SOUTHPAW | Southpaw
Filmische Qualität:   
Regie: Antoine Fuqua
Darsteller: Jake Gyllenhaal, Forest Whitaker, Curtis „50 Cent“ Jackson, Rachel McAdams, Naomie Harris, Rita Ora, Oona Laurence, Victor Ortiz, Beau Knapp, Dominic Colón, Miguel Gómez, Skylan Brooks
Land, Jahr: USA 2015
Laufzeit: 123 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: G +, X-
im Kino: 8/2015
Auf DVD: 15/2015


José García
Foto: Tobis

Im legendären New Yorker Madison Square Garden kämpft Halbschwergewicht-Weltmeister Billy Hope (Jake Gyllenhaal) gegen Herausforderer Darius Jones (Cedric Jones), der einen Treffer nach dem anderen landet. Verteidigung ist offensichtlich nicht gerade Hopes Stärke. Erst als Billys Frau, die attraktive Maureen Hope (Rachel McAdams), ihm zwischen zwei Runden einen fordernden Blick zuwirft, legt Billy richtig los. Billy kann so gut wie ohne Abwehr kämpfen, weil er umso gewaltiger austeilen kann. Ein paar seiner wütenden Schläge genügen denn auch, um den Gegner zu Boden zu schicken. So verteidigt Hope erneut seinen Weltmeistertitel.

Der überaus realistisch wirkende, aus nächster Nähe fotografierte Boxkampf lässt den Zuschauer jeden Schlag hautnah spüren. Die erste Szene im Spielfilm „Southpaw“ verrät zwar gründliche Kenntnisse des Boxkampfes – dazu stand Regisseur Antoine Fuqua Boxtrainer und Kampfchoreograph Terry Claybon als Berater zur Seite, darüber hinaus kennt sich der Regisseur im Boxkampf aus, weil er selbst bei Sparringskämpfen im Ring stand. Insbesondere Hopes Kampfstil wird bereits hier deutlich, der auf der vor allem von Linkshändern eingenommenen Grundstellung „Southpaw Stance“ basiert: Der Boxer hat den rechten Fuß und die rechte Hand vorne und attackiert zunächst mit kurzen rechten Geraden, auf die schließlich ein linker Haken folgt. Angedeutet wird jedoch auch, dass sich „Southpaw“ nicht bloß im Boxkampf erschöpft, spielt doch darin das Verhältnis zwischen dem Boxer und seiner Frau Maureen eine zentrale Rolle.

Seine im Kampf überbordende Wut bezieht Billy Hope noch aus der Zeit, als er von ganz unten kommend in einem Waisenhaus aufwuchs. Im Heim lernte er Maureen kennen, die im Gegensatz zum impulsiven Billy ein hohes Organisationstalent besitzt: Sie kümmert sich um das luxuriöse Familienanwesen im Grünen, um die Erziehung der gemeinsamen Tochter, der zehnjährigen Leila (Oona Laurence), aber auch um die Karriere ihres Mannes. Wann und gegen wen Billy kämpfen soll, entscheidet eigentlich Maureen. Gegen die Vorschläge von Billys Manager Jordan Mains (Curtis „50 Cent“ Jackson), der sofort eine weitere lukrative Titelverteidigung anstrebt, spricht sich Maureen für eine längere Kampfpause aus.

Ein plötzlich einbrechender Schicksalsschlag zieht jedoch Billy Hope unmittelbar nach der Titelverteidigung den Boden unter den Füßen weg. Nun muss er wieder ganz unten landen, um sich erneut aufrichten zu können. Eine entscheidende Rolle in diesem Kampf gegen sich selbst spielt der in die Jahre gekommene Boxtrainer Tick Wills (Forest Whitaker), der vor langer Zeit dem Profi-Boxkampf den Rücken kehrte, nun aber nach einigem Zögern Billy unter seine Fittiche nimmt. Durch Tick Wills lernt der ehemalige Weltmeister erstmals eine richtige Verteidigung, was freilich nicht nur für den unmittelbaren Boxkampf von Bedeutung ist. Denn Billy muss vor allem lernen, geduldiger zu werden und seine eigene Wut im Zaum zu halten, Verantwortung für sich und seine Tochter zu übernehmen, seinem Leben eine neue Richtung zu geben.

„Southpaw“ verleugnet in keinem Augenblick die Anklänge an klassische Boxerfilme, insbesondere an Martin Scorseses Meisterwerk „Wie ein wilder Stier“ (1980), der ebenfalls einen Sportfilm mit einem menschlichen Drama verknüpft. Obgleich die Boxkämpfe in „Southpaw“ viel mehr Raum als in „Wie ein wilder Stier“ einnehmen, erinnert die Brutalität der Kämpfe, ja sogar die Art, wie Billy Hope ohne Deckung boxt, an Jake LaMottas Boxstil in Martin Scorseses Film. Mit ihm gemein hat er ebenfalls den Abstieg des einstigen Weltmeisters ins Bodenlose. Nur das hoffnungsvolle Ende, das mit Hopes Namen korrespondiert, unterscheidet sich vom desillusionierten Ausklang in Scorseses Film. Wenig originell nimmt sich ebenfalls die von Forest Whitaker verkörperte Figur aus, die eine Neuauflage des von Clint Eastwood selbst gespielten Boxtrainers in „Million Dollar Baby“ (2004) zu sein scheint.

Jedenfalls eins verbindet Fuquas Film mit den erwähnten „Wie ein wilder Stier“ und „Million Dollar Baby“: Die grandiose schauspielerische Leistung seiner Darsteller. Jake Gyllenhaal verkörpert nicht nur den muskelbepackten, ohne Rücksicht auf Verluste kämpfenden Boxer, sondern auch den jungen Mann, der sich aus einfachen Verhältnissen hochgekämpft hat und nun wieder ganz unten angelangt ist, völlig glaubwürdig. Ähnlich gelingt es Forest Whitaker, der kaum originellen Rolle des lebenserfahrenen, verständnisvollen Boxtrainers neue Nuancen zu verleihen.

Gerade in den Dialogen zwischen Boxer und Trainer zeigen Regisseur Antoine Fuqua und Drehbuchautor Kurt Sutter ihre Stärken. Denn ihnen gelingt es trotz aller Klischees und von James Horners Filmmusik und Eminems elektrisierendem Soundtrack bestens unterstützt, eine allgemein gültige Geschichte zu erzählen. Dazu führt Kurt Sutter aus: „Mir wurde klar, dass es in Wirklichkeit nicht nur die Geschichte eines einzelnen Menschen war. Stattdessen war es die universale Geschichte von Erlösung, dem Überwinden von Hindernissen und persönlichen Dämonen und dem Voranstellen der Interessen anderer.“

„Southpaw“ erweist sich nicht so sehr als Boxerfilm denn als Charakterstudie eines Sportlers, der jählings alles verliert und sich selbst überwinden muss, um wieder auf die Füße zu kommen. Obwohl die Handlung aus eher Bekanntem, ja teilweise Klischeehaftem besteht, vermag Fuquas Film dank seiner Darsteller und der insgesamt geglückten Verknüpfung von Sportlerfilm und Familiendrama zu überzeugen.
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