RÜCKKEHR NACH MONTAUK | Return to Montauk
Filmische Qualität:   
Regie: Volker Schlöndorff
Darsteller: Stellan Skarsgård, Nina Hoss, Susanne Wolff, Isi Laborde, Bronagh Gallagher, Niels Arestrup
Land, Jahr: Deutschland 2017
Laufzeit: 105 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 5/2017
Auf DVD: 10/2017


José García
Foto: Wild Bunch

Der Schweizer Schriftsteller Max Frisch (1911?1991) wurde mit Theaterstücken ("Andorra", "Biedermann und die Brandstifter") und Romanen wie "Homo faber" oder "Stiller" weltbekannt. In der Erzählung "Montauk" (1975) berichtete der Autor nicht nur von einer Affäre im gleichnamigen Ort auf Long Island mit einer viel jüngeren Amerikanerin, sondern auch von weiteren Liebesbeziehungen. Das Bloßlegen solch privater Details führte zu einer Auseinandersetzung mit Frischs zweiter Frau Marianne Oellers und schließlich zur Ehescheidung. Montauk sei zu autobiographisch, um die Erzählung zu verfilmen, sagt dazu Regisseur Volker Schlöndorff. Mit dem Spielfilm "Rückkehr nach Montauk", der im diesjährigen Berlinale-Wettbewerb uraufgeführt wurde und nun im regulären Kinoprogramm startet, strebe er keine Filmadaption von Frischs "Montauk" an. Er möchte vielmehr "eine ähnliche Geschichte heute erzählen: Ein Schriftsteller kommt mit seiner Partnerin nach langer Zeit zurück nach New York und trifft dort auf eine Frau aus seiner Vergangenheit."

Die erste Szene sorgt bereits für eine gewisse Irritation: Der Autor Max Zorn (Stellan Skarsgaard) spricht in Großaufnahme frontal in die Kamera einen langen Monolog, bei dem es um das schwierige Verhältnis zu seinem Vater geht. Als die Kamera etwas zurückfährt, sieht der Zuschauer, wie der Autor ein Buch zuklappt. Bei dem angeblichen Monolog handelt es sich um eine Autorenlesung aus seinem aktuellen Buch "Jäger und Gejagte". Damit führen Volker Schlöndorff und sein Mit-Drehbuchautor Colm Tóibín freilich das zwiespältige Verhältnis zwischen einem Autor und seinem Alter Ego ein, der in einem autobiografisch geprägten Roman in der ersten Person erzählt. Obwohl dies bei Max Frischs "Montauk" eine entscheidende Rolle spielt, bleibt dieser überaus interessante Aspekt in Schlöndorffs "Rückkehr nach Montauk" auf diese eine Szene reduziert. Denn nach dieser Einführung entwickelt der Film ohne diese Reflexionsebene konventionell seine Handlung.

Noch etwas irritiert an dem Film ? wenigstens in der Originalfassung: Volker Schlöndorff drehte den Film auf Englisch. Dies mag zwar damit zusammenhängen, dass er das Drehbuch zusammen mit dem irischen Schriftsteller Colm Tóibín verfasste, dessen Roman "Brooklyn" wiederum dem oscarprämierten Auswanderer-Spielfilm "Brooklyn - Eine Liebe zwischen zwei Welten" als Vorlage diente. Oder damit, dass die Hauptrolle mit dem schwedischen Schauspieler Stellan Skarsgaard besetzt werden sollte. Dennoch: In einem Film, der von einer deutschsprachigen Erzählung eines deutschsprachigen Autors inspiriert wurde, wirkt dies befremdlich. Deshalb heißt der in Berlin lebende, sich nun in New York wegen der Buchpremiere befindende Autor in "Rückkehr nach Montauk" zwar Max, aber er stammt aus einem nicht näher bestimmten skandinavischen Land.

In New York wird Max Zorn von der Verlagsmitarbeiterin Lindsay (Isi Laborde-Edozien), aber auch von seiner um Einiges jüngeren Freundin Clara (Susanne Wolff) begleitet, die in New York an der Herausgabe und der Vermarktung des Buches arbeitet. Max Zorns Buch "Jäger und Gejagte" handelt auch von einer gescheiterten Beziehung: Einst lebten Max und Rebecca (Nina Hoss) in Berlin glücklich. Aber in New York, wohin die Ostdeutsche aus beruflichen Gründen zog, lebten sich die beiden vor nunmehr zwei Jahrzehnten auseinander. Als Max bei einer Veranstaltung seinem früheren Mentor, dem Kunstsammler Walter (Niels Arestrup), zufällig begegnet, erhält er von ihm die Adresse von Rebeccas Arbeitsstelle, einer schicken Rechtsanwaltssozietät. Offenbar hat sie es geschafft. Später vervollständigt den Eindruck ihr durchgestyltes Appartement. Überrascht vom Besuch ihrer einstigen großen Liebe, reagiert Rebecca zunächst zurückhaltend. Später lädt sie Max aber zu einem Ausflug nach Montauk an der Spitze von Long Island ein, wo sie sich ein zum Verkauf stehendes Strandhaus ansehen möchte. Dort erlebten sie damals eine glückliche Zeit zusammen.

Dazu führt Volker Schlöndorff aus: "Montauk heißt in der Sprache der Indianer das Ende vom Land. Das ist diese Halbinsel vor der Küste Amerikas, die am weitesten in den Atlantik hineinreicht, und an ihrer Spitze steht der Leuchtturm. So etwas findet sich ja auch in Portugal oder in der Bretagne. Das sind immer besondere Orte, wo man das Gefühl hat: Hier hört das Land auf, von hier aus kann man eigentlich nur zurückblicken. Den Mythos Montauk hat übrigens erst Max Frisch geschaffen. Ein Ort, wo man losgelöst ist von allem ? nur der hohe Himmel und der endlose Strand ? und überwältigt wird von Erinnerungen. Auf einmal tauchen am Strand die Geister auf, aus dem eigenen Unterbewusstsein. Jeder, ob Mann oder Frau, scheint sich im Rückblick die Frage zu stellen, ob er mit dem richtigen Partner zusammen ist oder ob es in der Vergangenheit nicht doch eine andere wahre Liebe gab. Das ist die universelle Frage hinter dieser Geschichte ? auf die es allerdings keine Antwort gibt."

Kameramann Jérôme Almeras liefert keine Postkartenbilder von Montauk, sondern eher Aufnahmen einer in ihrer Rauheit betörenden Landschaft. Ein Eindruck, den die melancholische Musik von Max Richter unterstreicht. Trotz der großartigen Schauspieler bleiben die Figuren jedoch distanziert-kühl. Im Gegensatz etwa zu Maria Schraders "Vor der Morgenröte - Stefan Zweig in Amerika" nehmen sich die Charaktere und die großen Gefühle, die im Heraufschwören ihrer vergangenen Liebe und im Erinnern an tragische Ereignisse aufleben sollten, gekünstelt aus.
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