HAPPY BURNOUT | Happy Burnout
Filmische Qualität:   
Regie: André Erkau
Darsteller: Wotan Wilke Möhring, Kostja Ullmann, Torben Liebrecht, Michael Wittenborn, Julia Koschitz, Anke Engelke, Victoria Trauttmansdorff, Marleen Lohse
Land, Jahr: Deutschland 2017
Laufzeit: 90 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 5/2017
Auf DVD: 10/2017


José García
Foto: Warner Bros.

Alt-Hippie war gestern. Heute gibt es den "Alt-Punk". Zum Beispiel Stefan Poschka, genannt "Fussel" (Wotan Wilke Möhring). Äußerlich mag er sich durch die Frisur und den fehlenden Bart von einem ehemaligen Hippie unterscheiden. In der Einstellung als Lebenskünstler und Systemverweigerer ist "Fussel" jedoch die Fortsetzung des Alt-Hippies mit anderen Mitteln. Seine Überlebensstrategie: Mit dem denkbar geringsten Widerstand in den Tag hineinzuleben. Wie der Sozialschmarotzer im Hamburger Schanzenviertel über die Runden kommt, zeigt der Spielfilm "Happy Burnout" von Gernot Gricksch (Drehbuch) und André Erkau (Regie) an einem Beispiel: "Fussel" lässt sich eine Belohnung von der Hundebesitzerin aushändigen, der er ihren Hund zurückgebracht hat. Nur: Den Hund hatte er selbst gerade erst losgelassen. Vor allem die Sozialarbeiterin Frau Linde (Victoria Trauttmansdorff) hat offensichtlich einen Narren an dem Nichtsnutz gefressen: Seit Jahren sorgt die Sachbearbeiterin im Arbeitsamt dafür, dass Herr Poschka als Langzeitarbeitsloser Hartz IV bezieht, ohne sich jemals um irgendeinen Job bemüht zu haben.

Als jedoch im Arbeitsamt eine interne Prüfung ansteht, bekommt Frau Linde Angst, der ganze Schwindel um "Fussel" könnte auffliegen. Deshalb besorgt sie ihm ein Arbeitsunfähigkeitsattest. Die Diagnose ? ausgerechnet Burnout! ? schließt eine stationäre Therapie in einer Klinik ein. So macht sich Fussel mit seinen Plastiktaschen auf den Weg zum gediegenen Sanatorium, wo er die nächsten sechs Wochen verbringen soll. Von Anfang an wirkt der Alt-Punk wie ein Fremdkörper inmitten der "Ausgebrannten", wobei dies für Fussels Zimmergenossen Günther (Michael Wittenborn) wörtlich zutrifft: Der etwa 60-jährige, ehemals erfolgreiche Besitzer mehrerer Sonnenstudios sitzt nun apathisch da mit grotesk verbranntem Gesicht. Die weiteren Mitpatienten, die Fussel bald kennenlernt, haben auch ähnliche Schicksale erlitten: Der 30-jährige Datty (Kostja Ullmann) arbeitete als Kinderentertainer, bis er mitten in einer Aufführung einen Nervenzusammenbruch bekam. Im Sanatorium trägt er stets eine Handpuppe mit sich. Die Hausfrau und Mutter Merle (Julia Koschitz) war von ihrem Alltag so überfordert, dass sie eingewiesen werden musste. Der Workaholic Anatol (Torben Liebrecht) versucht, auch von der Klinik aus seinen Immobiliengeschäften nachzugehen, wodurch er alle anderen nervt.

Fussel ist von Anfang an klar, dass er so schnell wie möglich aus dem Sanatorium verschwinden muss. Aber sowohl bei der Psychologin Alexandra (Anke Engelke) als erst recht bei der Klinikleiterin Professor Gunst (Ulrike Krumbiegel) beißt er auf Granit. Professor Gunst durchschaut Fussel sofort. Sie stellt aber auch dessen positiven Einfluss auf die Patienten fest. Deshalb stellt sie ihn vor die Alternative: Entweder erklärt er sich bereit, das Klinikteam als "Undercover-Therapeut" zu unterstützen, oder sie lässt ihn auffliegen, womit Fussels gesicherte Existenz vorbei wäre. Bereits in "Das Leben ist nichts für Feiglinge", in dem ebenfalls Wotan Wilke Möhring die Hauptrolle spielte und Ngo The Chau für die Bildgestaltung verantwortlich zeichnete, hatten Gernot Gricksch und André Erkau einen leichten Erzählton für ein durchaus schweres Thema gefunden. In "Happy Burnout" ist zwar der Ton um einiges komödiantischer. Zwar scheinen einige Wendungen in "Happy Burnout" an den Haaren herbeigezogen zu sein. Den Filmemachern gelingt es jedoch erneut, die Komödie mit ein paar ernsten Untertönen zu verknüpfen, die das ernsthafte Sujet der psychischen Erkrankungen nicht banalisieren helfen. "Wichtig ist bei einem Stoff wie dem unseren", so Produzent Michael Eckelt, "das feine Gleichgewicht zwischen Komik und Tragik: Man muss die Figuren und ihre Probleme ernstnehmen, gleichzeitig ist es aber auch wichtig, die Leichtigkeit des Erzählens nicht zu verlieren. Eine Satire über Burnout darf nicht heißen, dass man sich über die Menschen, die am Burnout-Syndrom leiden, lustig macht."

Leider erweisen sich die vom Drehbuch vorgesehenen, ernsten Probleme Fussels als eher klischeehaft: Er hat eine bei der Oma lebende Tochter, die er vernachlässigt, weil er ihren Geburtstag vergessen oder aber immer wieder die Treffen mit ihr verpasst hat. Erst die Frage der Psychologin Alexandra, was er aus seinem Leben machen möchte, wenn er endlich erwachsen sei, bringt den Alt-Punk zum Nachdenken über sein Leben im Allgemeinen und über seine Beziehung zu seiner Tochter im Besonderen. Dadurch wirkt die Therapie im Sanatorium doch noch, wenn auch anders als zunächst gedacht. Die anderen Charaktere bleiben jedoch eher blass, weil ihnen schablonenhafte Biografien beigegeben werden (der Workaholic, die überanstrengte Mutter) oder wenig Platz zur Entfaltung eingeräumt wird ? siehe den lebensmüden, ehemaligen Geschäftsmann Günther oder den cholerischen jungen Ex-Clown Datty.

Die guten Schauspieler, allen voran Wotan Wilke Möhring, aber auch insbesondere Michael Wittenborn und Julia Koschitz machen die schnell ins Holzschnittartige kippende, von Holzglanzbildern geprägte Erzählung teilweise wieder wett. Denn sie verhindern, dass der Film ins Klamaukige abdriftet. Obwohl dem Filmteam in seinem neuen Spielfilm das Gleichgewicht zwischen Leichtigkeit und Schwere nicht in gleichem Maße gelingt, das in "Das Leben ist nichts für Feiglinge" wunderbar funktionierte, bietet "Burnout" dennoch einige Ansätze, einem Problem unserer Zeit mit komödiantischem Ton zu begegnen.
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