BURG SCHRECKENSTEIN | Burg Schreckenstein
Filmische Qualität:   
Regie: Ralf Huettner
Darsteller: Henning Baum, Sophie Rois, Jana Pallaske, Alexander Beyer, Harald Schmidt, Maurizio Magno, Nina Goceva
Land, Jahr: Deutschland, Südtirol 2016
Laufzeit: 96 Minuten
Genre:
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2016


José García
Foto: Concorde

In den Jahren 1959-1988 veröffentlichte Oliver Hassencamp (1921-1988) die 27-bändige Jugendbuchreihe "Burg Schreckenstein". Nach dem Hörspiel aus den 1970er und 1980er Jahren und der Vertonung der ersten sechs Bände als Hörbuch-Lesung zwischen 2002 und 2005 folgt die erste Realverfilmung, die nun im regulären Kinoprogramm startet. Für das Drehbuch zeichnet Christian Limmer verantwortlich, der Krimis in Romanform veröffentlicht und Drehbücher für die Fernsehkrimireihen "Polizeiruf 110", "Tatort" und "Unter Verdacht" verfasst. Auf dem Regiestuhl nimmt Ralf Huettner Platz, der nach Filmkomödien Anfang der 1990er Jahren insbesondere mit der Tragikomödie "Vincent will Meer" bekannt wurde, die den Publikumspreis des Bayerischen Filmpreises und den Preis "Metropolis" des Bundesverbands Regie gewann.

Für die Einführung in "Burg Schreckenstein" bedienen sich Drehbuchautor und Regisseur eines einfachen dramaturgischen Kniffs: Ein Neuer kommt in eine bereits bestehende Gemeinschaft, hier das Jungeninternat, sodass der Zuschauer den Ort und die Gruppe durch seine Augen kennenlernt. Bei diesem Neuen handelt es sich um den elfjährigen Stephan (Maurizio Magno), der wieder einmal von der Schule geflogen ist. Da seine alleinerziehende Mutter Melanie (Jana Pallaske) als Stewardess ständig unterwegs ist und er zu seinem Vater auf keinen Fall ziehen will, steht die Entscheidung fest: Stephan soll in ein Internat, das von einem alten Schulfreund seiner Mutter geleitet wird.

Beim Namen "Internat" zuckt zwar Stephan zusammen. Die Angst stellt sich aber sofort als unbegründet heraus. Denn Schulleiter Rex (Henning Baum) scheint ein verständnisvoller, ja freundlicher Pädagoge zu sein. Andere Erwachsene wie Jean (Alexander Beyer), eine Art Faktotum und Diener des Grafen von Schreckenstein, sowie der Graf selbst (Harald Schmidt), wirken zwar ziemlich kauzig, aber ebenso gutmütig. Unter den Vorfahren des Grafen sind auch berühmte Luftfahrtpioniere - und diese Tradition möchte der Graf auf jeden Fall weiterführen. Deshalb schwebt über der Burg ein riesiger Heißluftballon. Nach anfänglicher Skepsis beschließen Stephans Mitschüler Ottokar (Benedict Glöckle), Dampfwalze (Chieloka Nwokolo), Mücke (Caspar Krzysch) und Strehlau (Eloi Christ), den Neuen einer Mutprobe zu unterziehen, um ihn in ihren Geheimbund aufzunehmen. Stephan ist dadurch ein echter Schreckensteiner.

"Natürliche" Zielscheibe für die Streiche der Schreckensteiner sind die Mädchen aus dem Internat Rosenfels, das im gleichnamigen Schloss auf der anderen Seite des Sees untergebracht und insbesondere auch deren gestrenge Direktorin Frau Dr. Horn (Sophie Rois). Die auf Leistung getrimmten Mädels schauen auf die undisziplinierten Jungs von oben herab. Schon der erste Streich erweist sich als Volltreffer: Die Schreckensteiner schleichen sich nachts ins Klassenzimmer der Mädchen und lassen eine Schar lebender Hühner frei, die den Ort verwüsten. Am nächsten Morgen verlangt Dr. Horn von Direktor Rex, dass die Schuldigen gefunden werden. Dies ist jedoch erst der Beginn einer Reihe Streiche, bei denen etwa auch eine Drohne zum Einsatz kommt. Durch eine Verkettung verschiedener Umstände kommt es dazu, dass ausgerechnet zum alljährlichen Burgfest die Jungs und die Mädchen ein paar Tage gemeinsam unter einem Dach leben müssen.

Die Filmemacher haben den Stoff aus der Jugendbuchreihe behutsam modernisiert ? siehe selbstgebastelte Drohne. Dennoch spielen elektronische Geräte kaum eine Rolle, weil auf Burg Schreckenstein Handys verboten sind. Die Modernisierung geschieht eher beispielsweise auf der Tonspur. So wird das Lebensgefühl der Schulfreunde durch den HipHop-Song "Wir sind nicht auf dieser Welt, um so zu sein, wie es anderen gefällt" von Peter Plate - dem Songwriter der ehemaligen Band "Rosenstolz" - und Ulf Leo Sommer ausgedrückt. Die eingängige Musik ist bereits zu Beginn des Filmes als dessen Titelsong zu hören.

Der Film lebt vor allem vom Kontrast der pädagogischen Entwürfe auf Schreckenstein und Rosenfels. Möchte der Direktor des Jungeninternats seine Jungs mit unkonventioneller Pädagogik zu selbstständigen Persönlichkeiten erziehen, so wird das Mädcheninternat durch eine strenge Direktorin geführt. Etwas irritierend nimmt es sich allerdings aus, dass Henning Baum den Schulleiter zurückgenommen spielt, Sophie Rois aus der herrischen Rosenfels-Direktorin jedoch fast eine Karikatur macht. Ähnlich lässt es sich von anderen erwachsenen Schauspielern sagen: Im Gegensatz zu Alexander Beyer überspannt Harald Schmidt die Exzentrizität des Grafen. Die Kinderdarsteller hingegen überzeugen durch ein natürliches Spiel, wodurch sich "Burg Schreckenstein" von anderen deutschen Kinderfilmreihen wohltuend abhebt. Die Inszenierung wirkt allerdings hin und wieder etwas bieder ? dass die Vorlage aus einer anderen Zeit stammt, wird schon an einigen Stellen deutlich. Für Abwechslung sorgen freilich einige Traumsequenzen, in denen neue Streiche visualisiert werden.

Trotz einiger Schwächen gelingt Ralf Huettner eine witzige und insgesamt flotte Verfilmung, die vor allem Solidarität oder Teamgeist in den Mittelpunkt stellt. Ein weiterer Pluspunkt von Huettners "Burg Schreckenstein" liegt in dem großen Wert, der im Internat auf Freundschaft und Ehrlichkeit gelegt wird. Dass sich beispielweise die Verantwortlichen für den "Hühner-Streich" freiwillig melden, ist für sie einfach Ehrensache. Darin stimmen sie mit dem alten ritterlichen Geist des imposanten Anwesens überein.
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