LIEBE AUF DEN ERSTEN SCHLAG | Les Combattants
Filmische Qualität:   
Regie: Thomas Cailley
Darsteller: Adèle Haenel, Kévin Azaïs, Antoine Laurent, Brigitte Roüan, Nicolas Wanczycki, William Lebghil, Frédéric Pellegeay
Land, Jahr: Frankreich 2014
Laufzeit: 98 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: X -
im Kino: 7/2015
Auf DVD: 11/2015


José García
Foto: Tiberius Film

Der 18-jährige Arnaud (Kévin Azais) und sein älterer Bruder Manu (Antoine Laurent) suchen beim Bestattungsunternehmen nach einem Sarg für ihren verstorbenen Vater. Allerdings finden sie die Holzqualität der angebotenen Särge minderwertig. Deshalb machen sie sich selbst an die Arbeit, und so ist der selbstgeschreinerte Sarg das erste, was sie nach dem Tod des Vaters in der Familientischlerei fertigen. Manu ist fest entschlossen, den Familienbetrieb weiterzuführen. Arnaud weiß noch nicht genau, was er tun möchte – außer mit seinen Kumpels Xavier (William Lebghil) und Victor (Thibaut Berducat) herumzuhängen.

In der kleinen Provinzstadt an der südfranzösischen Atlantikküste hält die Armee eine Werbeveranstaltung ab. Bei einem Selbstverteidigungstraining wird Arnaud aufgefordert, seine Kräfte mit der kratzbürstigen Madeleine (Adele Haenel) zu messen. Obwohl er beteuert, dass er gegen Mädchen nicht kämpfe, kann er sich aus ihrer Umklammerung nur durch einen Biss befreien. Arnaud ist ziemlich überrascht, als er bald darauf zusammen mit seinem Bruder Manu zu einer wohlhabenden Familie gerufen wird, die ein Gartenhaus neben dem Schwimmbad bauen lassen möchte, und sich ausgerechnet Madeleine als die Tochter des Hauses entpuppt. Die junge Frau reagiert zunächst einmal ziemlich abweisend. Denn sie ist fixiert auf ein hartes Training. Madeleine hat ihr Wirtschaftsstudium abgebrochen, um sich auf „die Krise, das Ende, den Weltuntergang“ vorzubereiten, der ihrer Meinung nach naht. Sie will in die Armee, in eine möglichst harte Einheit wie die Fallschirmspringer. Dafür frühstückt sie schon einmal im Mixer zerkleinerten Aal und taucht im Swimmingpool mit einem Rucksack voller Ziegelsteine.

Der zurückhaltende Arnaud beobachtet sie mit immer größerer Faszination. Während er keine Ahnung hat, was er mit seinem Leben anfangen soll, scheint sie ein klares Ziel zu haben und entschlossen zu sein, es zu erreichen. Deshalb entscheidet er sich spontan, zusammen mit Madeleine zu einem Überlebenscamp der Armee zu fahren, zu dem sich die junge Frau angemeldet hat. Eine Entscheidung, die seinen Bruder Manu wütend macht, für die aber die Mutter Verständnis hat. Nach einigen Tagen unter dem strengen militärischen Regiment und unter der ständigen Bedrohung durch die nahen Waldbrände in den undurchdringlichen Wäldern Aquitaniens hat Arnaud genug: Bei einer nächtlichen Geländeübung reißt er einfach aus – und Madeleine folgt ihm. So beginnen sie zu zweit ihr eigenes Überlebenstraining im Wald, das sie an ihre Grenzen bringen wird.

Thomas Cailleys Spielfilmdebüt, dessen deutscher Verleihtitel „Liebe auf den ersten Schlag“ die Komplexität des Drehbuchs zu sehr einschränkt, erweist sich als schwer in eine Genreschublade zu stecken. Die Liebesromanze, die im deutschen Filmtitel zum Ausdruck kommt, macht nur einen Teil des Filmes aus, so etwas wie den roten Faden, der den Film zusammenhält. Der Originaltitel „Les Combattants“ drückt hingegen nicht nur die Militärparodie aus, die ebenfalls im Film steckt. „Kämpfer“ bezieht sich jedoch auch auf die Lebenssituation, in der sich die französische Jugend befindet. Denn nicht nur Madeleine empfindet Unbehagen beim Denken an die Zukunft. Bei einer Strandparty stellt sich heraus, dass Arnauds Freunde auch die Zukunft im Land eher schwarz sehen: Einer will nach Kanada auswandern, ein anderer in die Armee. Die Krisenstimmung fungiert als Folie, auf der sich der Film entwickelt, eine Verunsicherung, die nicht nur die französische Jugend betrifft.

In „Liebe auf den ersten Schlag“ spielt die Landschaft eine zentrale Rolle. „Ich habe“, so Regisseur Thomas Cailley, „viel mit dem Kameramann, meinem Bruder David Cailley, ausgearbeitet und probiert. Der Film bemüht sich, die Reise zweier Figuren zu porträtieren, und wir wollten auch das Licht nutzen, um diese Reise darzustellen. Wir wollten keinen monochromatischen Film. Zu Beginn herrschen Blautöne vor, die letztendlich ziemlich kalt wirken. Im zweiten Teil brechen Gelbtöne das Blau, hervorgerufen durch das Grün der Armee, gesprenkelt mit Braun- und Schwarztönen.“ Aber diese Landschaft spiegelt auch das Aufeinandertreffen der gegensätzlichen Charaktere von Madeleine und Arnaud wider. Thomas Cailley weiter: Sein Ausgangspunkt sei „die Idee einer ruhigen Landschaft mit einem stillen, friedvollen See, die plötzlich von einem Taifun erschüttert wird. Diese Art der Kollision, das Zusammentreffen von zwei gegensätzlichen Elementen ist genau das, was ich auch für Arnaud und Madeleine im Sinn hatte.“

Thomas Cailley beweist ein besonderes Gespür für Schauspielerführung. Unter seiner Regie füllen Adele Haenel und Kévin Azais diese Rollen mit Leben, so dass in keinem Augenblick der Eindruck entsteht, es handele sich um am Reißbrett entworfene Figuren. Einerseits bleiben sie so wie sie sind: Madeleine eher burschikos und entschlossen, Arnaud eher schüchtern und reserviert – aber das miteinander Erlebte hat ihnen eine neue Lebensperspektive gegeben, was Adele Haenel und Kévin Azais äußerst glaubwürdig verkörpern.

Auf dem Filmfestival Cannes 2014 gewann „Liebe auf den ersten Schlag“ mehrere Preise, darunter den Preis der internationalen Filmkritik. Und beim französischen Filmpreis war Cailleys Film gleich dreimal erfolgreich: Er erhielt den „César“ als Bester Debütfilm, Adele Haenel wurde als „Beste Darstellerin“ ausgezeichnet, und Kévin Azais bekam den César als „Bester Nachwuchsdarsteller“ überreicht.
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