WIENER DOG | Wiener Dog
Filmische Qualität:   
Regie: Todd Solondz
Darsteller: Greta Gerwig, Danny DeVito, Ellen Burstyn, Keaton Nigel Cooke, Julie Delpy, Kieran Culkin, Zosia Mamet
Land, Jahr: USA 2015
Laufzeit: 90 Minuten
Genre:
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 8/2016
Auf DVD: 12/2016


José García
Foto: Prokino

"Wiener Dog" nennt die junge, naive Tierarzt-Assistentin Dawn Wiener (Greta Gerwig) die Hündin, die sie gerade aus der Tierarzt-Praxis entführt hat, um sie vor dem Einschläfern zu bewahren. Wobei "Wiener Dog" zwar womöglich eine Anspielung auf ihren Familiennamen, aber eigentlich kein Eigenname ist. Denn so lautet die volkstümliche Bezeichnung für den gewöhnlichen Dackel in den Vereinigten Staaten ? wegen dessen an die Wiener Wurst erinnernder Form. "Wiener Dog" heißt ebenfalls der neue Film von Drehbuchautor und Regisseur Todd Solondz, der im Januar auf dem Sundance Film Festival seine Premiere feierte und nun im regulären Kinoprogramm anläuft. "Wiener Dog" verbindet vier voneinander unabhängige Episoden miteinander. Die treuherzige Hündin fungiert in "Wiener Dog" als die Klammer, die diese vier Geschichten miteinander verknüpft. Dabei wird nicht immer aus der Handlung ersichtlich, wie die Wiener Dog-Hündin den Besitzer wechselt.

In der ersten Episode begegnet die Hündin als Geschenk für Remi (Keaton Nigel Cooke), einem etwa zehnjährigen Jungen, der gerade von einer Leukämie-Erkrankung geheilt wurde. Dessen Eltern Danny (Tracy Letts) und Dina (Julie Delpy) sind immer noch gezeichnet vom Kampf ihres Sohns mit seiner Krebserkrankung. Die sich bald entwickelnde, wunderbare Freundschaft zwischen dem Jungen und dem Dackel endet jedoch jäh. Denn die Eltern sind bald entnervt, insbesondere nachdem ein Müsli-Riegel bei der Hündin zu Durchfall und den damit verbundenen Hinterlassenschaften führt. Trotz der inzwischen entstandenen Anhänglichkeit ihres Sohnes an die Hündin wollen seine Eltern unbedingt den Vierbeiner einschläfern lassen.

Da tritt wie bereits beschrieben Dawn Wiener in Action. Nachdem sie Wiener Dog gerettet hat, ist sie allerdings auch ihren Job los. Da trifft es sich gut, dass sie zufällig ihrem ersten Freund Brandon McCarthy (Kieran Culkin) begegnet, der mittlerweile drogenabhängig geworden ist. Mit Brandon begibt sich Dawn auf eine Reise nach Ohio, wo sie die Hündin einem Pärchen mit Down-Syndrom überlassen.

In der dritten Episode befindet sich Wiener Dog im Besitz des abgehalfterten Drehbuchautors und -dozents mit dem bezeichnenden Namen Dr. Schmerz (Danny DeVito). Berufliche und private Enttäuschungen haben Schmerz an den Rand des für ihn Erträglichen getrieben. Nach einer verzweifelten Tat landet Schmerz im Gefängnis und Wiener Dog bei Nana (Ellen Burstyn), einer alten, ebenfalls enttäuschten Schauspielerin. Sie lebt zurückgezogen. Unvermittelt bekommt Nana Besuch von ihrer Enkelin Zoe (Zosia Mamet), die allerdings nur wegen Geldnot zu ihr gekommen ist. Als sie wieder alleine ist, überlässt sich Nana Tagträumen: Was wäre, wenn sie in ihrem Leben andere Entscheidungen getroffen hätte? Sie bemerkt dabei nicht, dass Wiener Dog Reißaus nimmt.

Der rote Faden, der sich durch die vier selbstständigen Episoden zieht, könnte fast in einem Wort zusammengefasst werden: Enttäuschung. In der dritten und vierten Episode begegnen dem Zuschauer die vom Leben enttäuschten Schmerz und Nana. Aber auch der kleine Remi muss lernen, mit der Enttäuschung einer Trennung zurechtzukommen. Und die junge Dawn wird ebenfalls wieder von ihrem Freund enttäuscht. Je älter die Figuren vom ersten bis zum vierten Kapitel werden, desto stärker werden sie ihrer Illusionen beraubt. Andererseits wird dieser Zynismus von der Gegenwart Wiener Dogs abgefedert. Dazu führt Drehbuchautor und Regisseur Solondz aus: Sein Film sei ?die Chronik des Lebens einer Hündin und erzählt, wie diese besondere Hündin Trost und Freude in das Leben all der Menschen bringt, die ihr begegnen. Sie gibt ihrem Leben eine Bedeutung.? In der Auseinandersetzung mit der jeweiligen harten Realität des Lebens liegt nicht nur Leid und Entmutigung.

Todd Solondz schaut sicherlich in menschliche Abgründe und besonders auf eine desillusionierte US-amerikanische Gesellschaft. Besonders deutlich wird die Desillusionierung in einer Art Zwischenspiel innerhalb der zweiten Episode, als Dawn und Brandon in ihr Auto drei mexikanische Einwanderer im Mariachi-Anzug aufnehmen. Die Mexikaner, die sich offensichtlich ein besseres Leben im gelobten Land erhofft hatten, wirken nun vollkommen freudlos. Ihr Fazit: "Die Vereinigten Staaten sind wie ein trauriger Elefant, der langsam in einem See aus Verzweiflung ertrinkt."

Die nüchternen Bilder von Kameramann Ed Lachman tragen ebenfalls zu einem Gefühl der verpassten Chancen, des vergeudeten Lebens bei. Dennoch: Diese vier Episoden kreisen auch immer wieder um die Fragen über Leben und Tod sowie über den Sinn des Lebens. Ein kleiner Dialog zwischen dem kleinen Remi und seiner Mutter Dina könnte auch einen Zugang zur Sinnlosigkeit mancher Figuren in "Wiener Dog" liefern. Denn als die Mutter dem Jungen eröffnet: "Wir glauben nicht an Gott", antwortet Remi mit einer Gegenfrage: "An was glauben wir dann?" Dinas Antwort zeugt vom letztlich kaum tragbaren Versuch, mit rein menschlichen Werten der Existenz einen Sinn zu verleihen. Dennoch sind es nicht nur die vielen humorvollen Momente, die einem gewissen Zynismus in "Wiener Dog" eine tiefe Menschlichkeit entgegenstellen. Todd Solondz Sicht auf die ?conditio humana? erweist sich warmherziger als auf den ersten Blick ersichtlich.
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