VERGESSENEN, DIE | The Forgotten
Filmische Qualität:   
Regie: Joseph Ruben
Darsteller: Julianne Moore, Dominic West, Gary Sinise, Alfre Woodard, Linus Roache, Anthony Edwards, Christopher Kovaleski, Jessica Hecht, Robert Wisdom
Land, Jahr: USA 2004
Laufzeit: 91 Minuten
Genre: Science-Fiction/Fantasy
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G


JOSÉ GARCÍA
Foto: Columbia TriStar Film

Spielfilme wie „The Sixth Sense“ (M. Night Shyamalan, 1999) und „The Others“ (Alejandro Amenábar, 2002) haben in den letzten Jahren den klassischen Suspense-Film à la Hitchcock um ein neues Filmgenre erweitert: den „Mystery-Film“, der dem Zuschauer eine stimmige Geschichte zu erzählen scheint, in der ihn freilich unerklärliche Vorkommnisse immer wieder irritieren. Lange Kamerafahrten, irreale bis surreale Farben, überraschende Einstellungen und enervierende Geräusche – knarrende Holzböden, klappernde Türen etwa – gehören zu den Stilmitteln dieses Genres. „Mystery“-Filme stellen implizit oder ausdrücklich die Frage nach dem Geisteszustand des Protagonisten. Und der Zuschauer beantwortet sie im Laufe der Erzählung unterschiedlich, ja sogar gegensätzlich. Die überraschende Auflösung stellt die Geschichte auf den Kopf, indem sie dem Zuschauer eine völlig andere Perspektive öffnet.

Nicht immer jedoch gelingt es in diesem Genre dem Regisseur, die Spannung bis zum Ende durchzuhalten. Wirkt die Handlung vorhersehbar, oder enttäuscht die Auflösung der mysteriösen Vorkommnisse, weil sie als aufgesetzt und banal empfunden wird oder einfach einen Stilbruch zur eigentlichen Geschichte bedeutet, dann erleidet damit der gesamte Film Schiffbruch. Eine Erfahrung, die selbst M. Night Shyamalan mit „Signs – Zeichen“ (2002) machen musste. Auf diesen schmalen Grat begibt sich nun Regisseur Joseph Ruben mit seinem Spielfilm „Die Vergessenen“ („The Forgotten“).

„Die Vergessenen“ erzählt von Telly Paretta (Julianne Moore), die vierzehn Monate nach dem Unfalltod ihres neunjährigen Sohns Sam immer wieder in dessen Kinderzimmer sitzt und sich Familienbilder und Videoaufnahmen von Sam anschaut. Plötzlich verschwinden sämtliche Erinnerungsgegenstände an Sam aus ihrem Haus. Ihr Mann Jim (Anthony Edwards) und der Psychiater Dr. Munce (Gary Sinise), bei dem Telly seit Sams Tod in Behandlung ist, behaupten, Sam sei bei der Geburt gestorben; seitdem leide sie an Wahnvorstellungen. Als Terry bereits anfängt zu glauben, sie verliere den Verstand, begegnet sie dem ehemaligen Hockey-Profispieler Ash Correll (Dominic West), der bei demselben Flugzeugabsturz seine kleine Tochter Lauren verlor. Nach und nach holt Telly Ashs Erinnerung an seine Tochter zurück. Beide machen sich zusammen auf, die Wahrheit herauszufinden und die verschwundenen Kinder dem Vergessen zu entreißen.

„Die Vergessenen“ setzt alle Stilmittel des „Mystery“-Filmes konsequent ein: von langen Plansequenzen und aus der Vogelperspektive aufgenommenen Einstellungen über rauschende, von plötzlichem Wind mysteriös verwehte Blätter, eine nervöse Kamera zusammen mit schnellen Schnitten sowie irreal wirkende grau-blaue Farben bis hin zu Schockeffekten, die besonders verstören, weil sie sich ohne jede Vorwarnung ereignen.

Warten andere Spielfilme dieses Genres wie „The Sixth Sense“ und „The Others“ mit zumindest in sich stimmigen Erklärungen auf, so wird es bei „Die Vergessenen“ immer abstruser. Die Auflösung, die Drehbuchautor Gerald DiPego vorschlägt, verlangt vom Zuschauer Einiges ab: Er muss sich bereitwillig auf plötzlich eingeführte Science-Fiction-Elemente einlassen. Trotz der Spannung, die bis beinahe zuletzt durchhält, bleibt das unbefriedigende Gefühl, dass Drehbuchautor und Regisseur mit seinen Einfällen am Ende waren und nun einen „deus ex machina“ einführen.

Über diese Schwäche hilft allerdings das gute Spiel von Julianne Moore als Telly Paretta sowie von Dominic West als Ash Correll hinweg. „Die Vergessenen“ fesselt indes nicht so sehr durch Spannung als vielmehr durch die glaubwürdig dargestellte Liebe einer Mutter zu ihrem Sohn, die zur Überwindung des Unmöglichen zu jedem Opfer bereit ist.
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