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JOSà GARCÃA Foto: Movienet Kaum eine europäische Stadt ist so bekannt wie Rom mit seinen Denkmälern aus einer mehr als zweitausend Jahre alten Geschichte. Doch in seinem dokumentarfiktionalen Film über die Ewige Stadt hat der italienische Regisseur Ettore Scola, Jahrgang 1931, seinen Blick nicht auf groÃe Monumente und touristische Sehenswürdigkeiten gelenkt, sondern auf die Menschen â âGente di Romaâ heiÃt folgerichtig sein Film, der nun im deutschen Kino anläuft. Der Film, dessen fiktiv dokumentarischer Charakter durch die digital gedrehten Bilder sowie dadurch unterstrichen werden soll, dass sich hin und wieder jemand zur Kamera wendet, folgt dem gleichen Konzept wie Walter Ruttmanns âBerlin. Die Sinfonie der GroÃstadtâ (1927): Er geht einem Tag im Leben der GroÃstadt nach. Fuhr der Zuschauer im Ruttmanns Film im Morgengrauen mit dem Zug nach Berlin, so macht er sich in âGente di Romaâ aus einem AuÃenbezirk in einem Bus in die Innenstadt Roms auf. Auf seiner abwechslungsreichen Strecke passiert er Stationen, die immer wieder Einblicke in das Leben der Metropole erlauben. Auf der Leinwand treten die unterschiedlichsten Orte auf: eine Bingohalle, in der ein Spieler bereit zu sein scheint für jede Art von Wette; ein Heim für Alzheimer-Patienten, in der eine fürsorgliche Enkelin erfolglos versucht, ihrer GroÃmutter Erinnerungen zu entlocken, indem sie der alten Dame Fotos aus ihrer Jugend zeigt; eine Grundschule, in der ein unbeholfenes kleines Mädchen von den Spielen ihrer Mitschüler ausgeschlossen wird; eine Ampel, an der ein Autoscheibenwäscher leidenschaftlich um Kundschaft kämpft; das Lokal einer örtlichen Partei, in dem Leidenschaft erst richtig aufflammt, als es um FuÃball geht; oder auch antike Ruinen, in denen Obdachlose hausen ... Diese Bilder geben lediglich kurze Einblicke in das Leben der Einwohner Roms, ohne ein stimmiges filmisches Gefüge entstehen zu lassen. Im Gegensatz etwa zu Ruttmanns âSinfonie der GroÃstadtâ besitzt âGente di Romaâ keine filmische Struktur, die all die gezeigten Impressionen zu einer Einheit fügen könnte. Wie ein roter Faden diesen mosaikartigen Bilderreigen hätte durchziehen können, zeigt die Episode, in der ein geschwätziger Journalist im Bus Mitfahrende anspricht: er arbeite an einer Studie über das Verhalten der Römer âAblehnung, Toleranz oder Gleichgültigkeit â gegenüber nicht-europäischen Einwanderern. Dazu erklärt Ettore Scola: âEs gibt tatsächlich mehr Integration zwischen Immigranten und Einwohnern in Rom, als im Rest Italiens. Vielleicht weil die Geschichte diese Stadt immer wieder Invasionen, Okkupationen und Befreiungen ausgesetzt hat. Rom hat sich eine spezielle Kultur von Gastfreundschaft erarbeitet. Anstatt einen Dialog mit Ausländern zu beginnen, âromanisierenâ die Römer sie bis zu einem gewissen Punkt, an dem die Fremden manchmal die gleichen Haltungen und Charakteristika annehmen wie ihre Gastgeber.â In einigen Episoden scheinen zwar Toleranz gegenüber Ausländern und deren Integration das Filmsujet, eine Klammer für die eingefangenen Impressionen zu sein: etwa in einer Bar, wo der Kellner einen nigerianischen Flüchtling verjagt aus Angst vor dem, was seine Stammkunden denken könnten; oder in einer Küche, in der eine italienische junge Frau und ihre farbigen Schwägerin einträchtig Artischocken kochen. In diesem Zusammenhang treibt der Regisseur mit dem Zuschauer seinen SpaÃ, als in einer Restaurantküche ein Kellner einen schwarzen Küchengehilfen anrempelt: âMit solchen Leuten wie Dir will ich nicht zu tun haben!â Der Zuschauer meint, einem klaren Fall von Rassismus beizuwohnen. Aber nein, es geht wie so oft um den ârichtigenâ und den âfalschenâ FuÃballverein. âGente di Romaâ zeigt jedoch zu viele kaum angedeutete Situationen und Schicksale, damit das Interesse des Zuschauers am jeweiligen Geschehen geweckt werde könnte. Zwar zeigt Ettore Scola hier keine Postkartenbilder Roms, sondern eher das pulsierende Leben einer GroÃstadt. Für die Menschen aus Rom, die der gleichnamige Film vorstellt, wird der Zuschauer aber kaum Gefühle entwickeln. Dass darüber hinaus in einem Film über die Menschen in der Stadt der Päpste, die immerhin das geistliche Zentrum für mehr als eine Milliarde Menschen darstellt, das Christentum â überhaupt die Religion â nicht die geringste Rolle spielt, ist schon erstaunlich. Dies wird wohl mit der ideologischen Brille des langjährigen Mitglieds der Kommunistischen Partei Italiens zusammenhängen. |
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