ROBINSON CRUSOE | Robinson Crusoe
Filmische Qualität:   
Regie: Vincent Kesteloot
Darsteller: (deutsche Stimmen): Matthias Schweighöfer, Kaya Yanar, Cindy aus Marzahn, Dieter Hallervorden, Aylin Tezel
Land, Jahr: Belgien 2015
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Animation
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 2/2016
Auf DVD: 6/2016


José García
Foto: Studiocanal

Vincent Kesteloots Animationsfilm trägt zwar den Filmtitel „Robinson Crusoe“. Mit der Geschichte des Schiffbrüchigen aus dem weltbekannten Roman von Daniel Defoe (1719) hat seine Handlung jedoch nur entfernt etwas gemeinsam. Dass die Animation durchaus gelungen ist, stellt Kesteloots Film von Anfang an unter Beweis. In einer langen Sequenz jagt eine Katze zwei Mäuse kreuz und quer über das Deck eines Piratenschiffs. Die bestens animierten dynamischen Bewegungsabläufe der Tiere legen die Animations-Latte sehr hoch.

Dieses Katz- und Maus-Spiel hat allerdings mit der eigentlichen Handlung des Animationsfilms wenig zu. Es erfüllt lediglich eine Funktion: Die quirligen Tiere wecken einen der Seemänner auf dem Schiff, so dass dieser ein Feuer auf einer Insel bemerkt. Der Kapitän vermutet, dass es als Signal eines Schiffbrüchigen dient. Und er hat sich nicht geirrt: Das Feuer stammt von einem Menschen, der von einer kleinen Gruppe von Tieren begleitet wird. Nach seiner Rettung erzählt Robinson Crusoe (deutsche Stimme: Matthias Schweighöfer) dem Kapitän des Piratenschiffs seine Geschichte. Eine andere Version liefert freilich den Mäusen der in der deutschen Filmfassung von Komiker und Fernsehmoderator Kaya Yanar gesprochene Papagei Dienstag. So beginnt eine lange Rückblende, die sich fast über die gesamte Filmlänge erstreckt und aus den beiden Perspektiven, sowohl aus der Sicht Crusoes als auch der Tiere, erzählt.

Auf der einen Seite erlebt also der Zuschauer Robinsons Schiffbruch. Zusammen mit seinem Hund Edgar versucht er, einer hinterhältigen Katze und eines eher einfältigen Katers Herr zu werden, als ein gewaltiger Sturm am Himmel aufzieht. Robinson wird erst durch einen Sturz bewusstlos und dann geht er über Bord. Bald beginnt das Schiff zu sinken. Robinson und Edgar schaffen es, auf die Insel zu kommen. Aber auch die zwei Katzen haben den Schiffbruch überlebt und retten sich auf eine benachbarte Insel, die sogenannte „Insel des Fluches“. Sie werden im Laufe der Geschichte noch eine Rolle zu spielen haben. Die eigentliche Hauptfigur in „Robinson Crusoe“ ist jedoch nicht der Schiffbrüchige, sondern der Papagei Dienstag, der eigentlich Mick heißt. Denn „Dienstag“ nennt ihn erst Robinson. Er lebt auf der Insel zusammen mit einer bunten Mischung an Tieren. Dazu gehören die beleibte Tapirdame Rosie (Cindy aus Marzahn), der halbblinde Ziegenbock Zottel (Dieter Hallervorden), das Stachelschwein Epi (Aylin Tezel) sowie der Eisvogel Kiki, das Schuppentier Pango und das Chamäleon Carmello. Im Unterschied zu den anderen Tieren hat Mick/Dienstag das gemächliche Inselleben satt und ist davon überzeugt, dass es außerhalb der Insel eine weite Welt gibt, die er gerne erkunden würde. Versetzt die Ankunft von Robinson und seinem Hund die meisten Inselbewohner in Panik, weil sie es mit Meeresungeheuern zu tun zu haben glauben, so zeigt sich der Papagei aufgeschlossen ihnen gegenüber. Ja, für ihn ist die Ankunft von Mensch und Hund geradezu der Beweis, dass es über die kleine Insel hinaus etwas gibt.

Im Unterschied zu den Animationsfilmen etwa des japanischen Regisseurs Hayao Miyazaki und seines Ghibli-Studios oder auch von Pixar und anderen US-amerikanischen Animationsschmieden setzt „Robinson Crusoe“ vor allem auf Action. Zwar hat Animation mit Bewegung zu tun. Aber ein gut animierter Film ist noch lange nicht ein guter Animationsfilm. Sowohl die Ghibli- als auch die Pixarfilme haben gezeigt, dass dazu vor allem eine nuancierte Charakterzeichnung sowie ein gutes Drehbuch gehört. Miyazaki und auch die meisten Pixar-Filme verdeutlichen, dass ein vielschichtiges Drehbuch sowohl Kinder als auch Jugendliche und Erwachsene ansprechen kann. Dies gehört allerdings offensichtlich nicht zu den Zielen der Filmemacher von „Robinson Crusoe“. Selbst wenn sie die Story aus der Perspektive der Tiere erzählen wollten, hätte die Geschichte ohne Zweifel das Potenzial dazu gehabt.

Zwar reißt der Film etwa die Frage der unterschiedlichen Meinungen der Tiere an, ob sie dem Menschen vertrauen können. Dass Robinson ein Baumhaus baut, in dem sie gemeinsam leben können, verführt die Tiere dazu, sich einem bequemen Leben hinzugeben. Auch dies hätte der Film vertiefen können. Solche Aspekte werden jedoch eher in den Hintergrund gedrängt, um der Action mit kindgerechtem Slapstick, aber auch mit teils arg in die Länge gezogenen Sequenzen einen breiten Raum zu geben.

Auch der Witz wirkt sehr kindlich, weil er sich ebenso aus der Bewegung und weniger aus den Charakteren speist. Zwar gibt es in „Robinson Crusoe“ auch Bösewichte. Doch diese entpuppen sich als gar nicht so gefährlich, wie es zunächst den Anschein hatte. Dennoch: Für Kinderaugen gibt es in Vincent Kesteloots Film schon einiges zu bewundern, angefangen bei dem eher niedlich wirkenden Stachelschwein Epi, dem Eisvogel Kiki und Schuppentier Pango über die gemütliche Tapirdame Rosie und den tollpatschigen Ziegenbock Zottel bis hin zu der schnellen Zunge des Chamäleons Carmello sowie über die bunte Inselwelt. Darüber hinaus bietet der Animationsfilm eine schöne Geschichte über Freundschaft, die sich auch mit dem Thema Einsamkeit auseinandersetzt. Und die Sehnsucht des Papageis Mike/Dienstag nach einer Welt, die aus der kleinen Insel hinausführt, könnte sogar als ein Verlangen nach Transzendenz, als eine moderne, kindgerechte neue Version von Platons Höhlengleichnis angesehen werden.
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