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José Garcia Foto: ARD/Degeto Darf ein ziviles Flugzeug, das von einem Terroristen entführt und dadurch zur Waffe umfunktioniert wird, dass es auf eine Menschenmasse zum Absturz gebracht wird, von einem Militärflugzeug abgeschossen werden? Im Jahre 2006 erklärte das Bundesverfassungsgericht ein neues Luftsicherungsgesetz, das dies erlaubte, für verfassungswidrig. Leben gegen Leben aufzuwiegen, sei - so die Argumentation des höchsten Gerichts - mit Artikel 1 GG ("Die Menschenwürde ist unantastbar") nicht vereinbar. Daraufhin sagte der damalige Bundesverteidigungsminister Franz-Josef Jung, er halte das Urteil für falsch und würde ein solches von Terroristen zur Waffe umfunktioniertes ziviles Flugzeug aufgrund eines "auÃergerichtlichen Notstandes" dennoch abschieÃen lassen. Eben diese Frage steht im Mittelpunkt des Fernsehspielfilmes "Terror - Ihr Urteil" von Lars Kraume. Das Szenario: Vor dem Berliner Schwurgericht steht zur Verhandlung der Abschuss eines Passagierflugzeugs durch den Luftwaffen-Major Lars Koch (Florian David Fitz). Bei der Verhandlung wird über den Hergang berichtet: Am 26. Mai um 20:53 Uhr geht im nationalen Lagezentrum für Sicherheit im Luftraum die Meldung der Entführung eines Passagierflugzeugs auf dem Weg von Berlin nach München ein. Der Entführer droht, die Maschine auf die mit 70 000 Zuschauern vollbesetzte Allianz-Arena stürzen zu lassen, wo ein FuÃballspiel gerade stattfindet. Sofort startet eine sogenannte Alarmrotte mit zwei Kampfjets, die das entführte Flugzeug abzudrängen und zur Landung zu zwingen versucht. Nachdem dies misslingt und auch der Warnschuss keine Wirkung zeitigt, ersucht Pilot Lars Koch den als Zeugen auftretenden Vorgesetzten, den Offizier Lauterbach (Rainer Bock), um den Abschussbefehl. Lauterbach bespricht sich mit der Verteidigungsministerin, die sich auf die erwähnte Entscheidung des Bundesverfassungsgerichts beruft. Auch auf Kochs Nachfrage wird der Befehl nicht erteilt. Der Pilot entschlieÃt sich jedoch eigenmächtig, die Maschine abzuschieÃen. Alle Passagiere, darunter auch Kinder, sterben. Im Prozess geht es demnach um die Frage: Darf man 164 unschuldige Menschen töten, um 70 000 zu retten? Die Anklage der Staatsanwältin (Martina Gedeck) lautet auf Mord an 164 Menschen. Lars Koch habe sich zum Herrn über Leben und Tod gemacht. Ein Leben kann niemals gegen ein anderes aufgewogen werden. Dagegen plädiert der Verteidiger (Lars Eidinger) auf Freispruch. Sein Argument: Koch habe das kleinere Ãbel gewählt. Der Anwalt sieht in seinem Mandanten keinen Mörder, sondern einen Helden, der 70.000 Menschen vor einem Terroranschlag gerettet und in einer ausweglosen Situation die Verantwortung übernommen hat. Als Nebenklägerin tritt in besonders emotionaler Weise die Frau (Jördis Triebel) eines der Opfer auf. Allerdings fehlt in der Verhandlung der Hinweis, dass weitaus viel mehr Nebenkläger hätten auftreten können, hätte Bundeswehrpilot Lars Koch dem Befehl Folge geleistet. "Terror - Ihr Urteil" geht auf ein Theaterstück des renommierten Strafverteidigers Ferdinand von Schirach zurück, der mehrere Kurzgeschichtensammlungen mit leicht verfremdeten authentischen Fällen aus seiner Rechtsanwaltspraxis veröffentlicht hat, die bereits verfilmt wurden - so "Verbrechen". Dennoch ist der Fernsehfilm nicht einfach gefilmtes Theater. Auch wenn die Zuschauer im Prozess des Schwurgerichts wie Theaterzuschauer angeordnet sind, vor denen sich die Verhandlung wie auf einer Bühne abspielt, werden echte filmische Mittel - Kamerabewegungen, die etwa Perspektivwechsel und Nahaufnahmen der Gesichter ermöglichen, oder auch der Schnitt - eingesetzt. Das Besondere am Fernsehfilm: Der Vorsitzende Richter (Burghart KlauÃner) wendet sich nach seinem Schlusswort direkt an das Fernsehpublikum und erklärt, dass die Zuschauer die "Schöffen" in diesem Verfahren sind. Sie sollen ihre Stimme abgeben. Nachdem "Terror - Ihr Urteil"am 17.10.2016 im Ersten ausgestrahlt wurde, entschieden 86,9 Prozent der TV-Zuschauer, dass der Bundeswehrsoldat unschuldig sei. Nur 13,1 Prozent votierten für "schuldig". |
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