SILENT WATERS | Khamosh Pani
Filmische Qualität:   
Regie: Sabiha Sumar
Darsteller: Kirron Kher, Aamir Malik, Navtej Johar, Salman Shahid, Shilpa Shukla, Sarfaraz Ansari, Shazim Ashraf
Land, Jahr: Pakistan / Deutschland / Frankreich 2003
Laufzeit: 96 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Academy Films

Die gegenwärtige Diskussion um einen islamischen Fundamentalismus findet auch ihren Niederschlag im Kino. Im Jahre 2003 erhielten zwei Filme, die sich mit dieser Thematik auseinander setzen, an renommierten europäischen Filmfestivals bedeutende Preise: Wurde der erste nach dem Fall des Taliban-Regimes in Afghanistan gedrehte Spielfilm „Fünf Uhr am Nachmittag“ (siehe Filmarchiv) der iranischen Regisseurin Samira Makhmalbaf in Cannes mit dem Spezialpreis der Jury sowie mit dem Preis der ökumenischen Jury ausgezeichnet, so gewann beim 56. Filmfestival Locarno 2003 den Goldenen Leoparden, den Preis der Ökumenischen Jury sowie den Leoparden für die beste Hauptdarstellerin die erste pakistanische Produktion, die seit Jahren in den Westen gelangte: „Silent Waters“ („Khamosh Pani“), bei dem ebenfalls eine Frau Regie führte, die 1961 im pakistanischen Karachi geborene Sabiha Sumar.

Der nun im deutschen Kino startende „Silent Waters“ spielt in einem abgelegenen Dorf im pakistanischen Punjab, wo sich im Jahre 1979 die Witwe Ayesha mit Koranstunden für junge Mädchen über Wasser hält. Ihre größte Sorge gilt jedoch ihrem verträumten siebzehnjährigen Sohn Saleem, der in seinem Leben keine Perspektive sieht, und sich die Zeit am liebsten mit der hübschen Schülerin Zubeida vertreibt.

Kaum sind die Hauptfiguren etabliert, geschehen zwei Ereignisse, die tief greifende Veränderungen in Ayeshas Leben sowie in der ganzen Region hervorrufen. Im Zuge der durch die Militärdiktatur des Generals Zia ul-Haq betriebenen Islamisierung Pakistans tauchen im Dorf plötzlich fundamentalistische Agitatoren auf, die unter dem Schutz des Dorfvorstehers die strenge Einhaltung islamischer Gesetze einfordern. Fasziniert von der Zielstrebigkeit dieser Gruppe, schließt sich ihr Saleem an – sehr zum Verdruss seiner Mutter. Die Ereignisse spitzen sich zu, als zum ersten Mal seit vielen Jahren eine Pilgerfahrt von Sikhs ins Dorf kommt.

Unter ihnen befindet sich Jaswant, der sich im Dorf auf die Suche nach seiner im Jahr 1947 verschollenen Schwester macht. Damals, zur Zeit der von ethnischen und religiösen Konflikten begleiteten Teilung des Subkontinents in die zwei Staaten Indien und Pakistan, trieben viele Sikhs ihre Frauen und Töchter in den Selbstmord, damit sie nicht in die Hände der einfallenden Moslems fielen. Jaswants Schwester weigerte sich jedoch, in den Dorfbrunnen zu springen. Sie blieb im Dorf, heiratete ihren Entführer und baute sich eine neue Existenz auf. Doch nun wird sie mit ihrer Vergangenheit konfrontiert. Anhand dieses Einzelschicksals setzt sich Regisseurin Sumar mit der Geschichte Pakistans, seiner Teilung sowie mit der Umwandlung in einen islamischen Staat auseinander.

Mit einem gleichmäßigen Erzählrhythmus und einer konventionellen Kameraführung, wobei das Objektiv hin und wieder eine Spur zu lang an den schönen Landschaftsbildern verharrt, verknüpft „Silent Waters“ mit Hilfe der ausgebleichten Rückblenden gekonnt diese zwei Epochen der pakistanischen Geschichte, die Ayeshas Schicksal besiegelten.

Wirken die Figuren etwas holzschnittartig, so hat dies mit dem offensichtlichen symbolischen Charakter vor allem der Hauptperson zu tun, von der die Regisseurin sagt: „Sie ist auch die Frau in Bosnien, in Sri Lanka, in Afghanistan, im Irak.“ Sabiha Sumar wollte „ein universelles Dilemma“ der Frauen erzählen, die im Schatten der Kriege in einen inneren Konflikt geraten.

Weil die Verzweiflungstat am Ende keine sinngebende Handlung darstellt, keine Erlösung bedeutet, weil der Film in der Selbstzerstörung den einzigen Ausweg aus der Isolation und der inneren Zerrissenheit kennt, lässt „Silent Waters“ den Zuschauer ratlos zurück. Mag zwar der Film die gesellschaftlichen Folgen des islamischen Fundamentalismus besser verstehen helfen, eine Perspektive zur Konfliktbewältigung, zur Auseinandersetzung mit dem eigenen Schicksal zeigt er nicht auf.
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