RETTET RAFFI! | Rettet Raffi!
Filmische Qualität:   
Regie: Arend Agthe
Darsteller: Nicolaus von der Recke, Sophie Lindenberg, Philipp Schmitz-Elsen, Henriette Heinze, Bettina Kupfer, Albert Kitzl, Martin Dudeck, Claes Bang
Land, Jahr: Deutschland 2015
Laufzeit: 90 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum:
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2015
Auf DVD: 3/2016


José García
Foto: MFA +

Der achtjährige Sammy (Nicolaus von der Recke) hängt sehr an seinem Hamster Raffi. Denn das kleine Haustier ist ein Geschenk seines Vaters, der sich zurzeit eine „Auszeit“ von der Familie genommen hat und in Afghanistan als Arzt arbeitet. Mit seiner 14-jährigen Schwester Molly (Sophie Lindenberg) liegt Sammy im Dauerstreit. Die Mutter Helene (Henriette Heinze) versucht trotz ihrer vielen Arbeit, den Kindern ein angenehmes Zuhause zu bieten. Eines Morgens stellt es sich heraus, dass Raffi ernste Herzprobleme hat. Deshalb muss er operiert werden. Die Operation gelingt, aber auf dem Nachhauseweg wird das Auto vom frisch aus dem Gefängnis entlassenen Rocky (Albert Kitzl) gestohlen. Raffi gewinnt sofort das Herz von Rockys Freundin Miranda (Bettina Kupfer). Der Gangster hat aber andere Pläne mit dem Hamster. Sammy gibt jedoch nicht auf, und setzt alles in Bewegung, um Raffi zu retten.

Basierend auf dem gleichnamigen Buch des Regisseurs und seiner Mitautorin Bettina Kupfer erzählt Arend Agthe konsequent aus der Sicht des Achtjährigen, so etwa in der Überzeichnung der Figuren einschließlich des Gauners, dessen Ungeschicklichkeit eine nie versiegende Quelle von humorvollen Situationen darstellt. Der unaufgesetzte Humor passt bestens zum bei allen Verfolgungsjagden so doch insgesamt unaufgeregten Erzählton. Arend Agthe gelingt es darüber hinaus, die Tierszenen realistisch zu inszenieren. „Rettet Raffi!“ vermittelt ebenso unaufdringlich Werte wie die Bedeutung der Familie. – „Rettet Raffi!“ gewann den Publikumspreis beim Kinderfilmfest München 2015.


Interview mit Arend Agthe, Mit-Drehbuchautor und Regisseur von „Rettet Raffi!“

In „Rettet Raffi!“ tut der achtjährige Sammy alles für seinen Hamster. Ist es typisch für Kinder, dass sie um etwas kämpfen, als ginge es um Alles oder Nichts?

Für Kinder ist vieles absolut und ihre Kenntnis der Realität ist noch in Entwicklung begriffen. Für Erwachsene ist ein Hamster leicht ersetzbar. In der Tierhandlung kostet er sechs bis sieben Euro. Für ein Kind gibt es aber keinen Ersatz. Dieser Hamster, den der Vater Sammy geschenkt hat, muss gesund werden, egal, was es kostet. „Rettet Raffi!“ ist ein Familienfilm aus der Perspektive des Kindes erzählt. Erwachsene Zuschauer müssen sich mit der kindlichen Perspektive auseinandersetzen – was sie meiner Erfahrung nach gerne tun.

Als Kind schafft Sammy etwas, was die Polizei nicht schafft: Er findet heraus, wer das Auto und damit auch Raffi gestohlen hat. Ist „Rettet Raffi!“ auch ein Krimi?

Sammy hat das Glück, dass er der Polizei zuvorkommt, um den Hauptbeweis mitzunehmen. Dass ein Auto geklaut und irgendwo abgestellt wird, gehört inzwischen zum Alltag in den Großstädten. Die Polizei würde auch keine Fingerabdrücke nehmen. Aber „Rettet Raffi!“ ist ein Mischformat in jeder Hinsicht. Manche Leute mögen es, weil sie es vielschichtig finden. Manche sagen: „Es ist kein richtiger Krimi, aber auch kein richtiger Familienfilm“. Diese Stimmen gibt es auch. Aber als Filmemacher möchte ich es den Zuschauern nicht so leicht machen. Es entspricht dem, wie ich die Wirklichkeit sehe: komplex und mit doppelten Böden. Nichts ist in seiner Struktur so eindimensional, wie sich manche Menschen wünschen, dass Filme erzählt werden. In unseren ersten Festivalaufführungen habe ich festgestellt, dass die Kinder mit der Komplexität mühelos mitkommen.

Wie würden Sie Sammy bezeichnen?

Sammy ist kein eindimensionaler Held, der stark und unantastbar ist. Er wird erst an seiner Aufgabe stark und entwickelt sich im Laufe der Geschichte. Und er ist sehr tierlieb, sensibel und allein unter Frauen – seiner Mutter und seiner Schwester –, die ihn erziehen. Nicolaus von der Recke hatte noch nie zuvor gespielt, wir lernten ihn ehrlich gesagt auf der Hundewiese kennen, denn sein Hund und unserer spielten gerne zusammen. Uns hat von Anfang an seine Art gefallen, deshalb blieb er nach langen Castings mit Kinderdarstellern unser Favorit. Außerdem ist er der Jüngste von drei Brüdern, da brachte er das verzweifelte Kämpfen um seine Position quasi mit. Entscheidend aber für seine filmische Entwicklung war, dass meine Koautorin Bettina Kupfer nicht nur selbst eine erfahrene Schauspielerin ist, sondern auch Kinderanalytikerin. Sie hat sehr früh das Proben mit den Kindern in die Hand genommen.

„Rettet Raffi!“ hatten Sie zusammen mit Bettina Kupfer als Buch geschrieben ...

Ja, aber zunächst als Drehbuch, weil wir die Geschichte als Film machen wollten. Als die Suche nach Produzenten schwierig wurde, sind wir auf die Idee gekommen, das Buch zu schreiben. Der wunderbare Verlag Jacoby & Stuart hat es herausgegeben. Wir haben das Buch auf Literaturveranstaltungen gelesen. Das Buch ist gut angekommen, was den Film vorantrieb, weil sich die Förderer vom Erfolg des Buches überzeugen ließen.

Raffi wird von 14 Hamstern dargestellt. Was waren die besonderen Herausforderungen der Dreharbeiten mit einem Hamster?

Ich habe relativ viel Erfahrung beim Drehen mit Tieren, weil in fast allen meinen Kinderfilmen Tiere vorkommen. Dennoch: Ich wusste, wenn wir mit einem Hamster drehen wollten, der so klein ist wie ein Wasserglas, kommen wir an Grenzen der Abbildungsschärfe im Kino: Wenn die Nase scharf ist, dann sind die Augen schon unscharf. Ich hatte bereits bei früheren Filmen gute Erfahrungen mit der Tiertrainerin Carola Conrad gemacht. Sie ist sehr neugierig auf Tiere und gibt nicht klein bei. Sie hat Erfahrungen mit Hamstern gesammelt: Sie hat sich vier Hamster besorgt, um herauszufinden, wie intelligent sie sind, was sie aus ihrer Prägung heraus können, ob sie lernen können ... Erschwerend auf das Drehen mit Hamstern wirkt sich aus, dass sie unangepasste Einzelgänger sind.

Wie wirkt sich das auf die Arbeit aus?

Da sie nachtaktiv sind, mussten wir die Hauptszenen nachts drehen. Aber etwa den Besuch beim Tierarzt konnten wir nicht nachts drehen. Wir haben den Dreh in die Nachmittagsstunden verlegt. Der Hamster sollte ja schlapp und kränklich aussehen. Da traf es sich gut, dass der Hamster zu dieser Zeit müde ist. Für die Szene, in der der Hamster in eine Dose klettert, wurde einer der Hamster über einen Zeitraum von mehreren Monaten nur in der Dose gefüttert. Wenn dieser nun Hunger hatte, ging er in die Dose zum Fressen. Am schwierigsten war die Gewöhnung der Hamster an die Wasserszenen. Denn Hamster kommen aus der syrischen Wüste. Auch wenn sie schwimmen können, machen sie es nicht gerne. Da ihre Körpertemperatur etwas höher als die des Menschen ist, muss das Wasser erwärmt werden. Wäre der Hamster wirklich in die Elbe gefallen, wäre er sicher zu Tode gekommen. Die Wasserszenen haben wir im Studio und in der nachtaktiven Zeit gedreht. Nicolaus von der Recke und Raffi – unser Haupthamster – verstanden sich übrigens so gut, dass er jetzt bei „Sammy“ lebt.

Sie sprachen vorhin von „Rettet Raffi!“ als Familienfilm. Die Zusammenführung der Familie spielt für Sammy eine ganz wichtige Rolle ...

Dass Eltern zusammenbleiben mögen, auch wenn es mal Streit gibt, ist ein sehr großer und weitverbreiteter Kinderwunsch. Auch hier polarisiert der Film. Einige meinen, dies entspräche nicht der Realität. Es mag sein, dass es viele getrennte Eltern gibt. Aber es gibt auch viele, die zusammenbleiben. Wir haben bewusst entschieden, dass die Eltern wieder zusammenfinden – Sammys Wunsch in Erfüllung geht. Darüber hinaus wollten wir auch einen Film mit einem Happy End machen. Als Regisseur finde ich nichts schlimmer als einen Film, der schlecht ausgeht.
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