FREUNDE FÜRS LEBEN | Truman
Filmische Qualität:   
Regie: Cesc Gay
Darsteller: Ricardo Darín, Javier Cámara, Dolores Fonzi, Eduard Fernández, Alex Brendemühl, Pedro Casablanc
Land, Jahr: Spanien 2015
Laufzeit: 108 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 2/2016


José García
Foto: Ascot Elite

Eine verschneite Landschaft. Ein Mann verabschiedet sich von seiner Familie im Morgengrauen. Tomás (Javier Cámara), der als Informatiker mit Frau und Kindern in Kanada lebt, kehrt für ein paar Tage nach Madrid zurück. In der spanischen Hauptstadt trifft er offenbar erst nach Jahren auf seinen alten Freund Julián (Ricardo Darín) wieder. Sehr bald stellt es sich heraus, dass Julián einen offensichtlich schon lange anschwellenden Kampf gegen den Krebs verloren hat. Tomás versteht auch schnell, dass er seinen Freund wohl kaum wird umstimmen können, doch noch weitere therapeutische Maßnahmen zu ergreifen, die nur noch eine kurze Lebensverlängerung mit sich bringen würden. Tomás begreift, dass es in den paar Tagen seines Besuchs nur darum gehen kann, dass Julián einige Freuden erlebt und vor allem, dass er für seinen treuen Hund Truman ein neues Zuhause findet, was sich allerdings als nicht so einfach herausstellt wie zunächst gedacht.

Die Suche nach „Adoptionseltern“ für Truman wird so sehr zu einem „Running Gag“, dass der Film von Cesc Gay im Original „Truman“ heißt. Auch wenn das lange Wochenende für Julián und Tomás zu einem Abschied für immer wird, schlägt „Freunde fürs Leben“ eher humoristische als trübselige Töne an. Viele Worte brauchen Julián und Tomás nicht zu machen, um sich zu verstehen. Obwohl sie sich lange Zeit nicht mehr gesehen hatten, stellt sich sofort eine alte Vertrautheit ein. Dabei sind die beiden Freunde ziemlich gegensätzlich: Familienvater Tomás hat offenbar Erfolg, auch finanziell, in seinem Beruf. Julián lebt getrennt von seiner Frau. Sein Sohn studiert in Amsterdam. Obwohl er in letzter Zeit keinen so engen Kontakt zu ihm hielt, möchte er doch noch einen Abstecher in die Niederlande machen. Zudem scheint Julián seine besten Schauspieler-Zeiten hinter sich zu haben, weswegen er auch finanziell keine großen Sprünge machen kann. Von der „Unterstützung“, die ihm der großzügige Tomás in Aussicht stellt, möchte er schon Gebrauch machen.
All dies erfährt der Zuschauer, indem er die zwei Freunde auf deren Streifzüge durch Madrid begleitet. Außer mit Juliáns Cousine Paula (Dolores Fonzi) sind ihre Begegnungen einmalig und eher kurz: zunächst mit dem Arzt und mit Trumans Tierarzt, dann mit dem Schauspieler-Kollegen, der dem Todkranken am liebsten aus dem Weg gehen würde, und umgekehrt mit dem Bekannten, dem Julián am liebsten nicht begegnen würde. Auch Juliáns geschiedene Frau erscheint kurz auf der Leinwand. Mehr dramaturgisches Gewicht hat die Begegnung mit Juliáns Sohn Nico (Oriol Pla) auf einem kurzen Abstecher nach Amsterdam. Nico hat an nächsten Tag Geburtstag und weiß vom Entschluss des Vaters, die Krebstherapie abzubrechen, noch nichts. Die Umarmung, mit der sich Vater und Sohn voneinander verabschieden, wird zum emotionalen Höhepunkt von Gays Film.

„Freunde fürs Leben“ spiegelt auch die moderne mobile Gesellschaft wider: Die Hauptfiguren sind ein Argentinier, der in Spanien lebt, und ein Spanier, der in Kanada arbeitet. Juliáns Sohn ist der in Madrid aufgewachsene Sohn eines Argentiniers, der in Amsterdam studiert und dort eine aus Paris stammende Freundin hat... und der sich überlegt, nach dem Studium nach Buenos Aires zu ziehen. Schade übrigens, dass in der deutschen Synchronfassung die unterschiedlichen Akzente Juliáns und Tomás’, die ihre äußeren Unterschiede noch mehr betonen, nicht abzubilden sind.

Die schnellen Begegnungen und die vertrauten Gespräche unter den Freunden, die meistens eine humorvolle Komponente besitzen, verleihen „Freunde fürs Leben“ eine Leichtigkeit, die seinem schwermütigen Thema so entgegengesetzt zu sein scheint. Großen Anteil daran haben die beiden Hauptdarsteller, die als eingespieltes Team auftreten und sich die Bälle förmlich zuspielen. Allerdings darf diese Leichtigkeit nicht mit Oberflächlichkeit verwechselt werden.
Drehbuchautor und Regisseur Cesc Gay umschifft die melodramatischen Fallen, die ein solches Thema stellt. Selbst der Abschied zwischen den Freunden fällt eher beiläufig aus. Bei aller Alltäglichkeit der Begegnungen und Dialoge fehlen auch nicht tiefergehende Gespräche, so etwa als Tomás erstaunt seinen Freund fragt: „Warst Du nicht Atheist?“, und der sterbenskranke Julián darauf antwortet: „Früher schon. Jetzt gar nicht mehr“. Neunzig Minuten lang reibt sich der Zuschauer die Augen, dass es im Jahre 2016 möglich ist, auf diese leichte, aber keineswegs seichte Art über den Tod nachzusinnen.

Leider scheint aber der Regisseur allerdings gegen Ende Angst vor der eigenen Courage zu bekommen, einen solch unzeitgemäßen Film abzuliefern. Vielleicht kam ihm die Befürchtung, einen moralisierenden oder zu emotionalen Film gedreht zu haben. So entscheidet er sich für einen „zeitgemäßeren“ Abschluss, der dramaturgisch – eine Sexszene, die mit der eigentlichen Geschichte in keinem Zusammenhang steht – und inhaltlich – die Option für eine politisch korrekte Entscheidung in Sachen Lebensende – teilweise den Ton des ganzen Filmes auf den Kopf stellt. Dies hinterlässt einen faden Beigeschmack. „Freunde fürs Leben“, der ein wirklich berührender, stimmiger Film hätte werden können, verliert im Abgang einen Großteil seiner Stimmigkeit.

Bei der diesjährigen Verleihung des spanischen Filmpreises „Goya“ ging „Freunde fürs Leben“ als großer Gewinner hervor: Cesc Gays Film wurde in fünf Kategorien ausgezeichnet, unter anderem für die beste Regie, das beste Drehbuch und für die beiden Darsteller.

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