I WANT TO SEE THE MANAGER | I Want to See the Manager
Filmische Qualität:   
Regie: Hannes Lang, Mareike Wegner
Darsteller: (Mitwirkende): Deepak Daryani, Margarita Cayo, Xiang Li, Anthony A. Karam, Vincenzo Oliva, Jamaree Daranpong, Beda Kühnis, Antonio Alarado
Land, Jahr: Deutschland/Italien 2014
Laufzeit: 89 Minuten
Genre: Dokumentation
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 9/2015


José García
Foto: Petrolio Film

Die Globalisierung hat in den letzten Jahrzehnten für tiefgreifende Veränderungen in der Wirtschaft und im Leben der Menschen gesorgt. Der Unterschied zwischen „Industriestaaten“ und „Entwicklungsländern“ bekommt Risse. In den westlichen Industrieländern eröffnet die Krise in anderen Teilen der Welt neue Möglichkeiten des wirtschaftlichen Aufstiegs. Die Filmemacher Mareike Wegener und Hannes Lang gehen im Dokumentarfilm „I Want to See the Manager“ dem Wandel in sieben verschiedenen Ländern nach. Die unterschiedlichen Episoden nennen sie „Fragmente einer Weltordnung, die durch die Globalisierung miteinander verbunden sind“. Es handelt sich um Momentaufnahme im Leben verschiedener einfacher Menschen, die den makroökonomischen Wandel im Kleinen verdeutlichen sollen.

In Indien findet eine Art Prolog statt: Ein Geschäftsmann steht auf einer Brachfläche. Laut seiner Zukunftsprognosen wird es mit der wirtschaftlichen Vormachtstellung des Westens bald vorbei sein. Um die steigende Macht der Schwellenländer zu verdeutlichen, die den Abstand zu den (ehemaligen) Industrienationen immer mehr verringern, fährt die Kamera hoch und lässt den Blick auf das Hochhäusermeer von Mumbai frei. Nach einem scharfen Schnitt geht es nach Bolivien. In der Wüste legen Männer Planen. Am See von Uyuni wird Lithium gewonnen. Lithium gilt als das Erdöl der Zukunft, was eine Entwicklung in Richtung Reichtum und Wohlstand verspricht. Neben dem staatlichen Unternehmen versuchen auch die Einwohner der Region, sozusagen in handwerklicher Arbeit, an der Lithiumgewinnung zu partizipieren. Die dritte Episode zeigt das sprunghafte Wachstum Chinas anhand des sprunghaft wachsenden Absatzes von Autos. Weil in Peking ein Verkehrskollaps droht, verlosen die Behörden die Pkw-Zulassungen bei einem Lotterie-Spiel. Lediglich für ein Prozent der Antragsteller wird der Traum des eigenen Autos Wirklichkeit.

Die vierte Station führt in die Vereinigten Staaten. Hier ist offensichtlich eine Geschäftsnische entstanden, die „den Tod der Zukunft“ nicht als „den Tod der Vergangenheit“ ansieht. Die Firma „Cryonics“ arbeitet an der Unsterblichkeit und dem Transhumanismus: Menschen können sich einfrieren lassen, um in einer möglichen Zukunft ein endloses Leben zu führen. In der fünften Episode verdient sich in Pompeji ein als „Gladiator“ Kostümierter dadurch seinen Lebensunterhalt, dass er sich zusammen mit Touristen ablichten lässt. Ist dies ein Sinnbild für das Verkommen der einstigen Macht Europa zu einer Art „Freilichtmuseum“? In Chiang Mai, Thailand, betreuen junge Einheimische demente West- und Nordeuropäer. Über die rührende Art und Weise hinweg, wie sie mit ihnen umgehen, stellt sich die Frage: Ist dies ein Zukunftsmodell für eine Pflege, die in Europa bald nicht zu bezahlen sein wird? Die letzte Episode führt in die venezolanische Hauptstadt Caracas. Die riesige Hochhausruine, in die eine Bank und, nachdem das Finanzsystem kollabierte, ein Einkaufszentrum einziehen sollte, wurde vor einigen Jahren besetzt. Die Menschen, die sich hier eingerichtet haben, arbeiten auch dort. Sogar ein „Laden“ wird von einer Frau geführt, die die Hausbewohner oder -besetzer mit Alltäglichem versorgt.

Die von Kameramann Thilo Schmidt hervorragend fotografierten Bilder, die immer wieder die Schauplätze in statischen, künstlerisch anmutenden Totalen in den Vordergrund rücken und durch die sorgfältige Anordnung ein Gefühl der Inszenierung hervorrufen, zeigen vorwiegend einfache Menschen, die sich in unterschiedlichen Stadien des Fortschritts und des Wohlstands befinden. Gemeinsamkeiten zwischen den sieben Episoden können dadurch ausgemacht werden, dass sie – so die These der Filmemacher – jeweils „Fragmente und Umrisse“ der anderen Stadien enthalten. Dadurch, dass Europa als „ausgedienter“ Kontinent, als „Themenpark“ und als Altersheim mit zunehmenden Schwierigkeiten in der Versorgung seiner alternden Bevölkerung dargestellt wird, unterstreichen die Filmemacher, dass die einstigen Industrienationen alsbald von den Schwellen- und Entwicklungsländern überholt werden.

Darüber hinaus verdeutlicht „I Want to See the Manager“ jedoch auch, dass über ihre kulturellen Unterschiede und den unterschiedlichen Entwicklungsgrad ihrer Wirtschaft hinweg die Menschen dieselben Hoffnungen, Wünsche und Ängste teilen. Die unterschiedlichen Sichtweisen auf der ganzen Welt enthüllen bei aller Brüchigkeit der wirtschaftlichen Strukturen ein universelles Bedürfnis des Menschen nach Stabilität und Sicherheit.
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