HOMECOMING | Homecoming
Filmische Qualität:   
Regie: Sam Esmail
Darsteller: Julia Roberts, Stephan James, Bobby Cannavale, Shea Whigham, Alex Karpovsky, Jeremy Allen White, Ayden Mayeri, Sissy Spacek, Marianne Jean-Baptiste, Dermot Mulroney, Hong Chau, Brooke Bloom
Land, Jahr: USA 2018
Laufzeit: 310 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 12/2018


José García
Foto: Amazon / Tod Campbell

Von den Maßnahmen "zum Stressabbau" nach einem Auslandseinsatz von Soldaten handelt der französische Spielfilm "Die Welt sehen", in dessen Mittelpunkt eine französische Militäreinheit steht, die auf dem Rückweg aus Afghanistan drei Tage lang in einem Fünf-Sterne-Hotel auf Zypern verbringt. Dort können die Soldatinnen und Soldaten entspannen, müssen aber auch an verschiedenen Sitzungen teilnehmen, um die im Krieg erlebten Grausamkeiten aufzuarbeiten.

Einem ähnlichen Zweck dient in der Amazon-Serie "Homecoming" die Einrichtung "Homecoming Transitional Support Center", das Soldaten die Wiedereingliederung ins zivile Leben nach einem Kriegseinsatz erleichtern soll. Im Gegensatz zum Fünf-Sterne-Hotel auf Zypern in "Die Welt sehen" steht das "Homecoming"-Zentrum mitten im Nirgendwo in Florida: Sie wird in einem leerstehenden Gewerbegebiet blitzschnell eingerichtet, um die ersten "Kunden" aufzunehmen. Denn die Soldaten heißen hier Kunden ("Clients" im Original), wird "Homecoming" doch von einer Privatfirma namens "Geist Group" im Auftrag der US-Regierung betrieben. Homecoming-Leiterin Heidi Bergman (Julia Roberts) führt ein Gespräch mit Walter Cruz (Stephan James), der gerade von einem Kriegseinsatz zurückgekehrt ist, über dessen traumatischen Erlebnisse in Afghanistan. Die Gespräche werden mit einem Diktiergerät zwecks Protokollierung aufgenommen. Es ist der 10. April 2018. Aber Heidi Bergman soll darüber hinaus Informationen und Daten an ihren undurchschaubaren Vorgesetzten Colin Belfast (Bobby Cannavale) weiterleiten, mit dem sie sich nie persönlich trifft, sondern lediglich übers Telefon kommuniziert. Sehr bald entsteht der Verdacht, dass Belfast seiner Mitarbeiterin die eigentlichen Ziele des Homecoming-Zentrums verheimlicht.

Eine zweite Zeitebene wird nun eingeführt und dadurch visuell gekennzeichnet, dass sich das Bild vom üblichen Breitbildformat in das 4 : 3-Format verwandelt. Auch wenn dies zusammen mit düsteren, etwas verwaschenen Farbtönen suggerieren könnte, dass es sich um eine Rückblende handelt, ist es genau umgekehrt: Die Ereignisse finden vier Jahre später statt. In "Homecoming" ist die Gegenwart demnach im Jahre 2022 angesiedelt, wohingegen der 2018 stattfindende Handlungsstrang als eine ausgedehnte Rückblende anzusehen ist. Während der ganzen Serie wird ständig zwischen den beiden Erzählebenen gewechselt.
Im Jahr 2022 arbeitet Heidi in einem Schnellrestaurant, und lebt bei ihrer Mutter (Sissy Spacek). Ein Ermittler des Verteidigungsministeriums (Shea Whigham) sucht sie auf, weil es mit ihrer Tätigkeit im "Homecoming"-Zentrum noch immer Unklarheiten gibt. Überraschenderweise kann sich Heidi an diese Zeit gar nicht erinnern, ja sie kann nicht einmal mit dem Namen "Geist Group" irgendetwas anfangen.

Regisseur Sam Esmail erzeugt Spannung nicht nur durch die eigentliche Handlung, die sich in der Vergangenheit insbesondere auf die Gespräche zwischen Heidi Bergman und Walter Cruz konzentriert. Dass zwischen ihr und dem ehemaligen Soldaten eine besondere Verbindung besteht, steht damit im Zusammenhang, dass sich Walter besonnen und einsichtig gibt — im Gegensatz etwa zum aggressiv wirkenden Shrier (Jeremy Allen White).

In der "Gegenwart" kreist die Handlung um die Ermittlungsarbeit des Beamten aus dem Verteidigungsministerium sowie um Heidis Bemühungen, sich an ihre Zeit bei "Homecoming" zu erinnern. Darüber hinaus sorgt die Inszenierung für thrillermäßige Spannung: Im 2018 angesiedelten Handlungsstrang wirkt die ganze Einrichtung — von dem spärlichen, bräunlichen Mobiliar bis hin zu den klinisch aseptischen Räumen — künstlich, als sei dieses "Homecoming"-Zentrum einfach in so etwas wie einem Fernsehstudio untergebracht. Der 2022-Handlungsstrang zeichnet sich nicht nur durch die erwähnte retrofuturistische Anmutung, sondern auch durch die bedrohliche Musik aus. "Homecoming" ist bis in die Nebenrollen, etwa auch mit Sissy Spacek als Heidis Mutter, prominent besetzt. Neben einer exzellent spielenden und in einer Beinah-Doppelrolle brillierenden Julia Roberts überzeugt insbesondere auch der junge Stephan James. Sie verkörpern zwar ganz unterschiedliche Charaktere, die sich dennoch wunderbar ergänzen. Dadurch, dass die einzelnen zehn Folgen etwa 30 Minuten lang sind, entsteht eine leichtfüßige Erzählung. Verbunden mit den zwar immer wieder auftretenden, aber dennoch wohldosierten Irritationen und der besonderen Atmosphäre, in die beide Zeitebenen getaucht sind, steigert sich "Homecoming" immer mehr, um auf die Fragen, die sich der Zuschauer im Laufe der verschiedenen Folgen stellt, Antworten zu geben, so etwa, was mit Heidis Gedächtnis geschehen ist. Regisseur Sam Esmail gelingt es, aus einer zunächst eher einfach erscheinenden Ausgangssituation einen immer spannenderen Thriller zu schaffen. Wie auch schon etwa "Bodyguard" handelt "Homecoming" ebenfalls von Soldaten, die aus ihrem Einsatz in Krisengebieten traumatisiert zurückkehren, wobei dies in der aktuellen Serie lediglich die Grundlage für weitere Verschwörungstheorien darstellt.

"Homecoming". 10-teilige Serie mit insgesamt 310 Min. Regie: Sam Esmail. Auf Amazon Prime Video im Original mit Untertiteln abrufbar, ab dem 22. Februar auch in der deutschen Synchronfassung.
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