RICO, OSKAR UND DAS HERZGEBRECHE | Rico, Oskar und das Herzgebreche
Filmische Qualität:   
Regie: Wolfgang Groos
Darsteller: Anton Petzold, Juri Winkler, Karoline Herfurth, Henry Hübchen, Moritz Bleibtreu, Katharina Thalbach, Ronald Zehrfeld, Milan Peschel, Ursela Monn, Genija Rykova, Annette Frier
Land, Jahr: Deutschland 2015
Laufzeit: 95 Minuten
Genre: Familienfilme
Publikum: ab 6 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 6/2015
Auf DVD: 10/2015


José García
Foto: Twentieth Century Fox

Mit seiner Kinderbuch-Trilogie über die Abenteuer des „tiefbegabten“ Rico, der mit Zahlen oder Straßenschildern nicht klarkommt, und seines Freundes Oskar, der zwar ein Mathe-Ass ist, aber immer einen Helm trägt, weil er vor allen möglichen Dingen Angst hat, gelang Andreas Steinhöfel ein Riesenerfolg. Das erste Buch „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ wurde 2009 mit dem Deutschen Jugendliteraturpreis ausgezeichnet. Die Filmadaption „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ (siehe Filmarchiv) unter der Regie von Neele Leana Vollmar begeisterte sowohl Kinder als auch Erwachsene. Denn dem Film gelang es dank eines herausragenden Schauspieler-Ensembles und insbesondere der großartigen Kinderdarsteller, den Kern von Steinhöfels Vorlage einzufangen. „Rico, Oskar und die Tieferschatten“ erhielt den Preis der deutschen Filmkritik 2014 für den besten Kinderfilm und wurde für den „Deutschen Filmpreis“ nominiert, der am 19. Juni verliehen wird.

Für die nun im regulären Kinoprogramm anlaufende Verfilmung des zweiten Romans „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ stand allerdings Neele Leana Vollmar aus familiären Gründen nicht zur Verfügung. Regie führt Wolfgang Groos, der im Wesentlichen dem bewährten Prinzip in der Inszenierung treu bleibt. Nachdem Rico und Oskar im ersten Film dem geheimnisvollen Entführer „Mister 2000“ das Handwerk gelegt haben, ist in die Dieffenbachstraße 93 wieder Ruhe eingekehrt. Wenn es nach Ricos Vorstellungen ginge, sollte seine alleinerziehende Mutter Tanja Doretti (Karoline Herfurth) ihren Nachbarn, den Polizisten Simon Westbühl (Ronald Zehrfeld) heiraten. „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ beginnt denn auch mit Ricos Traum von einer Hochzeit, bei der Simon und Tanja „zu Mann und Frau“, aber auch Westbühl und er selbst „zu Vater und Sohn“ erklärt werden. Offensichtlich ist Ricos Wunsch, endlich wieder einen Papa zu haben, besonders groß. Bei Oskar ist es allerdings anders: Er hat nicht das beste Verhältnis zu seinem Vater Lars, weshalb er aber öfters bei Rico übernachten kann.

Weil Oskar – der nun keinen Helm mehr, dafür aber eine Sonnenbrille trägt, weil er „inkognito“ bleiben möchte – inzwischen so gut wie fest zur Familie Doretti gehört, kommt er auch zum Bingo-Abend der Seniorengruppe „Graue Hummeln“ mit. Nachdem Tanja von Herrn von Scherten (Henry Hübchen) gentlemanlike begrüßt wird, ereignet sich Merkwürdiges. Denn Tanja Doretti ruft als erste „Bingo!“, obwohl die Zahlen nicht stimmen – wie der clevere Oskar beobachtet hat. Noch merkwürdiger: Die Trommelchefin Ellie Wandbeck (Katharina Thalbach) prüft den Bingoschein... und händigt Tanja eine Handtasche aus. Obwohl Rico nicht glauben kann, dass seine Mutter in irgendwelche krumme Geschäfte verwickelt sein soll, muss er sich dem Offensichtlichen beugen. Warum versteigert seine Mutter die Ledertaschen dann im Internet? Wird sie möglicherweise dazu gezwungen, erpresst?

Rico und Oskar machen sich sofort an den „Fall“. Hilfe bekommen sie von Herrn van Scherten, der zwar einen ganz eigenwilligen Fahrstil hat, dafür aber einen betagten Mercedes besitzt, mit dem sie die Verfolgung von Madame Wandbeck aufnehmen können. Die Spur führ in Unterweltgeschäfte. Bald werden sie vom abscheulichen Stotterer Boris (Moritz Bleibtreu) verfolgt.

Bei der Verleihung des Prädikats „besonders wertvoll“ urteilt die deutsche Film- und Medienbewertung FBW: „Quietschbunt und völlig überdreht präsentiert sich die Fortsetzung der Rico-und-Oscar-Reihe, kindgerecht in allen Nuancen. Wolfgang Groos Verfilmung des Buchs von Andreas Steinhöfel ist ein Ausflug in ein Berlin voller verschrobener Charaktere und heimeligen Ecken, bei dem auch ein erwachsenes Publikum Spaß haben kann.“ Wie bereits im ersten Rico und Oskar-Film konzentriert sich „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ nicht so sehr auf die kriminalistische Handlung, sondern vielmehr auf die eher skurrilen Charaktere. Obwohl Boris zunächst einmal als fieser Typ gezeichnet wird, wobei die zottelige Frisur ihn als solchen ausweist, stellt es sich im Laufe der Handlung heraus, dass er eigentlich von seiner Mutter, der oberbösen Raucherin Ellie Wandbeck, getrieben wird.

Regisseur Wolfgang Groos setzt immer wieder animierte Passagen ein, etwa um Vergangenes zu verdeutlichen oder aber – wie bereits im ersten Film aus der Reihe – Fremdwörter zu erklären. Trotzdem erscheint die Inszenierung an manchen Stellen etwas bemühter als im ersten Rico-Oskar-Film. Mitunter scheint Wolfgang Groos der Komik mancher Situationen nicht ganz zu vertrauen, weshalb er sie mit einer allzu deutlichen, ins Klamaukige kippenden Pointe zu unterstreichen sucht. An manchen Stellen verliert der Regisseur auch die kindliche Perspektive, die sich durch den ersten Film ganz zog, etwas aus den Augen, um die erwachsenen Darsteller in den Mittelpunkt zu stellen. Auch deshalb darf sich der Zuschauer darauf freuen, dass bei der Verfilmung von Steinhöfels Trilogie-Abschlussbuch „Rico, Oskar und der Diebstahlstein“, der nächstes Jahr ins Kino kommen soll, wieder Neele Leana Vollmar Platz auf dem Regiestuhl nehmen wird.

Dennoch überzeugt wieder die Balance zwischen den spannungsvollen, den komischen und den ernsteren Elementen. „Rico, Oskar und das Herzgebreche“ erweist sich als ein Film, der ohne Rückgriff auf die digitale Welt die kindliche Fantasie beflügelt, und bei dem auch erwachsene Zuschauer prächtig unterhalten und an manchen Stellen zum Nachdenken angeregt werden.
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