ALKI ALKI | Aldi Alki
Filmische Qualität:   
Regie: Axel Ranisch
Darsteller: Heiko Pinkowski, Peter Trabner, Christina Große, Thorsten Merten, Oliver Korittke, Eva Bay, Iris Berben
Land, Jahr: Deutschland 2015
Laufzeit: 102 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: D, S
im Kino: 11/2015
Auf DVD: 7/2016


José García
Foto: missingFILMs

Eine feucht-fröhliche Feier in einem Berliner Club. Unter den jungen Leuten ragen zwei beleibte Gestalten heraus, die gut und gerne doppelt so alt sind wie die restlichen Discobesucher. Tobias Zach (Heiko Pinkowski) und „Flasche“ (Peter Trabner) sind beste Freunde seit ewigen Zeiten. Tobias ist Miteigentümer eines Architekturbüros, verheiratet mit Anika (Christina Große) und Vater von drei Kindern (die von den drei echten Pinkowski-Kindern gespielt werden). Dabei fällt auf, dass Flasche immer dabei ist, ob im Ehebett oder in einer Besprechung im Büro mit Kompagnon Thomas Bakowski (Thorsten Merten). Und „Flasche“ ist eben auch der Grund, warum Tobias einen wichtigen Auftrag vermasselt oder sich von Begeisterung hinreißen lässt, als die geheimnisvolle Russin Galina Ivanowa Schnurkinowa (Iris Berben) bei einem Saufgelage einen richtig großen Architekturauftrag in Aussicht stellt, der sich als Luftschloss entpuppt. Tobias verliert zunehmend die Kontrolle über sein Leben. Mit den immer extremer werdenden Exzessen stößt er seine Frau und die Kinder vor den Kopf. Als der beleibte und willensschwache Mann in alkoholisiertem Zustand mit den Kindern im Auto einen Unfall baut, stellt ihm Ehefrau Anika ein Ultimatum: Entweder eine Entziehungskur oder die Scheidung.

So macht sich Tobias – natürlich von Flasche begleitet – auf den Weg in die Entziehungsklinik, wo er auf verschiedene Süchtige trifft: auf die tablettensüchtige ältere Dame, auf den sexsüchtigen jungen Mann oder auch auf einen Spielsüchtigen. Sie alle haben ihren je eigenen Begleiter dabei, die natürlich für die anderen unsichtbar bleiben. Auch ein weiterer Alkoholsüchtiger nimmt an den Sitzungen teil, nur dass der ständige Begleiter von Siegfried (Oliver Korittke) eine junge Frau namens „Gläschen“ (Eva Bay) ist.

Axel Ranisch, der sich statt Regisseur „Spielleiter“ nennt, führt zu der Idee zu diesem besonderen Film aus: Peter Trabner, der zusammen mit Heiko Pinkowski und Ranisch das Drehbuch verfasste, habe ihn auf eine Idee für einen Film über einen alkoholabhängigen Familienvater angesprochen. „Ein langes 90minütiges Bergab. Ein gänzlich depressiver Film über den Niedergang eines Familienvaters.“ Weil ihm ganz pessimistische Filme eigentlich nicht lägen, sei die Idee zunächst aufs Eis gelegt worden. Ein paar Wochen später habe Trabner jedoch die entscheidende Idee eingebracht: „Diesmal hatte er weiter gedacht und fragte, was denn wäre, wenn die Sucht eine eigenständige Figur wäre. Man hätte die Zündschnur hören können, die plötzlich entfacht war und sich zu einer riesigen kreativen, begeisterten Explosion durchbrannte. Das war es!“

Dass Tobias und Flasche immer zusammen sind, irritiert zunächst einmal den Zuschauer – bis ihm klar wird, dass „Flasche“ nur für Tobias sichtbar bleibt. Wenn er sich aber auf das Konzept des Filmes einlässt, dass die Sucht als Mensch aus Fleisch und Blut, als „alter Ego“, als weitere Figur auftritt, bemerkt er auch die Stimmigkeit des Filmes – bei aller turbulenten Inszenierung. Denn „Alki Alki“ hat weder mit Hochglanz-Hollywoodkomödien noch mit meistens ebenso glatt inszenierten deutschen Komödien etwas gemein. Axel Ranisch filmt alles sehr unmittelbar, die Figuren – insbesondere die zwei Hauptfiguren – liegen ihm merklich am Herzen.

In der Begründung zur Verleihung des Prädikats „besonders wertvoll“ hebt die Deutsche Film- und Medienbewertung FBW insbesondere die Dramaturgie hervor: „Als Übergang zu den einzelnen Abschnitten der Schilderung des langen Weges von Tobias in den Abgrund der Sucht hat Ranisch den Auftritt eines Bänkelsängers gewählt, der von dem unheilvollen Verhältnis zwischen Tobias und seinem dunklen Begleiter Flasche erzählt und damit den Rahmen der einzelnen Kapitel absteckt.“

Für eine überaus realistische Inszenierung wird häufig die Bezeichnung „schonungslos“ verwendet. Ranischs Porträt eines Trinkers, der mit seinem guten Job und seiner liebenswürdigen Familie eigentlich ein glückliches Leben führen könnte und alles wegen der Sucht aufs Spiel setzt, kann denn auch schonungslos genannt werden. Der Zuschauer wird Zeuge des Absturzes, aber auch der Bemühungen, den Teufelskreis zu durchbrechen.
Axel Ranisch schafft es, das Hochgefühl des Rausches und die bald darauf einsetzende Trostlosigkeit eben schonungslos darzustellen. Ihm gelingen auch eindringliche Bilder, so etwa als Flasche Tobias ältesten Sohn umgarnt, was eine heftige Reaktion seitens Tobias hervorruft. Die realistische Darstellung der zerstörerischen Kraft der Sucht verknüpft Spielleiter Ranisch aber auch mit einem Witz, der sich durch den ganzen Film zieht, und der viel mit der surrealen Ausgangssituation zusammenhängt. So umschifft der Film die gängigen Klischees in „Trinkerfilmen“. Darüber hinaus stimmt „Alki Alki“ ohne erhobenen Zeigefinger nachdenklich, weil er die ganze Tragik eines Lebens mit „Flasche“ ohne Beschönigung zeigt.
Axel Ranisch und Heiko Pinkowski gelingt die Gratwanderung, Tobias bei all den Eskapaden und Exzessen doch noch sympathisch erscheinen zu lassen. Obwohl Tobias in einem bestimmten Augenblick alles verloren hat, wirkt „Alki Alki“ gar nicht hoffnungslos. Auch sein Wunsch, seine Familie nicht endgültig zu verlieren, gibt dem „großen Kind“ die entscheidende Antriebskraft.
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