A PERFECT DAY | A Perfect Day
Filmische Qualität:   
Regie: Fernando León de Aranoa
Darsteller: Benicio del Toro, Tim Robbins, Olga Kurylenko, Mélanie Thierry, Fedja Stukan, Segi López
Land, Jahr: Spanien 2015
Laufzeit: 106 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: D
im Kino: 10/2015
Auf DVD: 4/2016


José Garcia
Foto: X-Verleih

Das erste Bild von Fernando León de Aranoas Spielfilm „A Perfect Day“ bietet eine außergewöhnliche Perspektive: Ein aufgedunsener Mann scheint in Zeitlupe in einen Brunnen zu fallen – bis es sich herausstellt, dass er an einem Seil hochgezogen wird. Dann reißt aber das Seil und die schwere Leiche fällt tatsächlich in den Brunnen. Weil sie die Wasserversorgung eines Dorfes gefährdet, sollen Mitarbeiter einer internationalen Hilfsorganisation die Leiche entfernen. Angesiedelt ist „A Perfect Day“ in einem nicht näher bestimmten Landstrich im Balkan im Jahre 1995. Die Handlung spielt zwar wohl kurz nach dem offiziellen Ende des Kroatien- (1991–1995) und des Bosnienkriegs (1992–1995). Das Hineinwerfen einer Leiche in einen Brunnen, um das Wasser zu verunreinigen, kann allerdings als Tatbestand biologischer Kriegsführung verstanden werden.

Die Mitarbeiter der (fiktiven) Hilfsorganisation „Aid without Borders“ machen sich in zwei Autos auf den Weg, um die Leiche aus dem Brunnen zu ziehen. Ein leichtes Unterfangen, könnte man meinen. Nicht so aber mitten im Chaos, in dem Zivilisten, Soldaten, UN-Blauhelme, Journalisten und eben auch die Hilfsorganisationsmitarbeiter stecken. Dazu führt Drehbuchautor und Regisseur León de Aranoa aus: „Es ist ein Problem, das man auf den ersten Blick leicht lösen kann. Aber das erste Opfer von jedem bewaffneten Konflikt ist der Gemeinschaftssinn. So kommt es dazu, dass die beiden Autos der kleinen Gruppe entlang einer schmalen Bergstraße ständig vor und zurück fahren, als würden sie sich in einem Irrgarten oder einem Labyrinth befinden. Sie suchen nach einem Weg, aus der komplizierten Situation herauszukommen, die möglicherweise gar nicht existiert.“

In dem einen Geländewagen sitzt der aus Costa Rica stammende Sicherheitschef Mambrú (Benicio del Toro) mit dem Dolmetscher Damir (Fedja Stukan). In dem anderen der US-Amerikaner B (Tim Robbins) und die junge Französin Sophie (Mélanie Thierry) in ihrem ersten Einsatz. Der Realitätsbezug Damirs und Sophies Idealismus kontrastieren mit der zwischen schwarzem Humor und Zynismus changierenden Haltung der alten Hasen Mambrú und B, die offenbar ein gefühltes halbes Leben in solchen Einsätzen verbracht haben. Eine Kostprobe des Humors als Überlebensstrategie wird B liefern, als zu dem Team Katya (Olga Kurylenko) dazustößt, die als Analystin die Effizienz der Einheit überprüfen soll. Als er die attraktive Russin erblickt, fragt B rhetorisch, ob sie nun der Organisation „Models ohne Grenzen“ angehöre. Bald stellt es sich heraus, dass Katya und Mambrú früher ein Paar waren, was sich für die Gesamtsituation nicht besonders förderlich ausnimmt.

Zu den Hindernissen bei der Ausführung ihres Auftrags gehört etwa eine tote Kuh, die mitten auf der Straße liegt. Natürlich erkennt B sofort, dass es sich um eine Falle handelt: Der Tierkadaver verbirgt eine Sprengladung. Es fragt sich nur, ob die Mine rechts oder links, oder aber unter der toten Kuh liegt. B greift auf seine Erfahrung zurück und trifft zum Entsetzen der jungen Sophie eine sofortige Entscheidung. Später werden beide Wagen von einem solchen Tierkadaver wieder gestoppt. Die Helfer müssen mitten auf der Straße die Nacht verbringen. Erst am Morgen, als eine alte Bäuerin mit ein paar Kühen dort vorbeikommt, folgen sie ihr und ihrem Vieh, und so finden sie aus der Sackgasse heraus.

Der spanische Regisseur Fernando León de Aranoa, der in Deutschland insbesondere mit der sozialkritischen Studie „Montags in der Sonne“ (2002) bekannt wurde, fügt zu den bereits existierenden Filmen über die Kriege im ehemaligen Jugoslawien eine neue Sicht des Konfliktes hinzu. Dies gelingt ihm zunächst einmal durch die eigenwilligen Perspektiven der Kameraführung von Alex Catalán, der für Icíar Bollaíns „Und dann der Regen – También la lluvia“ (2010) internationale Auszeichnungen einheimsen konnte. Der Kameramann verknüpft etwa extreme Untersichten, wenn sich beispielsweise die Helfer über den Brunnen oder über einen Tierkadaver beugen, mit Totalen der Landschaft in leuchtenden Farben. Sie bleibt aber auch den Protagonisten sehr nah. Dies trägt auch wesentlich zur Charakterzeichnung bei. Denn die Figuren in „A Perfect Day“ hätten leicht zu Stereotypen werden können. Dass sie nuancenreich gezeichnet werden, ist nicht nur den herausragenden Schauspielern, sondern auch der sicheren Schauspielführung durch den Regisseur zu verdanken.

Dadurch porträtiert „A Perfect Day“ nicht nur die Mitarbeiter der Hilfsorganisation. Darüber hinaus bietet der Film auch einen Einblick in eine komplexe Welt, die durch militärische Vorschriften und eine verschlungene Bürokratie, aber auch durch die zwischenmenschlichen Beziehungen geprägt ist. Sein Film, so der Drehbuchautor und Regisseur, konzentriere sich auf „den stummen Krieg, der zwischen den Fronten und zwischen den Friedensvereinbarungen, dem Kampf gegen Landminen, den Kriegssoldaten, militärischen Kontrollposten, dem siedenden Hass gegenüber den Nachbarn und der Angst einer Mutter abläuft.“ Bereits in „Montags in der Sonne“ (2002) hatte León de Aranoa eine von Fatalismus geprägte Situation gezeichnet, in der sich aber zuletzt die Sonne Bahn bricht, und einen Silberstreifen der Hoffnung am Horizont aufschimmern lässt. So auch „A Perfect Day“: Trotz seiner generellen Illusionslosigkeit entlässt der Film den Zuschauer dank seiner sympathischen Figuren nicht ohne Hoffnung.
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