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José Garcia Foto: dcm ![]() Wer nun den Sicherheitskräften den Befehl erteilte, sich zurückzuziehen, wurde nicht vollständig geklärt. Wahrscheinlich wurden sie einfach von der Menschenmenge überrumpelt. Einsatzleiter Helmuth Hackenberg soll am frühen Abend, als sich das Ausmaà der Demonstration abzeichnete, Egon Krenz angerufen haben. Dem Berliner "Tagesspiegel" berichtete Hackenberg zehn Jahre später: "Ich habe ihm mitgeteilt, dass die Demonstration friedlich verläuft und wir die Einheiten zurückziehen können. Er sagte mir, er müsse sich beraten und hat das wohl auch getan." Als Krenz zurückrief, war jedoch die Demonstration schon vorbei. Nach der Leipziger Montagsdemo vom 9. Oktober stand die Mauer auf den Tag genau nur noch einen Monat. Eine andere, eher komödiantische Sicht des 9. Oktobers 1989 liefert nun der Spielfilm "Vorwärts immer!", der mit dem Bayerischen Filmpreis für den Hauptdarsteller Jörg Schüttauf und für die Regisseurin Franziska Meletzky ausgezeichnet wurde, und nun im regulären Kinoprogramm startet. Die DDR-Komödie geht von der historischen Tatsache aus, dass ausgerechnet am Abend des 9. Oktober 1989 der gesundheitlich angeschlagene und realitätsvergessene Erich Honecker unauffindbar war. Nur neun Tage später wurde Egon Krenz Nachfolger Honeckers als Generalsekretär des ZK der DDR. Der Filmtitel "Vorwärts immer!" stammt aus dem Theaterstück, das eine Theatergruppe heimlich probt. Darin spielt der Schauspieler Otto Wolf (Jörg Schüttauf) den ZK-Generalsekretär Erich Honecker mit verblüffender Ãhnlichkeit. Ãber die Querelen innerhalb der Theatergruppe hinaus hat Wolf ein echtes Problem: Seine schwangere Tochter Anne (Josefine PreuÃ) reist zusammen mit ihrem Freund Matti (Marc Benjamin) und dem DDR-Kritiker August (Jacob Matschenz) am Morgen des 9. Oktobers nach Leipzig, um an einen gefälschten Pass zukommen, mit dem sie aus der DDR zu fliehen hofft. Ausgerechnet Leipzig, denkt sich Otto, wo am Abend wieder einmal eine Demonstration stattfinden soll. Nachdem es am vorigen Montag zu ZusammenstöÃen gekommen ist, sollen sich die Machthaber für die "chinesische Lösung" entschieden haben. Da seine Ãberredungskünste nicht fruchten, und er nicht verhindern kann, dass Anne dorthin fährt, wo Panzer rollen sollen, bleibt Otto Wolf nur ein verzweifelter Schritt: Erich Honecker nicht nur auf der Bühne, sondern "echt" zu spielen. Der Plan: Während sich Honecker in Wandlitz auf der Jagd befindet, will sich Otto als Honecker verkleidet in das Zentralkomitee schleichen, und von dort telefonisch den SchieÃbefehl zurücknehmen. Da er Honeckers Stimme richtig gut imitieren kann, dürfte dies kein Problem sein. Allerdings könnte es brenzlig werden, wenn er den Mitgliedern des Zentralkomitees und vor allem Margot Honecker (Hedi Kriegeskotte), die eigentlich die Fäden der Macht in ihrer Hand hält, zu nahe kommt. Auch wenn das von Regisseurin Franziska Meletzky und ihren Mit-Autoren Markus Thebe, Philipp Weinges und Günter Knarr verfasste Drehbuch für "Vorwärts immer!" Ernst Lubitschs "Sein oder Nichtsein" (1942) nicht unmittelbar zitiert, lässt die Handlung unweigerlich an Lubitschs Klassiker denken. Denn in "Sein oder Nichtsein" schlüpft eine polnische Theatertruppe, die ein Antinazi-Stück probt, in die Rolle der deutschen Besatzer in Warschau, um eine Widerstandsgruppe zu schützen. Hier schlüpft nicht nur Otto Wolf in die Rolle Honeckers. Nach und nach sehen sich auch die anderen Ensemble-Mitglieder genötigt, die Kostüme ihres Stücks anzulegen. Die turbulente DDR-Komödie folgt darüber hinaus den Genre-Gesetzen der Verwechslungskomödie. Insbesondere Hauptdarsteller Jörg Schüttauf brilliert dabei als doppelter Honecker, dessen Honecker-Imitation durch Schauspieler Otto Wolf laut Wolfs Theaterkollegen sogar "besser als Honecker" wirkt, und der teilweise an Charles Chaplin in "Der groÃe Diktator" (1940) erinnert. Ãhnlich Chaplin im zuletzt genannten Film oder Lubitsch in "Sein oder Nichtsein" scheut Regisseurin Franziska Meletzky nicht davor, eine gewisse Portion Klamauk einzusetzen, auch wenn die eine oder andere Slapstick-Einlage schon über die Stränge schlägt. Jedenfalls hat "Vorwärts immer!" mehr Gemeinsamkeiten mit den beiden Antinazi-Klassikern als etwa mit der DDR-Komödie "Goodbye, Lenin!" (Wolfgang Becker, 2003) ? der Klamauk in "Vorwärts immer!" spiegelt auch die surrealen Verhältnis in der DDR-Endphase wider. |
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