WALPURGISNACHT - DIE MÄDCHEN UND DER TOD | Walpurgisnacht - Die Mädchen und der Tod
Filmische Qualität:   
Regie: Hans Steinbichler
Darsteller: Silke Bodenbender, Ronald Zehrfeld, Jörg Schüttauf, Godehard Giese, David Schütter, Zsá Zsá Inci Bürkle, Theo Trebs, Jördis Triebel, Uwe Preuss, Adam Venhaus
Land, Jahr: Deutschland 2018
Laufzeit: 180 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 2/2019


José Garcia
Foto: ZDF / Julie Vrabelova

Ein Dorf im Harz in der ehemaligen DDR, 1988: Eine junge Frau aus Westdeutschland stirbt, als sie von einer Klippe stürzt. Polizist Karl Albers (Ronald Zehrfeld) zweifelt an einem Unfall. Gegen alle Gewohnheit kreuzt er im Protokoll "ungeklärte Todesursache" an und sendet es in den Westen. LKA-Ermittlerin Nadja Paulitz (Silke Bodenbender) wird deshalb in den Osten entsandt. Begegnen Karl und sein Vorgesetzter Hauptmann Wieditz (Jörg Schüttauf) Nadja zunächst sachlich, so setzt Kreisleiter Egon Pölz (Godehard Giese) alles daran, den Fall rasch abzuschließen. Als eine zweite junge Frau ermordet wird, lenkt Pölz den Verdacht auf Jörg Spengler (Adam Venhaus), einen zurückgeblieben wirkenden Außenseiter. Nadja Paulitz bekommt jedoch immer mehr Zweifel daran, dass Spengler der Mörder sein soll. Zusammen mit Karl Albers will sie keine einfachen Lösungen, sondern den Mörder finden.

Der Zweiteiler "Walpurgisnacht - Die Mädchen und der Tod" spielt auf drei verschiedenen Ebenen: Zunächst einmal geht es dabei um die Lösung des Kriminalfalls. Mit dem Fortgang der Handlung wird aber immer deutlicher, dass die zwischenmenschlichen Beziehungen eine zentrale Rolle spielen. Denn sowohl Nadja als auch Karl haben mit Problemen zu tun: Nadja muss noch ein Trauma aufarbeiten, und Karl schlägt sich mit seinen Eheproblemen herum. Im Hintergrund dieser Genre-Elemente steht aber auch die politische Entwicklung gegen Ende der deutschen Teilung. Eine gemeinsame Ermittlungsarbeit von BRD und DDR hat es zwar so nicht gegeben, aber das Gedankenspiel, wie es dazu hätte kommen können, bildet einen ansprechenden Hintergrund für den überaus komplexen Zweiteiler.


Interview mit den Hauptdarstellern Silke Bodenbender und Ronald Zehrfeld

Was hat Sie besonders an dem Zweitteiler interessiert?

Silke Bodenbender: Ich fand es spannend, eine West-Kommissarin zu spielen, die 1988 in der DDR ermitteln darf. Bei der Schutzpolizei wurden Frauen in der BRD überhaupt erst seit 1987 eingestellt. Bei der Kriminalpolizei zwar schon früher, aber eine solche Position wurde einer Frau damals noch nicht zugetraut. Interessant war es auch, dass Nadja weder Sympathieträgerin noch eine strahlende Heldin ist. Aber sie hat das Herz am richtigen Fleck. Sie wirkt verschlossen und ist schwer lesbar, weil sie ein Trauma erlitten hat. Deshalb hat sie auch eine Auszeit genommen, was allerdings vor Beginn des Films liegt. Als ihr Chef sie bittet rüberzugehen, weil sie "der beste Mann im Stall" sei, sieht sie die Chance, in ihren Beruf zurückzukehren. Sie hat aber immer noch mit ihrem Trauma und Schuldgefühlen zu kämpfen. Daher das Verbissene, zu Ehrgeizige. Nach und nach wird sie weicher, weil sie einem Seelenverwandten begegnet.

Ronald Zehrfeld: Zum einen, dass es zu der Zeit zwei Systeme gab. Es war die Zeit der Annährung. Obwohl die Bundesrepublik die DDR nicht als Staat anerkannte, wurde 1987 Honecker erstmals im Westen ein Staatsempfang zuteil. Hans (Steinbichler) hat es verstanden, einen historischen Film mit einem Genre - das ich als "Mystic-Thriller" bezeichnen möchte - zu verknüpfen. Die Handlung spielt zwar eindeutig in der DDR, aber der Film zielt nicht so sehr auf den Realismus, er konzentriert sich eher auf die Figuren. Wenn der Zuschauer diesen Figuren gerne folgt, wie sie sich verändern, dann haben wir das erreicht, worum es im Medium Film geht.


Hat es eine gemeinsame Ermittlungsarbeit von BRD und DDR überhaupt gegeben?

Silke Bodenbender: Nein, soweit ich weiß, hat es die nicht gegeben. Es gab zwar Amtshilfegesuche zum Beispiel im Fall des Sexualstraftäters und mehrfachen Kindermörders Erwin Hagedorn, weil in der Bundesrepublik im ähnlich gelagerten Fall Jürgen Bartsch bereits mit Täterprofilen gearbeitet wurde, aber in der DDR gab es offiziell ja keine Morde - Kriminalität passte nicht in das sozialistische Menschenbild. Im Westen hat man sich schon viel früher mit Serientätern beschäftigt.

Ronald Zehrfeld: Hier muss die Polizistin aus dem Westen rüber, weil der DDR-Polizist das Kreuz bewusst an der falschen Stelle gemacht hat. Das war unüblich, weil sonst die Todesursache "geklärt" war. An den beiden genannten Fällen wird deutlich, dass es zwischen den beiden Systemen Unterschiede gab. Im Fall Erwin Hagedorn, dem letzten in der DDR zum Tode Verurteilten, versuchte der Osten erstmals, über Profilanalyse den Täter zu finden.


Wie ist die Beziehung zwischen Nadja und Karl?

Silke Bodenbender: Was sie verbindet, wieso sie ein gutes Team bilden, ist, dass die beiden - im Gegensatz zu Jörg Schüttaufs Figur - den Täter wirklich finden wollen. Zwischen den beiden liegt eine subtile Wärme, die angenehm ist. Durch Karl öffnet sich Nadja ein wenig. Und umgekehrt: Sie spüren, dass sie beide mit inneren Dämonen zu kämpfen haben. Deshalb empfinden sie Sympathie füreinander.

Ronald Zehrfeld: Trotz der Systemunterschiede sind wir alle Menschen mit unseren Ängsten. Manchmal müssen wir Traumata verarbeiten, um sie mit einer ganz anderen Sache überwinden zu können. Nadja hat ein Trauma, weil sie einmal einen Serienmörder erschossen hat. Obwohl es legitim war, macht sie sich Vorwürfe, weil sie einen Menschen getötet hat. Mit Karl Albers hat sie die Chance, dass sie mit ihm oder über ihn etwas verarbeiten kann. Es gibt Momente, in denen man merkt, dass auf der zwischenmenschlichen Ebene das System keine Rolle spielt. Es geht um die Frage, wo vertraut man sich und wo lässt man los.


Welche Erinnerungen haben Sie selbst an diese Zeit, an das Jahr 1988?

Silke Bodenbender: Ich bin in Bonn groß geworden, wo Politik allgegenwärtig war. Ich erinnere mich noch an die Riesendemo gegen die Nuklearaufrüstung im Hofgarten 1987, da war ich 13. Von meinem zehnten bis zu meinem vierzehnten Lebensjahr habe ich in einem Jugendchor gesungen, und war mehrfach in der Sowjetunion und in Polen, auch in der DDR. Ich kann mich an das Passieren der Grenze erinnern. Das war immer unheimlich, weil man nicht wusste, was passieren würde. Inwiefern mir damals klar war, dass sich da auf der anderen Seite des Eisernen Vorhangs etwas Wesentliches änderte, kann ich nicht sagen.

Ronald Zehrfeld: Meine Oma durfte ein-, zweimal im Jahr rüber. Dann bekam ich eine Milka-Schokolade aus dem Westen oder eine Coca Cola, die eine Woche lang im Kühlschrank blieb. Ich dachte: "Wenn Du dann mit 65 Rentner bist, dann kannst auch Du rüber." Ich bin gespannt, was für Filme dann in diesem Jahr - zum 30. Jahrestag des Mauerfalls - kommen, etwa über die Mauscheleien der Treuhand. Ein anderes Thema: Freunde von mir haben als junge Offiziere bereits im Frühjahr 1989 Akten vernichten müssen. Tausende Filme könnte man drehen!


"Walpurgisnacht - Die Mädchen und der Tod". Regie: Hans Steinbichler, Zweiteiler. Montag, 18. Februar und Mittwoch, 20. Februar, jeweils um 20.15 Uhr im ZDF.
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