FRAU IN GOLD, DIE | Woman in Gold
Filmische Qualität:   
Regie: Simon Curtis
Darsteller: Helen Mirren, Ryan Reynolds, Daniel Brühl, Max Irons, Elizabeth McGovern, Katie Holmes, Antje Traue, Justus von Dohnányi, Tom Schilling, Moritz Bleibtreu, Nina Kunzendorf
Land, Jahr: Großbritannien/USA 2014
Laufzeit: 98 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 12 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 6/2015
Auf DVD: 10/2015


José García
Foto: Square One

Die „Beutekunst“, im Krieg unrechtmäßig angeeignete Kunstgegenstände, ist ein noch lange nicht abgeschlossenes Kapitel der Nachkriegsgeschichte. Ende März erklärte beispielsweise das niederländische Königshaus, ein Gemälde des Malers Joris van der Haagen aus dem 17. Jahrhundert den Erben des rechtmäßigen Besitzers zurückgeben zu wollen. Dieses Gemälde musste 1942, als die Niederlande unter deutscher Besatzung waren, ein jüdischer Sammler abgeben. Die Großmutter des heutigen Königs Willem-Alexander hatte es im Jahre 1960 erstanden. Besonderes Aufsehen erregte jedoch im Januar 2006 die Entscheidung eines Schiedsgerichts, dass die Republik Österreich fünf in der Wiener Belvedere-Galerie ausgestellte Klimt-Gemälde an die Erben des rechtmäßigen Besitzers restituieren sollte.

Basierend auf wahren Tatsachen erzählt der Spielfilm „Die Frau in Gold“ („Woman in Gold“) von Simon Curtis, teilweise als Gerichtsfilm, jedenfalls als eine in Hollywood so beliebte David-und-Goliath-Geschichte, von Maria Altmann (Helen Mirren), die sechzig Jahre nach ihrer Flucht aus dem nationalsozialistischen Wien um die Rückgabe der „Frau in Gold“ sowie von vier weiteren Klimt-Gemälden kämpft. Nach dem Tod ihrer Schwester Mitte der 1990er Jahre entdeckt die seit dem Krieg in den Vereinigten Staaten lebende Frau einige Briefe. Daraus geht eindeutig hervor, dass sich die fünf Kunstwerke im Besitz ihrer Familie befanden, ehe sie von den Nazis enteignet wurden. Darunter befindet sich das weltberühmte Gemälde „Adele Bloch-Bauer I“, das in der Gemäldegalerie Schloss Belvedere in Wien hängt. Regisseur Simon Curtis zeigt zu Beginn seines Filmes, wie Gustav Klimt (Moritz Bleibtreu) das Blattgold anbringt, das dem Porträt von Maria Altmanns geliebter, kinderlos gebliebener Tante Adele Bloch-Bauer (Antje Traue) den Beinamen „Goldene Adele“ (englisch: „Woman in Gold“) verleiht. Maria Altmann, als Maria Bloch-Bauer im Februar 1916 in Wien geboren, hatte sich fest vorgenommen, ihre Geburtsstadt nie wieder zu betreten. Zu schmerzhaft waren noch die Erinnerungen an den „Anschluss“ Österreichs, an die Hitlers Einzug bejubelnden Massen in Wien, die Maria 22-jährig erlebte, sowie an die Enteignung durch die Nazis – so etwa auch des Diamantcolliers, das Adele Bloch-Bauer auf Klimts berühmtem Gemälde trägt und sie ihrer Nichte Maria zur Hochzeit schenkte, und das dann von Hermann Görings Frau Emmy benutzt wurde – und an die Flucht durch die Gassen Wiens, verfolgt von SS-Mann Heinrich (Tom Schilling). Die rasant inszenierte Sequenz der in Rückblende gezeigten Flucht der jungen Maria (nun von Tatiana Maslany dargestellt) und ihres späteren Ehemannes Fritz (Max Irons) bringen etwas Action in den Film, der sonst Spannung eher auf der Ebene der juristischen Auseinandersetzung erzeugt. Wenn sich Maria Altmann dennoch entschließt, nach Wien zu fahren, um dort ihren Anspruch geltend zu machen, dann weil ihr Anwalt E. Randol „Randy“ Schoenberg (Ryan Reynolds), ein Enkel des ebenfalls in die Vereinigten Staaten emigrierten österreichischen Komponisten Arnold Schönberg, zwar ihr Vertrauen genießt, ihr jedoch etwas zu jung (geb. 1966) und zu unerfahren scheint. Denn der frischgebackene Vater Randy Schoenberg hatte gerade seine erste Stelle bei einer großen Kanzlei angetreten.

Zusammen streiten die etwa 80-Jährige und ihr junger Anwalt in Wien um ihr Recht. Sie stoßen aber bei den österreichischen Ministerien auf taube Ohren, die wenig geneigt scheinen, „die österreichische Mona Lisa“ herauszugeben. Allerdings gewinnen sie in den Journalisten Hubertus Czernin (Daniel Brühl) einen Mitstreiter, der ihnen das Spiel der Behörden erklärt: Zwar hatte Österreich die Rückgabe von Nazi-Raubkunst per Gesetz erleichtert, aber Czernin hält dies lediglich für eine PR-Maßnahme. Insgesamt sparen Drehbuchautor Alexi Kaye Campbell und Regisseur Simon Curtis nicht mit Kritik an der Alpenrepublik. Dass die österreichischen Behörden die unrechtmäßige Enteignung der Kunstwerke nicht zugeben werden, steht für ihn fest: „Denn dann müssten sie zugeben, dass sie nicht Opfer waren.“ Liegt es vielleicht daran, dass viele prominente Nebenrollen statt mit österreichischen mit deutschen Schauspielern wie Daniel Brühl, Justus von Dohnányi, Nina Kunzendorf und Tom Schilling besetzt werden?

Schließlich greift Randy Schoenberg zu einem ungewohnten Mittel: Er verklagt die Republik Österreich vor dem Obersten Gerichtshof der Vereinigten Staaten, der den Fall an ein Schiedsgericht in Wien weiterleitet. Parallel dazu muss Maria Altmann ihre Erinnerungen an glückliche und schmerzhafte Zeiten in der Donaumetropole aufarbeiten. Helen Mirren stellt die unterschiedlichen Gefühle glaubwürdig dar, wie es der Zuschauer spätestens seit „Die Queen“ (Stephen Frears, 2006) von ihr gewohnt ist. Entsprechend seiner Rolle scheint Ryan Reynolds zunächst zwar etwas schüchtern neben seiner berühmten Filmpartnerin zu agieren. Im Laufe der Handlung steigert er sich jedoch merklich.

Obwohl Regisseur Simon Curtis nicht auf Pathos verzichtet, wozu Hans Zimmers gelegentlich auf die Tränendrüse drückende Streichermusik wesentlich beiträgt, überzeugt „Die Frau in Gold“ letztlich auch deshalb, weil der Film den abstrakten Begriff „Beutekunst“ am Schicksal eines Menschen, einer Familie fassbar macht.

Maria Altmann selbst konnte den Film nicht mehr erleben. Sie starb 94-jährig im Jahre 2011. Das Gemälde „Adele Bloch-Bauer I“ hängt heute in der New Yorker Galerie des Unternehmers Ronald S. Lauder.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren