TROJA | Troy
Filmische Qualität:   
Regie: Wolfgang Petersen
Darsteller: Brad Pitt, Eric Bana, Orlando Bloom, Diane Kruger, Brian Cox, Sean Bean, Brendan Gleeson, Peter O’Toole, Saffron Burrows, Rose Byrne
Land, Jahr: USA 2004
Laufzeit: 162 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: G +, S, X


JOSÉ GARCÍA
Foto: Warner

Das 21. Jahrhundert ist noch nicht einmal ein halbes Jahrzehnt alt, aber bereits jetzt kann ein neuer Trend im Spielfilm des neuen Jahrhunderts festgestellt werden: die Rückkehr tot geglaubter Filmgenres. Noch vor dem Western („Open Range – Weites Land“, Kevin Costner 2003, s. Filmarchiv) und dem Abenteuer-Schiffsfilm („Master and Commander – Bis ans Ende der Welt“, Peter Weir 2003, s. Filmarchiv) begann diese Renaissance mit dem „Sandalenfilm“.

Im Gefolge des Welterfolgs von Ridley Scotts „Gladiator“ (2000) entdeckte Hollywood das Genre der Monumental- oder „Antik“-Filme wieder, das in den fünfziger und sechziger Jahre mit „Quo Vadis“ (1952), „Das Gewand“ (1953), „Die Fahrten des Odysseus“ (1954), „Alexander der Grosse“ (1956), „Ben Hur“ (1959), „Die Zehn Gebote“ (1959) und „Cleopatra“ (1963) seinen Höhepunkt erlebte.

Den Namen „Monumentalfilm“ trägt besonders zu Recht ein Filmwerk, das zu den Meilensteinen in der Entwicklung der genuinen Filmsprache zählt: In „Intolerance – Die Tragödie der Menschheit“ (1916) illustriert David W. Griffith anhand von vier parallel erzählten historischen Ereignissen, dass Intoleranz seit alters her das menschliche Handeln bestimmt. Für eine dieser Episoden – „Der Fall Babylons“ – ließ Griffith die größten Dekorationen aufbauen, die bis heute für einen Film errichtet wurden: Die massiven Türme Babylons waren rund 70 Meter hoch.

An diesen Monumentalfilm knüpft nun Wolfgang Petersen in seinem neuen Film „Troja“ („Troy“) an, der mit seinem Budget von 200 Millionen Dollar eine der teuersten Filmproduktionen aller Zeiten geworden ist: Für die Stadtmauer und das Stadttor von Troja wurde eine 650 Meter lange Mauer errichtet, die im Verfahren der digitalen Nachbearbeitung auf mehrere Kilometer verlängert wurde. Welchen Stellenwert in einer solchen Mammutproduktion Historizität spielt, führt Produktionsdesigner Nigel Phelps aus: „Ich recherchierte und fand heraus, dass die Wirklichkeit der damaligen Zeit eher einen sehr kleinen Maßstab hatte. Mein Beitrag bestand darin, die Kunst und die Motive von Mykene mit dem gigantischen Maßstab der Ägypter zu kombinieren.“ Der Zuschauer „soll staunen“, so Phelps weiter, wenn er Troja zum ersten Mal sieht.

Petersens Film wendet diese künstlerische Freiheit aber nicht nur auf die Ausstattung an, denn „Troja“ adaptiert nicht einfach Homers „Ilias“, obgleich das Hauptmotiv des Filmes ihr entnommen ist: der Trojanische Krieg, der entbrannte, als Menelaos Gattin Helena von Paris nach Troja verschleppt wurde. Bestes Beispiel für diese freie Adaption liefert das Trojanische Pferd, mit dessen Hilfe die Griechen den Krieg für sich entschieden. Das Trojanische Pferd kommt nicht in der „Ilias“, sondern in Homers „Odyssee“ vor: „Fahre nun fort, und singe des hölzernen Rosses Erfindung, / Welches Epeios baute mit Hilfe der Pallas Athene, / Und zum Betrug in die Burg einführte der edle Odysseus, / Mit bewaffneten Männern gefüllt, die Troja bezwangen“.

Schwerer wiegt freilich die Entscheidung Petersens, aus der Handlung von „Troja“ die Götter herauszunehmen. Dazu der Regisseur: „Religion und Glaube spielen eine wichtige Rolle, aber die Götter werden nur erwähnt – sie sind nicht Teil der Handlung. Das hätte nicht zu der realistischen Atmosphäre gepasst, die uns für den Film vorschwebte.“ Werden die Götter weggelassen, so leidet teilweise die Dramaturgie darunter, etwa als sich Priamos zu Achilles begibt. Bei Homer heißt es, unter Hermes’ Schutz gelinge es dem König von Troja, unbemerkt in Achilles’ Zelt zu kommen. Im Film sieht der Zuschauer lediglich eine Figur in der Dunkelheit schreiten – wie Priamos ungesehen ins Lager der Griechen gelangen kann, bleibt ein Rätsel. Diese Regieentscheidung hat aber weitergehende Folgen. Denn ohne Götter bleibt „Troja“ lediglich ein Schlachtengetümmel mit hervorragend choreographierten Szenen, etwa dem Zweikampf zwischen Hektor und Achilles. Das klassische Epos wird jedoch des Mythosgehalts beraubt.

Darüber hinaus sind die Figuren viel zu sehr Menschen des 21. Jahrhunderts – lediglich Peter O’Toole als Priamos und Eric Bana als Hektor vermögen die Helden des klassischen Epos glaubwürdig zu verkörpern. Die deutsche Diana Kruger mag ein hübsches, für ein Model photogenes Gesicht besitzen, doch für die Rolle der Helena mangelt es ihr am Ausstrahlung – in diesem von Männern beherrschten Film besitzen Rose Byrne als Briseis und Saffron Burrows als Andromache weit mehr weibliche Leinwandpräsenz. Und auch Mädchenschwarm Orlando Bloom flößt der Rolle des Paris kaum Leben ein. Die eigentliche zentrale Figur ist und bleibt Achilles, von dessen Zorn zu erzählen die Göttin gleich zu Beginn der „Ilias“ aufgefordert wird („Singe den Zorn, o Göttin, des Peleiaden Achilleus, / Ihn, der entbrannt den Achaiern unnennbaren Jammer erregte“). Unsterblichkeit kann er nur erreichen, indem er Heldentaten vollbringt. Das Aussehen eines großen Kämpfers hat sich Brad Pitt zwar antrainiert, doch mit starker körperlicher Präsenz und einem Stirnrunzel allein ist der, „den vor allem zum Lieblinge koren die Götter“ kaum darzustellen.

Geschickt hat Petersen den Weg für eine oder sogar zwei Fortsetzungen geebnet: durch die Vorwegnahme des Trojanischen Pferdes aus der „Odyssee“ schafft er den Übergang zu den Irrfahrten des Königs von Ithaca. Andererseits führt er kurz vor Schluss den Aeneas ein – eine Verfilmung seiner Flucht aus dem brennenden Troja nach Latium, wo er Stammvater der Römer wird, käme deshalb ebenso in Frage. Über die eine oder die andere Möglichkeit wird jedoch lediglich eins entscheiden: der Erfolg von „Troja“ an der Kinokasse.
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