SING IT LOUD - LUTHERS ERBEN IN TANSANIA | Sing It Loud - Luthers Erben in Tansania
Filmische Qualität:   
Regie: Julia Irene Peters
Darsteller: (Mitwirkende): Maria Evarest, Evarest Mollel, Martha Simon Mollel, Simon Nyangusi Mollel, Nuru Masunga, Kelvin Gospel Mollel, Hezron Abel Mashauri
Land, Jahr: Deutschland 2017
Laufzeit: 80 Minuten
Genre:
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 6/2017


José García
Foto: JIP Filmproduktion

In Tansania findet seit mehr als 60 Jahren ein von der evangelisch-lutherischen Kirche veranstalteter Chorwettbewerb statt. Die Filmemacherin Julia Irene Peters begleitet zusammen mit ihrer Co-Regisseurin Jutta Feit die Endphase des Wettbewerbs im Dokumentarfilm "Sing It Loud — Luthers Erbe in Tansania". Der Chorwettbewerb schreibt vor, dass zwei Stücke dargeboten werden sollen. Pflicht ist ein Luther-Coral, Kür ein Musikstück aus der eigenen Musiktradition — im dokumentierten Jahr handelt es sich um den altehrwürdigen Martin-Luther-Choral "Ein feste Burg ist unser Gott". Den am Finale teilnehmenden Chören wird der Pflichtteil mittels Zuschrift mit den dazugehörigen Noten mitgeteilt.

Weil seit den 1960er Jahren die Religionszugehörigkeit als "brisant" angesehen und deshalb nicht mehr bei Volkszählungen angegeben wird, schwanken die Schätzungen teilweise stark: In Tansania sind 35 bis 40 Prozent der Bevölkerung Muslime. Zu den christlichen Kirchen und Gemeinschaften gehören etwa 40 bis 50 Prozent der Tansanier. Die deutsche Kolonial- und Missionierungsgeschichte spiegelt sich darin wider, dass der Katholizismus in dem afrikanischen Land insbesondere von den Missionsbenediktinern von St. Ottilien geprägt ist, bei den evangelischen Christen aber die Lutheraner eine besondere Stellung besitzen.

Der Film konzentriert sich auf drei Chöre, darunter auch der Kanaani-Jugendchor aus der nordtansanischen Stadt Arusha. Aus der gut 300 000 Einwohner zählenden Stadt nahe der kenianischen Grenze stammt ebenfalls der Cantate-Chor, der vor 20 Jahren von Maria und Evarest gegründet wurde. Im Interview erzählt das Ehepaar, was Mittelschicht in Arusha bedeutet. Er leitet eine Autowerkstatt, sie unterhält einen Laden für Zubehör und Ersatzteile. "Mittelschicht bedeutet, genug zum Anziehen haben. Sich keine Gedanken darüber zu machen, ob man genug zu essen bekommt." Aber auch, das Schulgeld für die Kinder bezahlen zu können. Nicht zu vergessen die soziale Komponente: Menschen im Haushalt und in der Werkstatt Arbeit zu geben. "Wer nicht mit anderen teilt, gilt als Egoist." Aber dies geht nur durch harte Arbeit: "Es gibt keine Wunder. Keiner hilft dir."

Im Kontrast dazu leben Martha und Simon aus dem Neema-Chor auf dem Land. Sie betrieben eine kleine Farm mitten in der Savanne im Massai-Land. Um das Schulgeld ihrer Kinder bezahlen zu können, verkaufen sie etwa zwei Säcke Mais. Zu ihren eigenen drei Kindern haben sie noch zwei weitere aufgenommen, den unehelichen Sohn von Marthas Schwester sowie einen Sohn ihres Onkels, der sehr arm sei und sich deshalb um die schulische Erziehung des Jungen nicht habe kümmern können. Martha singt nicht nur im Chor mit. Als der Chorleiter krank wurde, begann sie auch Lieder in der Tradition der ostafrikanischen WaGogo-Kultur zu komponieren. Ein solches WaGogo-Lied hat sie denn auch für ihre Darbietung beim Chorwettbewerb ausgesucht, denn die meisten sängen Lieder aus der Massai-Tradition. Allerdings pflegt die Familie diese Tradition weiter. Für den Film führt die ganze Familie beispielsweise einen solchen Song in traditioneller Kleidung.

Beim Jugendchor Kanaani spielt zwar der christliche Glaube eine ebenso wichtige Rolle wie bei den Erwachsenen. Sie suchen aber auch nach modernen Ausdrucksmöglichkeiten, was den Filmemacherinnen Julia Irene Peters und Jutta Feit Gelegenheit bietet, Abwechslung zu den Chorproben in ihren Film zu bringen. "Sing It Loud — Luthers Erbe in Tansania" gibt sowohl ein offenkundig auf der Straßen Arushas aufgenommenes Musikvideo des Solosängers Nunu Masunger als auch die Aufnahme eines aufwändigen Musikvideos mit Chorteilnehmern im MTV-Stil wieder. Der Kanaani-Chor wurde von dem damals 15-jährigen Kelvin zusammen mit Nunu und anderen Freunden vor Jahren gegründet. Bei der Suche nach einer Verknüpfung der traditionellen Musik mit elektronischen Elementen spielt der Glaube eine bedeutende Rolle. So lehnen sie Disko-Besuche, Drogen und übermäßigen Alkohol-Konsum ab. Zu den Stilmitteln der Musikdokumentation gehören aber auch die choreographierten Auftritte des Chors in der wunderschönen tansanischen Landschaft.

Ebenfalls wichtig ist ihnen allen die Musik: "Musik ist alles in meinem Leben", sagt etwa Kelvin einmal. Allerdings tun sich nicht nur die Jugendlichen aus dem Kanaani-Chor mit den klassischen Kompositionen schwer. Der Chorleiter des Cantate-Chors etwa sitzt zu Hause vor einem Elektroklavier, und versucht, sie in diesen Choral einzufühlen, der sich so ganz anders als die rhythmische afrikanische Musik anfühlt. Harte Proben stehen den drei Chören bevor. Am Ende zeigt Julia Irene Peters das Ergebnis in einem Zusammenschnitt der drei Chöre.

"Sing It Loud — Luthers Erbe in Tansania" erzählt nicht nur von der Musikleidenschaft der Chormitglieder sowie von der Stellung der Religion insbesondere auch für junge Menschen in diesem afrikanischen Land. Die beobachtende Kamera von Vita Spieß bleibt einerseits nahe an den sechs Protagonisten, sie öffnet andererseits den Blick für die pulsierende Stadt Arusha und für die afrikanische Landschaft im Norden Tansanias. In den Interviews mit den Jugendlichen sowie mit den Bauern Martha und Simon und den Werkstatt-Betreibern Maria und Evarest gewinnt der Zuschauer darüber hinaus einen Einblick in die Lebensbedingungen eines Landes, in das deutsche Missionare nicht nur den Glauben, sondern auch die Chor-Tradition brachten.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren