ZWERG NASE | Karlik Nos
Filmische Qualität:   
Regie: Ilya Maximov
Darsteller: -
Land, Jahr: Russland 2003
Laufzeit: 82 Minuten
Genre: Animation
Publikum: ohne Altersbeschränkung
Einschränkungen: --


JOSÉ GARCÍA
Foto: Warner Bros.

Der Zeichentrickfilm gehört zu den zurzeit lebendigsten Filmgattungen. Dazu haben nicht nur der weltweite Siegeszug etwa von „Findet Nemo“ (siehe Filmarchiv), sondern auch die vielfachen Möglichkeiten beigetragen, die von dreidimensionaler, im Computer erzeugter Animation ausgehen. Verlegt Disney für seine aktuelle Zeichentrickproduktion „Bärenbrüder“ – die in Deutschland am 18. März anlaufen wird – die Handlung in eine mythische Zeit vor unserer Zeit, so greifen europäische Zeichentrickproduzenten bevorzugt auf literarische Vorlagen zurück: letztes Jahr stand etwa für den deutschen Zeichentrickfilm „Till Eulenspiegel“ (siehe Filmarchiv) der im Erich Kästners Jugendbuchklassiker wieder entdeckte mittelalterliche Schelm Pate. Nun adaptiert der russische Animationsstudio „Melnitsa“ für den ersten Zeichentrickfilm aus Russland, der nach vierzig Jahren ins internationale Kino kommt, den Märchenklassiker „Zwerg Nase“ von Wilhelm Hauff.

Gegenüber dem Episodenhaften in „Till Eulenspiegel“, in dem die Rahmenhandlung unterzugehen drohte, zeichnet sich „Zwerg Nase“ durch die Verdichtung der Handlung aus, welche die verschiedenen Abenteuer im Hauffs Märchen in eine einheitliche Geschichte verwandelt: in die Geschichte der heimtückischen Hexe, die mit Hilfe des gutmütigen Schusterjungen Jakob das Königreich beherrschen will. Als ihr Jakob seine Hilfe versagt, wird er in einen hässlichen Zwerg mit einer Riesennase verhext. Nicht einmal seine eigene Mutter erkennt ihn, zumal in der Zwischenzeit sieben Jahre ins Land gegangen sind. Auf der Flucht rettet Jakob eine Gans vor dem Tod, die ebenfalls verhext wurde. In Wirklichkeit ist sie Prinzessin Greta, die schöne Königstochter. Zusammen entwerfen Greta und Jakob einen Plan, um den Zauber rückgängig zu machen.

In Zeiten fortschreitender dreidimensionaler Animation muten ausschließlich gezeichnete, zweidimensionale Zeichentrickfilme geradezu anachronistisch an. Zur Adaption eines klassischen Stoffes passt jedoch dieser Stil durchaus. Technisch deutlich weniger aufwändig als amerikanische Animationsfilme, dominieren in den Hintergründen zunächst Aquarellzeichnungen. Viele Nebenfiguren sind mit viel Liebe zum Detail gezeichnet und auch Nebenhandlungen erweisen sich als dem Vorantreiben der Handlung förderlich. So beispielsweise der Bau der Kathedrale, der in seinen Anfängen steckt, als sich Jakob mit der als alte Frau verkleideten Hexe zu deren Schloss aufmacht, und nun als fertiggestellt erscheint, als er verhext wieder zur Stadt zurückkehrt. Ebenso wenig werden die Kamerafahrten durch eine mit Nebenhandlungen durch und durch gespickte Szenerie als Zweck in sich eingesetzt.

Als großes Manko von „Zwerg Nase“ erweist sich allerdings die schmalzige und teilweise zu laute Musik, die immer wieder erklingt. Auf dem Weg der Adaption für den Zeichentrickfilm ging darüber hinaus die Religiosität der Figuren verloren, die im Hauffs Märchen durchaus präsent ist: Jakob betet an mehreren Stellen; als der Zauber verschwunden ist ruft die Prinzessin aus: „Gott sei gedankt, es ist nichts mehr an dir von allem, was du vorher warst!“. Im fertigen Zeichentrickfilm fehlen solche Bezüge; man vermisst den Ansatz einer Öffnung zur Transzendenz. Schade, dies hätte den fantasievoll gezeichneten, sympathischen Figuren noch mehr Tiefe verliehen.
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