UNSER TEAM - NOSSA CHAPE | Nossa Chape
Filmische Qualität:   
Regie: Jeff Zimbalist, Michael Zimbalist, Julian Duque
Darsteller: (Mitwirkende): Alan Ruschel, Hélio Neto, Jackson Follmann, Luciano Buligon
Land, Jahr: USA, Brasilien 2018
Laufzeit: 101 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 4/2019


José García
Foto: Weltkino/ All Rise

Die Nachricht erschütterte nicht nur die Fußballwelt: Am 28. November 2016 stürzt das Charter-Flugzeug mit der Flugnummer LMI 2933 der inzwischen aufgelösten bolivianischen Fluggesellschaft LaMia ab, das die Mannschaft des brasilianischen Fußballclubs Chapecoense sowie Trainerstab, Funktionäre und Journalisten zum Finale-Hinspiel der Copa Sudamericana gegen Atletico Nacional in Medellin zum kolumbianischen Flughafen Rionegro bringen sollte. 71 Menschen sterben. Den Absturz überleben lediglich sechs Personen, darunter drei Spieler von Chapecoense.

Das Unglück erinnert an die bis dahin größte Flugzeugkatastrophe eines Fußfallclubs, als am 6. Februar 1958 auf dem Rückflug nach einem Europapokal-Spiel in Belgrad bei einem Zwischenstopp in München die halbe Mannschaft des englischen Clubs Manchester United ums Leben kam. Unter den Überlebenden befand sich Bobby Charlton, der 1966 mit England Weltmeister werden und 1968 zum ersten Sieg von Manchester United beim Europapokal der Landesmeister entscheidend beitragen sollte. Über das Manchester-United-Unglück drehte James Strong 2011 den auf Tatsachen beruhenden Fernsehfilm "United".

Jeff Zimbalist, Michael Zimbalist und Julian Duque gehen mit ihrem Film "Unser Team - Nossa Chape" einen anderen Weg: Ihr Dokumentarfilm zeigt nicht nur die Auswirkungen der Flugzeugkatastrophe für die Familien, für den Verein, ja für die 200 000 Einwohner-Stadt Chapecó im Südosten Brasiliens. Die Filmemacher stellen die Frage, wie es mit dem Verein weitergehen soll. Die Regisseure zeigen nicht nur dokumentarische Aufnahmen. Sie führen Interviews besonders mit den drei Überlebenden unter den Spielern, mit den Hinterbliebenen und mit den Neuzugängen. Daraus ist ein emotionsgeladener Film entstanden, der den Zuschauer direkt anspricht.

Zu Beginn bieten die Filmemacher einen Überblick über die Vereinsgeschichte von Chapecoense: Erst 2014 in die erste Liga ("Serie A") aufgestiegen, qualifizierte sich der Verein im Jahr 2016 für die "Copa Sud-americana" (das südamerikanische Pendant der UEFA-Champions League), und erreichte überraschend das Finale, das mit Hin- und Rückspiel ausgetragen wird. Am 28. November 2016 befand sich der Verein zusammen mit Journalisten gerade auf dem Weg zum Finale-Hinspiel, als die LaMia-Maschine wegen Treibstoffmangels - wie später festgestellt wurde - abstürzte.

Auf die Dokumentarbilder des Rettungsteams folgen Interviews mit Spielerfrauen sowie mit den drei überlebenden Spielern, von denen dem Torwart Jackson Follmann ein Teil seines Unterschenkels amputiert werden musste. Parallel dazu schneiden die Filmemacher Archivbilder - sowohl von Spielen und dem dazugehörigen Training als auch Privataufnahmen - der Spieler. Dies festzuhalten ist den Regisseuren sehr wichtig. Denn es erklärt nicht nur den blitzartigen Aufstieg des Vereins aus den Niederungen des Amateurfußballs binnen weniger Jahre. Es wird ebenfalls eine wichtige Rolle beim Wiederaufbau des Vereins spielen. Denn jenseits aller Trauer, die zunächst die ganze Stadt lahmzulegen droht, stellt sich alsbald die Frage: Soll der Verein weiterbestehen? Wenn ja, wer soll ihn führen? Von den 14 Vorstandsmitgliedern blieben ja nach der Katastrophe nur vier. Unter dem Antrieb des Bürgermeisters Luciano Buligon, der selbst den Flug LMI 2933 gebucht hatte, aber dann in Chapecó blieb, melden sich schnell Menschen, die eine kaum zu bewältigende Aufgabe in Angriff nahmen: Eine komplett neue Mannschaft samt Trainer zusammenzustellen.

Unabhängig von den sportlichen Siegen und Niederlagen entsteht nach der euphorischen Stimmung in den Zeiten des Neubeginns eine neue Krise gerade im zwischenmenschlichen Bereich. Es sind vor allem die Spieler aus dem 2016er Kader, die den neuen Geist spüren: Die drei Überlebenden aus der Flugzeugkatastrophe fühlen sich als Vorzeigeobjekte, die lediglich bei Marketingveranstaltungen vorgeführt werden. Diejenigen, die zwar zum Kader gehörten, aber nicht beim Flug LMI 2933 dabei waren, denken, die bei Chapecoense eigene familiäre Stimmung sei verraten. Dazu kommen die finanziellen Probleme der Hinterbliebenen, die sich mehr Unterstützung etwa beim Kampf um die Bildrechte ihrer verstorbenen Männer wünschen. Eine Witwe bringt es auf den Punkt: Der Verlust, den der Verein erlitten habe, könne nicht mit dem Verlust der Familien verglichen werden. Einige Witwen klagen sogar vor Gericht gegen den Verein. Die Wende kommt, als bei der erneuten Reise nach Medellín zu einem Fußballspiel gegen Atlético Medellín die Mannschaft und ihre Familien die Absturzstelle besuchen. Jeff und Michael Zimbalist waren dabei: "Wir hatten keine Ahnung, dass der Rückweg zu der Absturzstelle, dem Krankenhaus und den Ersthelfern so wirkungsvoll sein würde. Und natürlich wurde das nicht nur der Höhepunkt der Reise nach Kolumbien und des Films, sondern auch das Ereignis, das die Chapecoense-Familie zu der Einsicht brachte, dass ihre Einheit viel wichtiger ist als alle Unterschiede. Das war es, was die Gemeinschaft wieder zusammengebracht hat." Dazu kommt die Solidarität der kolumbianischen Stadt. Chapecós Bürgermeister Luciano Buligon erinnert sich etwa mit Tränen in den Augen an eine Begegnung in diesem Sinne. "Unser Team ? Nossa Chape" verdeutlicht, dass es beim Fußball um viel mehr als um Geld und Ruhm geht. Nach der Neuausrichtung des Vereins kehrt Chapecoense zu den Wurzeln zurück: zum Zusammenhalt und zum familiären Geist, der Sepp Herbergers berühmtes Diktum, "elf Freunde müsst ihr sein" mit Leben füllt.
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