immer wieder Abenteuer mit magischen Inseln, Piraten, Indianern und Feen in „Nimmerland“, die zur Grundlage für „Peter Pan“ werden.

Doch nicht nur Sylvias Mutter (Julie Christie) stemmt sich gegen die immer enger werdende Verbindung der vaterlosen Familie mit dem verheirateten Schriftsteller. Auch Barries Frau (Radha Mitchell) bleibt von dieser Fantasiewelt ausgeschlossen. Während sich Barrie den schwierigen Proben zu „Peter Pan“ widmet, sucht sie bei einem anderen Schriftsteller Trost. „Peter Pan“ wird trotz aller Skepsis – „Jetzt ist er tatsächlich verrückt geworden“, sollen Kollegen gesagt haben, nachdem sie Barries Entwürfe gelesen hatten – ein großer Erfolg. Der Erfolg erfordert allerdings einen hohen Preis: Barries Frau lässt sich von ihm scheiden. Und auch Sylvia Llewelyn Davies erkrankt schwer.

„Finding Neverland“ dramatisiert und verdichtet Barries Beziehung zur Llewelyn Davies-Familie. So starb der Vater Arthur Llewelyn Davies in Wirklichkeit erst 1907, drei Jahre nach der Aufführung von „Peter Pan“. Obwohl er dem „Spielkameraden“ seiner Kinder zunächst misstrauisch begegnete, wurden die Männer Freunde. Barrie unterstützte nicht nur die Familie finanziell, sondern betreute auch den krebskranken Arthur bis zu seinem Tod. Trotz dieser und weiterer künstlerischer Freiheiten vermittelt „Wenn Träume fliegen lernen“ das Wesentliche: „Peter Pan“ wird aus der Erinnerung an die kindliche Unschuld geboren.

Die Stärke des Filmes liegt gerade daran, der Fantasie freien Lauf zu lassen, ohne sich auf überwältigende, am Computer generierte Szenarien zu verlassen. „Wenn Träume fliegen lernen“ besitzt zwar ein seit der ersten Sequenz allgegenwärtiges opulentes Produktionsdesign, aber seinen märchenhaften Charakter entfacht er in kleinen, beinahe unscheinbaren Einstellungen, in dem Wechsel der Wirklichkeitsebenen: in der reichen Welt etwa, die sich hinter Barries Zimmer auftut, wenn er dessen Tür öffnet, in seiner Vision von den Jungen, die durch das offene Fenster ins Freie hinausfliegen – oder auch in den Gesichtern der Waisenkinder, die mit weit aufgerissenen Augen die Premiere von „Peter Pan“ verfolgen und die Erwachsenen zum Lachen und zum Träumen bringen.

Dass die Erzählung selbst im melodramatischen Ende nicht ins Kitschige abgleitet, verdankt der Film der grandiosen schauspielerischen Leistung der großen und kleinen Darsteller, allen voran des elfjährigen Freddie Highmore als Peter Llewelyn Davies und vor allem eines Johnny Depp, der durch den natürlichen Umgang mit den Kindern dem Titel des Theaterstücks „The Man Who Was Peter Pan“ gerecht wird.
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