BAADER | Baader
Filmische Qualität:   
Regie: Christopher Roth
Darsteller: Frank Giering, Laura Tonke, Vadim Glowna, Birge Schade, Jana Pallaske, Michael Sideris
Land, Jahr: Deutschland 2001
Laufzeit: 129 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G, D, S


JOSÉ GARCÍA


Für die filmische Auseinandersetzung mit dem RAF-Terrorismus setzte im Jahre 1997 ein Fernsehspiel Maßstäbe: „Das Todesspiel“ hieß die fiktive Dokumentation über den „heißen Herbst“ 1977, der mit der Entführung des Arbeitgeber-Präsidenten Hanns Martin Schleyer am 5. September begann und 45 Tage später mit dem Selbstmord der RAF-Gefangenen Ensslin, Baader und Raspe in Stammheim und der Ermordung Schleyers durch seine Entführer endete. Akribisch rekonstruierte Regisseur Heinrich Breloer die Ereignisse mittels Polizeiberichten, Untersuchungsergebnisse, Archivmaterial sowie der Aussagen vieler Zeitzeugen. „Das Todesspiel“ begeisterte Publikum und Kritik besonders durch die Art, wie der Fernsehfilm Archivmaterial mit Spielszenen übergangslos miteinander verwob.

Christopher Roths „Baader“ fiktionalisiert dagegen die Geschichte eines der führenden RAF-Köpfe. Roths Film setzt 1967 ein, als Andreas Baader zunächst Autos knackt und mit seiner großen Liebe Gudrun Ensslin in zwei Frankfurter Kaufhäusern Brände legt. Nach einer spektakulären Befreiung aus dem Gefängnis flüchtet Baader u.a. mit Ensslin und Ulrike Meinhof nach Jordanien, um sich zum Guerillero ausbilden zu lassen. Zurück in Deutschland folgt der Aufbau der roten Zelle. Im Mittelpunkt der Handlung steht nun das leitmotivische Duell zwischen Andreas Baader und dem BKA-Chef Kurt Krone, der Baaders Ziele zwar versteht, sie auch für durchaus erstrebenswert hält, aber die Mittel, die Waffengewalt, nicht billigen kann.

Nicht nur in der Gegenüberstellung Baader-Krone lässt Roth die Grenze zwischen Gut und Böse permanent verschwimmen. Die mangelnde psychologische Tiefe seiner Figuren scheint der Regisseur mit der nackten Haut weiblicher Terroristinnen kaschieren zu wollen. Und die Frage, warum gerade ein Kleingangster und nicht etwa ein intellektueller Ideologe eine solch führende Rolle bei der RAF übernahm, will er schon gar nicht stellen. Dafür stellt Christopher Roth unter Beweis, dass er sich in der Filmgeschichte auskennt: Wie Robert de Niro und Al Pacino in „Heat“ treffen sich der RAF-Fahnder und sein Gegenspieler Andreas Baader unter vier Augen und plaudern im Auto freundlich miteinander; das verstörende Ende von „Baader“ hat der Regisseur von Genre-Filmen wie „Bonnie and Clyde“ oder „Zwei Banditen“ („Butch Cassidy and the Sundance Kid“) abgekupfert.

Dem Regisseur geht es erklärtermaßen nicht um die Rekonstruktion historischer Wahrheit: Für ihn „reicht die wissenschaftliche Codierung wahr/unwahr nicht mehr aus. Deswegen habe ich ja immer so darauf bestanden, nichts mit Doku-Dramen zu tun zu haben.“ Christopher Roth versteht die Verhaftung des RAF-Terroristen als symbolischen Tod des inszenierten Lebens Andreas Baaders während der Zeit 1967–1972: „Mit der Verhaftung 1972 endet dieser Abschnitt. Im Gefängnis beginnt ein anderer Film. Ein anderes Experiment, der nächste Akt, das nächste Kapitel. Damit stirbt die Filmfigur, die Baader miterfunden hat.“

Wohl deshalb ersetzt der Regisseur in seinem Film die Verhaftung des Terroristen durch dessen Tod im Kugelhagel. Mit diesem „dreisten, erfundenen Ausgang“ (Roth selbst) wollte der Regisseur den Film dem Publikum zur Interpretation frei stellen. Bei den Filmfestspielen Berlin 2002, wo der Film am 15. Februar Premiere feierte und den „Alfred-Bauer-Preis“ gewann, fühlten sich die Zuschauer mit der Interpretation allerdings überfordert. Dort wurde „Baader“ mit deutlich mehr Pfiffen als Applaus bedacht.

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