DAVIDS WUNDERSAME WELT | Wondrous Oblivion
Filmische Qualität:   
Regie: Paul Morrison
Darsteller: Sam Smith, Delroy Lindo, Emily Woof, Stanley Townsend, Carol MacReady, Angela Wynter, Leonie Elliott, Naomi Simpson
Land, Jahr: Großbritannien 2003
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Senator

Der „Sportlerfilm“ stellt inzwischen ein eigenständiges Kinogenre dar, in dem allerdings zwei unterschiedliche „Schulen“ ausgemacht werden können: In den Sportfilmen aus den Vereinigten Staaten wird vorwiegend auf eine recht sentimentale Story gesetzt, die von der verbindenden Kraft des Sports erzählt – so gesehen zuletzt etwa in Mike Tollins „Sie nennen in Radio“ (siehe Filmarchiv), der von der rührenden Geschichte des geistig behinderten James „Radio“ Kennedy handelt. Der britische Sportfilm hingegen betont eher die Bedeutung des Sports für die Entwicklung eines jungen Menschen („Coming-of-Age-Drama“), die er mit sozialkritischen Untertönen unterlegt. Schule gemacht haben in diesem Genre vor allem ,,Billy Elliot“ (Stephen Daldry 2000) und „Kick it like Beckham“ („Bend it like Beckham“, Gurinder Chadha 2002). Die Spielfilme um den elfjährigen Sohn eines englischen Bergarbeiters Billy Elliot, der sich gegen das Box-Training und für den Ballettunterricht entscheidet, respektive um die 18-jährigen Jess, die ihrem Idol David Beckham nacheifernd entgegen den Traditionen ihrer indischen Einwandererfamilie von einer richtigen Fußballkarriere träumt, haben sich als besonders stilbildend erwiesen.

In dieser Tradition des britischen Sportfilms steht Paul Morrisons „Davids wundersame Welt“ („Wondrous Oblivion“), der das diesjährige Kinderfilmfest bei den Internationalen Filmfestspielen Berlin eröffnete und nun im regulären Kinoprogramm startet. Wie Billy von der Ballett- und Jess von der Fußballkarriere, so träumt auch der elfjährige David Wiseman, der mit seinen Eltern Anfang der 60er Jahre in einem tristen Reihenhäuser-Vorort Londons lebt, davon, ein berühmter Criquetspieler zu werden. Eines steht allerdings seiner Criquet-Karriere im Weg: Obwohl David eine komplette Criquet-Ausrüstung und eine beträchtliche Sammlung von Sportbildchen besitzt, spielt er so miserabel, dass er in der Schulmannschaft lediglich verloren gegangene Bälle fangen und die Ergebnistafel bedienen darf. Erst als Dennis Samuels mir seiner jamaikanischen Emigrantenfamilie in das Nachbarhaus einzieht, lernt David von Dennis und dessen Tochter Judy die Kunst des Criquets.

Im England der frühen 60er Jahre ist Rassismus allenthalben spürbar. Zunächst ist die deutsch-polnische jüdische Familie Zielscheibe der Ressentiments der Nachbarschaft. Nachdem aber die Einwanderer aus Jamaika in den Vorort einziehen, werden sie an Stelle der Wisemans als „die Fremden“ angesehen. Ins Ausschließen der „Fremden“ reiht sich indes David selbst ein: Nachdem der Junge durch Dennis’ Training im Criquetspiel solche Fortschritte gemacht hat, dass er endlich in die Schulmannschaft berufen wird, nehmen seine Spielkameraden Davids Einladung zur Geburtstagsfeier an. Als aber Judy zur Party kommt, lädt sie David aus Angst aus, er würde sich vor seinen Mannschaftskollegen blamieren.

„Davids wundersame Welt“ greift also Themen auf, die sowohl im britischen Sozial- als auch Sportfilm eine bedeutende Rolle spielen: Solidarität, Toleranz, multikulturelle Gesellschaft – und auch die Fähigkeit, die eigenen Fehler einzugestehen und wiedergutzumachen. Obwohl er bei der Berlinale in der Reihe „Kinderfilmest“ gezeigt wurde, ist „Davids wundersame Welt“ nicht unbedingt ein „Kinderfilm“. In einer Nebenhandlung fühlt sich Davids Mutter Ruth durch die viele Arbeit ihres Mannes vernachlässigt und durch Dennis, den neuen Nachbar und Criquet-Lehrer ihres Sohnes angezogen, wobei sich Dennis entschieden Ruths Avancen verschließt: „Lasst uns es beenden, ehe es richtig angefangen hat“. Dennoch handelt es sich um eine Thematik, die Kinder eindeutig überfordert, wie im Anschluss an die Vorführung in Berlin zu hören war.

Gemeinsam mit Filmen wie „Billy Elliot“ und „Kick it like Beckham“ besitzt „Davids wundersame Welt“ eine pulsierende Musik. Der bis in die Details liebevoll ausgestattete Film verzichtet weitgehend auf digitale Tricks – mit einer einzigen Ausnahme: in bester „Harry Potter“-Manier erwachen die Criquet-Bildchen, mit denen David Mannschaftsaufstellungen und Spielzüge nachstellt, zum Leben. Sonst jedoch setzt diese im ruhigen Erzählrhythmus inszenierte „Coming-of-Age“-Komödie ganz auf das Spiel seiner Darsteller.
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