STAAT GEGEN FRITZ BAUER, DER | Der Staat gegen Fritz Bauer
Filmische Qualität:   
Regie: Lars Kraume
Darsteller: Burghart Klaußner, Ronald Zehrfeld, Lilith Stangenberg, Jörg Schüttauf, Sebastian Blomberg
Land, Jahr: Deutschland 2015
Laufzeit: 105 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S
im Kino: 10/2015
Auf DVD: 2/2016


José Garcia
Foto: Zero One Film

Im Jahre 1957 befindet sich die Bundesrepublik Deutschland mitten im „Wirtschaftswunder“. An eine Aufarbeitung der NS-Zeit möchte kaum jemand denken. Einer der wenigen, die sich nicht damit abfinden wollen, ist der hessische Generalstaatsanwalt Fritz Bauer (Burghart Klaußner). Bauer erfährt, dass sich Adolf Eichmann in Argentinien aufhält. Seine Bemühungen, Eichmann verhaften und nach Deutschland ausliefern zu lassen, werden von Oberstaatsanwalt Ulrich Kreidler (Sebastian Blomberg) und BKA-Mitarbeiter Paul Gebhardt (Jörg Schüttauf) hintertrieben: „Meine eigene Behörde ist Feindesland“, resümiert Bauer. Lediglich im jungen Staatsanwalt Karl Angermann (Ronald Zehrfeld) findet Fritz Bauer eine Hilfe. Für den hessischen Generalstaatsanwalt bleibt nur eine Möglichkeit: mit dem israelischen Geheimdienst Mossad Kontakt aufnehmen. Dies könnte allerdings als Landesverrat angesehen werden.

Regisseur Lars Kraume und sein Mit-Drehbuchautor Olivier Guez zeichnen Fritz Bauer als eigenbrötlerisch gegen den Filz in den eigenen Reihen kämpfenden, aufrechten Juristen, der allen Widerständen zum Trotz sein Ziel verfolgt. Burghart Klaußner geht in seiner Figur förmlich auf, Ronald Zehrfeld verkörpert den (fiktiven) homosexuellen Staatsanwalt zurückgenommen. Über den breiten Raum hinaus, den die Filmemacher der sexuellen Orientierung der Hauptfiguren einräumen, liefert „Der Staat gegen Fritz Bauer“ eine filmische Hommage an den Mann, der nicht nur Eichmann zu Fall brachte, sondern auch die Auschwitz-Prozesse ins Rollen brachte. Und dies ohne jedes Pathos.


Interview mit Regisseur Lars Kraume sowie Hauptdarsteller Burghart Klaußner

Vor kurzem stellte Gerd Voss Fritz Bauer im Spielfilm „Im Labyrinth des Schweigens“ dar. Warum ist es wichtig, Fritz Bauer neu auf die Leinwand zu bringen?

Lars Kraume: „Im Labyrinth des Schweigens“ kann man nun nicht als Porträt von Fritz Bauer bezeichnen. Das war jedoch unser Anliegen. Denn er ist eine der wenigen Helden der deutschen Geschichte und dennoch fast gänzlich unbekannt. Nachdem ich „Im Labyrinth des Schweigens“ gesehen hatte, war ich davon überzeugt: Es ist wichtig und richtig, einen Spielfilm zu drehen, der Fritz Bauer ins Zentrum stellt.

Burghart Klaußner: Gerd Voss spielt Fritz Bauer in einer Nebenrolle. Er macht es auf seine ganz eigene Art natürlich vorzüglich, indem er sich der historischen Figur gar nicht übergibt, sondern sie kraft seiner eigenen Autorität spielt. Wir wollten einen anderen Weg gehen.


Wie sind Sie Ihrerseits vorgegangen, um Fritz Bauer darzustellen?

Burghart Klaußner: Die Herausforderung bestand wohl darin, einen Menschen in seinen Eigenheiten zu beschreiben und gleichzeitig dem Zuschauer die Freiheit zu belassen, darin eine ganze Generation zu sehen. Als ich mir das Filmmaterial über Fritz Bauer anschaute, war ich verblüfft, wie sich in seinen persönlichen Eigenheiten sein Wollen und sein Tun abgebildet haben, sowohl das Einzelgängertum als auch das Widerborstige, der Feuerkopf, der einsame Mann, der intellektuelle Mann ...


Wann haben Sie zum ersten Mal von Fritz Bauer überhaupt gehört?

Lars Kraume: Obwohl ich in Frankfurt aufgewachsen bin, hatte ich nie etwas von ihm gehört. Ich habe ihn erst durch das vor fünf Jahren erschienene Buch meines Co-Autoren Olivier Guez „Heimkehr der Unerwünschten“ wahrgenommen. In diesem sehr lesenswerten Buch, das vom Leben in den jüdischen Gemeinden Deutschlands nach 1945 handelt, taucht Fritz Bauer im Kontext der Auschwitz-Prozesse auf. Olivier Guez und ich dachten, an ihm sehr Vieles auf den Punkt bringen zu können.

Burghart Klaußner: Ich glaube, es war 1969, als ich anfing zu studieren. Niemals vorher auf der Schule in Bayern. An der Freien Universität Berlin war Fritz Bauer durchaus präsent – auch als Vorbild. Während des Auschwitzprozesses war ich zu jung.


Über Fritz Bauers Homosexualität wird in der Forschung diskutiert. Im Film erscheint dies in der Figur des von Ronald Zehrfeld gespielten fiktiven Staatsanwalts sehr ausgeprägt, bei Fritz Bauer eher zurückhaltend. War dies so beabsichtigt?

Lars Kraume: Wenn man die Quellenlage kennt, ist nicht die Frage der Homosexualität, sondern höchstens die Frage umstritten, ob man posthum darüber reden soll, da er es zu seinen Lebzeiten nicht getan hat. Das könnte ich mir als Vorwurf gefallen lassen. Darum geht es aber nicht. Laut dem im Film zitierten Polizeireport aus Dänemark wurde Bauer zusammen mit homosexuellen Prostituierten verhaftet, auch wenn er freikam, weil dort die Homosexualität nicht strafbar war. Er hatte also eine homosexuelle Neigung. Uns ging es darum, darin Bauers Opferbereitschaft zu verdeutlichen. Als Generalstaatsanwalt hätte er wegen des Paragrafen 175 seine Homosexualität nicht ausleben können. Aber er hätte durchaus als Jurist in der Privatwirtschaft arbeiten können, wo man nicht so genau hingeschaut hätte. Mit seinem öffentlichen Amt musste er jedoch seine Sexualität opfern. Ein Held, der nicht bereit ist, irgendetwas zu opfern, ist für mich kein beeindruckender Held. Was wir erzählen, ist allerdings eine Interpretation. Der junge Staatsanwalt Karl Angermann ist eine komplette Interpretation.


Für Fritz Bauer war der Auschwitzprozess ein Höhepunkt in seinem Leben. Warum legt Ihr Film den Akzent auf die Ergreifung von Adolf Eichmann?

Burghart Klaußner: Es ist eine erzählbare Geschichte, die den Rahmen der Erzählmöglichkeiten nicht sprengt. Bauer hat Eichmann dingfest machen lassen. Er wusste, dass es dem BND seit 1952 bekannt war, wo sich Eichmann aufhielt. Das gehört zu den entsetzlichen Dingen der Nachkriegszeit. Bauer hat nicht nur dem Mossad angetragen, Eichmann festzunehmen. Er hat auch den israelischen Staat um Eichmanns Auslieferung ersucht, damit ihm der Prozess in Deutschland gemacht werden konnte Aber die Adenauer-Regierung lehnte es ab, einen Auslieferungsantrag zu stellen.

Lars Kraume: Obwohl die Auschwitzprozesse am bekanntesten sind, waren sie doch in einer Hinsicht eine Niederlage. In den Urteilen sind die Richter nicht Bauers Idee gefolgt, in den 22 Angeklagten, die durch ihre ganz unterschiedlichen Tätigkeiten einen Querschnitt durchs Lager abbildeten, eine Tätergruppe zu erkennen, die gemeinschaftlich an der Mordmaschinerie gearbeitet hatte, was immer der Einzelne tat. Eichmann ist die symbolträchtigste Figur für den Holocaust, weil er die Deportationen organisiert hat. Dass der Mossad Eichmann aus Argentinien entführt hat, ist bekannt. Dass aber der stille, zurückhaltende Bauer die treibende Kraft dahinter war, ist nicht so bekannt. Die ausgebliebene Auslieferung hat wiederum die Ambivalenz, die man im ganzen Leben von Bauer findet. Denn er war nur bedingt erfolgreich. Die Euthanasieprozesse, die er führen wollte, oder auch die Beschäftigung mit der ungebrochenen Linie in der deutschen Justiz sind nicht weit gekommen.


Erklärt nicht auch die Beschäftigung mit Eichmann, warum Fritz Bauer später den Auschwitzprozess betrieben hat?

Lars Kraume: Ja, genau. So haben wir das auch empfunden. Unser Film stellt es so dar, dass Bauer daran leidet, dass er nicht den Prozess in Deutschland führen kann. Dies führt ihn direkt zum nächsten großen Gedanken: Wenn er nicht Eichmann vor ein deutsches Gericht bringen kann, dann soll es Auschwitz sein.

Burghart Klaußner: 1952 bereits war es Bauer gelungen, als Staatsanwalt in Braunschweig, den Widerstand gegen Hitler von dem Makel des angeblichen Verrats zu befreien. Er hat Major Remer, der das Wachbataillon anführte und Stauffenberg erschoss, verurteilen lassen. Allerdings ging es Bauer nicht darum, Rache zu üben. Die Täter dingfest zu machen war das Eine, die deutsche Öffentlichkeit mit den Verbrechen zu konfrontieren das Andere. Was ihm und allen Opfern wichtig war, war Reue, die die Täter allerdings nie äußerten.
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