CLUB EUROPA | Club Europa
Filmische Qualität:   
Regie: Franziska M. Hoenisch
Darsteller: Sylvaine Faligant, Maryam Zaree, Artjom Gilz, Richard Fouofié Djimeli, Marie-Lou Sellem, Tilo Nest, Anton Rubtsov, Roland Bonjour
Land, Jahr: Deutschland 2017
Laufzeit: 82 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 7/2017


José García
Foto: ZDF

Eine WG junger Menschen in Berlin-Kreuzberg bekommt Zuwachs. Zu Beginn des Spielfilmes "Club Europa" von Franziska M. Hoenisch (Regie) und John-H. Karsten (Drehbuch), der beim 38. Filmfestival Max Ophüls 2017 den "Preis für den gesellschaftlich relevanten Film" gewann, versuchen Martha (Sylvaine Faligant), Yasmin (Maryam Zaree) und Jamie (Artjom Gilz), ein Bett für den Neuen zusammenzubauen. Mit dem "Neuen" hat es allerdings eine ganz besondere Bewandtnis: Samuel (Richard Fouofié Djimeli) stammt aus Kamerun und ist nach Berlin als Flüchtling gekommen.

Die 28-jährige Martha hatte aus dem Bedürfnis, etwas Gutes zu tun, und aufgrund des schlechten Gewissens, sich im Alltag meist zu wenig zu engagieren, ihren Mitbewohnern Yasmin und Jamie vorgeschlagen, einen Flüchtling in dem freien Zimmer in ihrer Kreuzberger WG aufzunehmen. Eine NGO vermittelte ihr denn auch Samuel. Deshalb kümmert sich vorwiegend Martha, die gerade ihre erste Stelle als Eventmanagerin bekommen hat, um Samuel, so etwa bei den erforderlichen Behördengängen. Aber auch Yasmin, die sich gerade im Referendariat befindet, und der etwas antriebsschwache US-Amerikaner Jamie, der offensichtlich lediglich eine schöne Zeit in Berlin verbringen möchte, helfen gerne bei Samuels "Integration". Diese findet vorwiegend in der Küche statt, wo gemeinsam gekocht und gelacht wird. Sie unterhalten sich in einer Mischung aus Deutsch, Englisch und Französisch — Samuel bevorzugt diese Sprache, und Martha ist sowieso halb Deutsche, halb Französin. Allerdings unterstützt sie den Neuankömmling dabei, Deutsch zu lernen. Samuel hält sich daran, und lernt zügig. Außerdem sorgt er für Sauberkeit in der Küche. Nicht nur deshalb nötigt Samuel den WG-Bewohnern eine gewisse Bewunderung ab, so etwa als Jamie mittels GoogleMaps die Route nachrechnet, die Samuel zurückgelegt hat, um von Kamerun nach Berlin zu kommen.

Zunächst ohne einschneidende Ereignisse verändert sich dennoch etwas. Sind Martha, Yasmin und Jamie eher mit "alltäglichen" Sorgen beschäftigt, so wird Samuel mit den gesundheitlichen Problemen seiner Mutter in der Heimat konfrontiert. Sie braucht Geld für eine Operation — und er gibt es für ein paar schnieke Turnschuhe aus. Die zunächst immer besser funktionierende Integration hat für den Kameruner auch eine Schattenseite. So wirft ihm sein Bruder bei einem Skype-Gespräch vor: "Du sprichst wie die sorglosen Europäer. Mir gefällt es nicht, was für eine Entwicklung Du gerade durchmachst".

Nach ein paar Wochen kommen erste Irritationen auf. Techno-Partys mit Drogenkonsum befremden Samuel genauso wie die Tatsache, dass Martha "einfach so" mit ihrem Freund nach Istanbul in Urlaub fährt. Der Alltag holt insbesondere die beiden Frauen ein: Martha muss sich in ihrem Job beweisen, Yasmin hat mit dem Referendariat wahrlich genug zu tun. So stellt es sich bald heraus, dass keiner der drei in der Lage oder willens ist, Samuel aufs Amt zu begleiten. Allerdings ist dies noch gar nichts im Vergleich mit dem, was sich anbahnt. Denn bald steht die Polizei in der Küche: "Hier sollen sich illegale Personen aufhalten". Noch stimmt dies zwar gar nicht, aber bald ändert sich Samuels Aufenthaltsstatus: Da sein Asylantrag abgewiesen wurde, muss er Deutschland verlassen und nach Spanien reisen, wo er bei seiner Ankunft in der Europäischen Union erstmals registriert wurde — so regelt es die sogenannte "Dublin-III-Verordnung" von 2013. Nun stellt sich die Frage, ob sich Martha, Yasmin und Jamie auf das Wagnis einlassen, Samuel illegal bei sich wohnen zu lassen.

"Club Europa" spielt sich fast ausschließlich in der Wohnung ab. Allerdings fallen immer wieder Blicke auf die Wohnungen im Haus gegenüber: Haben die Nachbarn die Polizei informiert? Darüber hinaus verleiht die Regisseurin ihrem Film eine halbdokumentarische Anmutung, besonders deutlich etwa in einer der ersten Filmszenen, in der Martha wie in einer Interviewsituation frontal in die Kamera spricht, um zu erklären, warum sie sich entschlossen hat, einen Flüchtling aufzunehmen.

Regisseurin Franziska M. Hoenisch nimmt sich in ihrem Diplomfilm an der Filmakademie Baden-Württemberg eines aktuellen und sehr ernsten Themas an. Sie selbst führt dazu aus: "Die Recherche begann im Frühjahr 2014. Damals hörte man in den Medien immer mehr über die Flucht nach Europa. Ich hatte das Glück, in meiner Schulzeit ein Jahr Austauschschülerin in einer Gastfamilie in Südafrika zu sein. Gastfamilien für Geflohene — das wäre doch gut, dachte ich. Die Jugendämter waren auf dieselbe Idee gekommen. Im Herbst 2014 gründete sich dann die NGO ,Flüchtlinge Willkommen?, die Geflohene in WGs vermittelt. Die Geschichte des Films entwickelte sich in Echtzeit mit der Wirklichkeit. Erst war es mir ganz wichtig, dass die Geschichte ein gutes Beispiel für eine erfolgreiche Integration setzt. Durch Gespräche mit Betroffenen und durch die ehrliche Auseinandersetzung mit der eigenen Komfortzone wurde aber immer klarer, dass wir unserer unpolitischen Generation und uns selbst einen Spiegel vorhalten wollen."

Obwohl der Film einige Klischees etwa auch in den eher flachen Dialogen und in der Charakterzeichnung bemüht, setzt sich "Club Europa" mit einer Generation auseinander, die gerne "etwas bewegen", sich engagieren will, deren Hilfsbereitschaft jedoch auf Grenzen stößt. In dieser Hinsicht wirken die aufgeworfenen Fragen um die Einsatzbereitschaft junger Menschen glaubwürdig.

Das ZDF strahlt "Club Europa" am Donnerstag, 27. Juli 2017 um 23.00 Uhr aus.
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