OVERDRIVE | Overdrive
Filmische Qualität:   
Regie: Antonio Negret
Darsteller: Scott Eastwood, Freddie Thorp, Clemens Schick, Anna de Armas, Gaia Weiss, Simon Abkarian
Land, Jahr: USA 2017
Laufzeit: 99 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: G
im Kino: 6/2017
Auf DVD: 10/2017


José Garcia
Foto: universum

Die "Gaunerkomödie", die als Filmgenre insbesondere in den 1950er bis 1970er Jahren ihren Höhepunkt erlebte, brachte immer wieder interessante Filmcharaktere hervor. Unter diesen "sympathischen Gaunern" ragen etwa Cary Grant als Diamantendieb in "Über den Dächern von Nizza" (Alfred Hitchcock, 1955), Audrey Hepburn und Peter OToole in "Wie klaut man eine Million" (William Wyler, 1966), Jean-Paul Belmondo und David Niven in "Das Superhirn" (Gérard Oury, 1969) sowie Robert Redford und Paul Newman in "Der Clou" (George Roy Hill, 1973) heraus. Eine Art Renaissance erlebte dieses Filmgenre vor fünfzehn Jahren mit Steven Spielbergs "Catch me if you can" (2002).

Im nun anlaufenden Spielfilm "Overdrive" verkörpern zwei Hollywood-Jungschauspieler ein "Meisterdieb"-Duo, das sich auf den Diebstahl von Luxus-Sportwagen spezialisiert hat: Die Halbbrüder Andrew (Scott Eastwood) und Garrett Foster (Freddie Thorp) reisen an die französische Riviera, um für einen finanzkräftigen Kunden einen Bugatti 1937 zu stehlen. In einer spektakulären Action-Sequenz gelingt es zwar ihnen, aus einem im rasanten Tempo über die Autobahn fahrenden Lastkraftwagen das sündhaft teure Sammlerstück zu entwenden. Damit haben jedoch für die beiden die Schwierigkeiten erst begonnen. Denn der Sportwagen gehört einem lokalen Gangster, Jacomo Mornier (Simon Abkarian), der die Halbbrüder ganz leicht schnappt. Notgedrungen gehen die beiden Diebe mit Mornier einen Pakt ein: Sie behalten ihr Leben, wenn sie für den Gangster in kürzester Zeit ein besonderes Auto von Morniers Erzfeind Max Klemp (Clemens Schick) stehlen, einen 1962er Ferrari 250 GTO. Sie haben nur wenige Tage Zeit, um ein Team zusammenzustellen, mit dem der Coup gelingen kann. So geraten die Meisterdiebe in Konkurrenzkampf um Marseille zwischen dem etablierten Mafiaboss und dem deutschen Klemp, der sich erst kürzlich an der Riviera niedergelassen hat.

In genretypischer Manier ? der Zuschauer kennt es beispielsweise aus Steven Soderberghs "Ocean´s Eleven" (2001) ? zeichnet das Drehbuch von Michael Brandt und Derek Haas das Anheuern der jeweiligen Spezialisten in einer schnellgeschnittenen Sequenz nach. Zum Team gehören darüber hinaus zwei Frauen: Stepahnie (Ana de Armas) und Devin (Gaia Weiss) stellen dabei im Zeitalter der Gleichberechtigung nicht nur schönes Beiwerk dar. Sie erweisen sich als ebenbürtige Partnerinnen. Dafür wirken die Figurenzeichnungen des französischen Mafiabosses Jacomo Mornier und des deutschen Emporkömmlings Max Klemp klischeehaft, ja teilweise als Karikatur der genretypischen Figuren.

Im Unterschied zu den eingangs erwähnten Filmen setzt das Drehbuch von "Overdrive" nicht so sehr auf die Charaktere als vielmehr auf schnelle Action mit atemberaubenden Effekten: Das Setting im Milieu der Luxus-Sportwagen bietet sich geradezu dafür an. Dass dennoch Scott Eastwood und Freddie Thorp die Hauptfiguren mit Charme ausfüllen, liegt es zum einen daran, dass sie ziemlich gut einander ergänzen, zum anderen aber auch am durchgängigen, wohldosierten Humor. In der geradlinigen Handlung geht es vornehmlich darum, wer wen eigentlich hereinlegt ? einschließlich Schlusswendung, die zwar nicht an die Qualität des Klassikers "Der Clou" heranreichen, aber dennoch durchaus überraschen kann. Zwar wird die Handlung mit weiteren Figuren angereichert ? zuerst erscheint plötzlich auf der Leinwandfläche Jacomos Cousin Laurent (Abraham Belaga), dessen Rolle im Ungewissen gehalten wird, dann tauchen ebenso unerwartet zwei Interpol-Agenten auf, die offensichtlich über die kriminellen Tätigkeiten der Halbbrüder an die Gangster-Bosse zu kommen hoffen.

Im Mittelpunkt stehen aber weder die Handlung noch die Schauspieler, sondern eben die schnellen Autos und die waghalsigen Verfolgungsjagden. Als Krönung der Luxuskarossen-Schau stellt sich eine Art Autokorso mit allerlei Sportwagen wie Ferrari, Jaguar und Alfa-Romeo heraus, der die malerische Küstenstraße der französischen Riviera unter strahlender Sonne entlangbrettert. Regisseur Antonio Negret verdeutlicht seine Bewunderung für klassische Sportwagen nicht nur auf der Straße, sondern ganz besonders in den Szenen in der jeweiligen Garage der Gangster, in denen die Luxusautos mit Ehrfurcht vermittelnden Einstellungen regelrecht vorgeführt werden.

Der Zuschauer, der über solche Verbrechen empört reagiert, wenn er über ähnliche Diebstähle und Betrügereien in der Zeitung liest oder in den Nachrichten davon erfährt, lässt sich auf die Seite der "sympathischen Betrüger" schlagen. Selbstverständlich weiß er, dass es sich dabei um Unmoralisches handelt. Allerdings werden diese Figuren so charmant dargestellt, die außerdem so allzu menschliche Grundzüge verkörpern, dass er gerne darüber hinwegschaut. Zu diesem scheinbaren Widerspruch der positiv besetzten Darstellung des Unmoralischen schrieb einst Nikolaus Lobkowicz: "Es entbehrt ja nicht einer paradoxen Komik, wie ,unmoralisch? ein großer Teil der literarischen, aber auch der darstellenden Kunst ist, die wir auch als Christen lieben. Wir schätzen sie, weil sie paradigmatisch Dimensionen des ,Menschlichen? aufweisen und so daran erinnern, wie wir Menschen sind bzw. sein könnten."

Das, was für die Klassiker der Gaunerkomödie gilt, muss jedoch für "Overdrive" insofern eingeschränkt werden, als Antonio Negrets Film einen Schritt weiter geht: Im Unterschied zu den Genre-Klassikern wird hier der Tod von Widersachern einfach in Kauf genommen. Damit ist doch eine rote Linie überschritten.
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