ADAPTION | Adaptation
Filmische Qualität:   
Regie: Spike Jonze
Darsteller: Nicolas Cage, Meryl Streep, Chris Cooper, Tilda Swinton
Land, Jahr: USA 2002
Laufzeit: 114 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: D+, S, X


JOSÉ GARCÍA


Für Autoren, auch für Drehbuchautoren, stellt eine Schreibblockade die Horrorvision schlechthin dar. Einem solchen Autorenalptraum wandten sich etwa Joel und Ethan Coen im Jahre 1991 in ihrem vielleicht besten Film „Barton Fink“ zu, der die Ebenen von Realität, Traumwelt und Wahnvorstellung durcheinander wirbelt und sich nebenbei mit dem Studiosystem in Hollywood ganz schön kritisch auseinandersetzt.

Wie könnte eine Schreibblockade besser ins Bild gesetzt werden, als mit dem vor der Schreibmaschine, in die ein leeres Blatt eingespannt ist, sitzenden Autor? So verharrte denn auch Barton Fink im gleichnamigen Spielfilm vor einer Schreibmaschine, ohne dass ihm der erste Satz des vom Hollywood-Studio in Auftrag gegebenen Drehbuches gelingen wollte. Etliche Jahre später benutzt „Adaption“ das gleiche Bild: Im Spike Jones Wettbewerbsbeitrag zur diesjährigen Berlinale starrt auf die leere Seite der real existierende Drehbuchautor Charlie Kaufman, der im Spielfilm „Adaption“ von Nicolas Cage dargestellt wird.

Bereits in seiner Exposition vermischt „Adaption“ Reales und Fiktives: Zu Beginn besucht der Zuschauer die Dreharbeiten zum Spielfilm „Being John Malkovich“ (Spike Jonze, 1999). Auf dem Set sind der echte Schauspieler John Malkovich und der echte Regisseur Spike Jonze zu sehen, während am Rande der – allerdings fiktive, von Nicolas Cage gespielte – Drehbuchautor Charlie Kaufman steht.

Charlie lässt sich von einer Hollywood-Studiomanagerin überreden, für ihr Studio den Tatsachenroman „The Orchid Thief“ der Journalistin Susan Orlean (gespielt von Meryl Streep) zum Filmdrehbuch umzuschreiben, also für die Leinwand zu „adaptieren“. Mit Orleans Orchideen-Roman fügt Regisseur Spike Jonze eine weitere Erzählebene hinzu: Wir erleben nicht nur den schmerzhaften Prozess der Adaption eines Romans, der von Blumen handelt, zum Filmdrehbuch, sondern sind darüber hinaus Zeugen der Entstehung eben dieses Buches: Susan Orlean verfasst eine Story über die Leidenschaft der Menschen für diese schöne Pflanzenart, die zunächst in einem Magazin erscheint, ehe sie den Beitrag zu einem ganzen Roman ausbaut. Bei ihren Vorarbeiten lernt sie den Orchideenwilderer John Laroche (Chris Cooper) kennen, der Susan sofort in seinen Bann zieht.

Um die seltsame Beziehung zwischen Susan Orlean und John Laroche nachzuzeichnen, verwendet der Regisseur Rückblende nach Rückblende, bis er Zeiten und Ebenen, Realität und Traumwelt kräftig durchgeschüttelt hat: Sehen wir das reale Verhältnis zwischen Orlean und Laroche oder sind dies lediglich die obsessiven Bilder, die sich Charlie Kaufmann ausmalt?

Noch eine weitere Wendung erhält die Handlung, als beim von Selbstzweifeln geplagten Autor sein – real nicht existierender – Zwillingsbruder Donald (ebenfalls von Nicolas Cage gespielt) auftaucht, der ein Drehbuch nach dem andern mit enervierender Leichtigkeit verfasst – freilich für triviale Massenprodukte.

Die Gespräche zwischen den zwei Teilen der Persönlichkeit Kaufmans, die sich im eineiigen Zwillingspaar manifestiert, gehören zu den besten Augenblicken von „Adaptation“, wobei die Kommentare Donalds aus dem Mund des oberflächlichen TV-Produzenten Lester (Alan Alda) aus Woody Allens „Verbrechen und andere Kleinigkeiten“ (1989) stammen könnten. Wie in diesem Meisterwerk Woody Allens stellt „Adaption“ im Verhältnis zwischen den zwei äußerlich identischen, im Kern jedoch so ungleichen „Brüdern“ wahre Kinokunst und „Meanstream“-Kitsch gegenüber.

Auf der Berlinale, wo Spike Jones Film mit dem Silbernen Bären ausgezeichnet wurde, gingen die Meinungen über „Adaption“ weit auseinander: Während die einen die außergewöhnlich verschachtelte Erzählstruktur lobten, fühlten sich die anderen irritiert, weil sich nach und nach auf der Leinwand genau das entfaltet, was der Held des Filmes – Charlie Kaufmann alias Nicolas Cage – im selben Film erzählt. Indem „Adaption“ darüber hinaus Meanstream-typische Action und „Sex and Crime“-Elemente zunehmend in seine Handlung einfließen lässt, konterkariert der Film geradewegs seine eigentliche Intention: eine intellektuelle Fingerübung über die Schwierigkeiten kreativen Arbeitens für die Filmkunst im Gegensatz zur oberflächlich-leichten Hollywood-Fließbandproduktion zu bieten.

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