GÄRTNERIN VON VERSAILLES, DIE | A Little Chaos
Filmische Qualität:   
Regie: Alan Rickman
Darsteller: Kate Winslet, Matthias Schoenaerts, Alan Rickman, Stanlex Tucci, Helen McCrory, Paula Paul
Land, Jahr: Großbritannien 2014
Laufzeit: 116 Minuten
Genre: Historische Filme
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 4/2015
Auf DVD: 8/2015


José García
Foto: Tobis

Paris, 1682. König Ludwig XIV. befindet sich auf dem Höhepunkt seiner Regentschaft, die mit 72 Jahren (1642–1715) zu einer der längsten überhaupt zählt. In diesen langen Jahren baute der französische König nicht nur durch eine kriegerische Außenpolitik die Macht Frankreichs in Europa aus. Ludwig XIV. festigte darüber hinaus die Stellung der Krone, was entscheidend zur Zentralisierung des Landes führte. Durch den Aufbau eines bis in die kleinsten Details des Hofes geregelten Hofzeremoniells trug der König dazu bei, dass der gesamte französische Hof um seine Person kreiste – daher die Bezeichnung „Sonnenkönig“, mit der Ludwig XIV. in die Geschichte einging. Ein wesentlicher Meilenstein auf dem Weg zur Festigung der königlichen Macht war der Bau des Schlosses von Versailles, das am 6. Mai 1682 bezogen wurde.

Beim Bau des Schlosses beziehungsweise bei der Anlage seines Barockgartens („jardin a la française“) setzt Alan Rickmans Spielfilm „Die Gärtnerin von Versailles“ ein. Beim obersten Gartenarchitekten des Königs André Le Nôtre (Matthias Schoenaerts), der bereits die Umgestaltung des Tuileriengartens in Paris vorgenommen hatte und nun gleichzeitig die Arbeit an den Gartenanlagen von Versailles und von Schloss Chantilly leitet, bewerben sich mehrere Landschaftsgärtner für den Auftrag, den Barockgarten zu bauen. Unter ihnen auch eine Frau, die (fiktive) Sabine De Barra (Kate Winslet) – eine Sensation, zumal es sich bei der verwitweten Frau um eine Bürgerliche handelt. Ihr Vorstellungsgespräch endet allerdings sehr schnell, zu unterschiedlich sind ihre Ansichten: Gilt Monsieur Le Nôtre die Symmetrie als oberstes Gebot, so ist Madame De Barra eher für „ein wenig Chaos“ (so der Originaltitel des Filmes: „A Little Chaos“). Bereits bei ihrer Ankunft hatte sie die Symmetrie der Pflanzenkübel vor dem Eingang ein wenig verändert, was der Chefgärtner des Königs vom Fenster aus beobachtet hatte. Dennoch fällt Le Nôtres Wahl ausgerechnet auf sie.

Gemeinsam bauen sie einen „Ballsaal“ unter freiem Himmel mit Amphitheater, kreisrunden Treppen und Wasserspielen. Dafür muss Sabine De Barra nicht nur Wind und Wetter trotzen, sondern sich auch gegen neidische Konkurrenten, illoyale Mitarbeiter und gegen die Intrigen der eifersüchtigen Madame Le Nôtre (Helen McCrory) durchsetzen. Denn, obwohl diese selbst wenig von ehelicher Treue hält, entgeht ihr nicht, dass sich ihr Mann und die unkonventionelle Gärtnerin immer näher kommen. Allerdings findet Madame De Barra ausgerechnet beim kunstsinnigen König Ludwig XIV. (Alan Rickman) Gefallen.

Regisseur Alan Rickman lässt seine Kamerafrau Ellen Kuras im Garten und in den prunkvollen Sälen des Königlichen Schlosses regelrecht schwelgen. Dennoch sind diese Bilder im Vergleich zu klassischen Kostümbildern eher zweitrangig, ja selbst der eigentliche Bau des Bosketts unter schwierigen Bedingungen gerät immer mehr in den Hintergrund. Prunk und Pomp bilden lediglich die Folie, auf der sich die zwischenmenschlichen Beziehungen entfalten. Alan Rickman und seine Drehbuch-Mitautoren Alison Deegan und Jeremy Brock stellen vielmehr die Liebesgeschichte zwischen Sabine De Barra und André Le Nôtre in den Mittelpunkt des Filmes.

In seiner zweiten Regiearbeit blickt Alan Rickman lediglich in einigen Augenblicken auf die Gepflogenheiten des französischen Hofes, die insbesondere in der exzentrischen Figur des Herzogs von Orléans (Stanley Tucci) der Lächerlichkeit preisgegeben wird. Was für ein Machtkonzept dahinter stand – die Schwächung des Adels durch dessen Degradierung zu Höflingen –, interessiert ihn offensichtlich nicht. Der 69-jährige Charakterdarsteller macht aus „Die Gärtnerin von Versailles“ vielmehr einen Schauspielerfilm, in dem die zwei Hauptdarsteller Matthias Schoenaerts und Kate Winslet brillieren dürfen. Dass er die Rolle des Sonnenkönigs für sich reserviert, mag als verzeihliche kleine Eitelkeit angesehen werden.

Dabei wirken sowohl die Dialoge als auch die Figurenzeichnung anachronistisch modern. Dies gilt vor allem für die erfundene Figur der Sabine De Barra. Dass sich eine Bürgerliche im enggeschnürten Korsett des Hofzeremoniells behauptet, ist schon schwer vorstellbar. „Die Figur der Sabine fühlt sich frisch und anders an – ein Freigeist in einer sehr restriktiven Ära“, charakterisiert Kate Winslet die von ihr verkörperte Madame De Barra. „Eine sehr moderne Geschichte, die in eine andere Zeit versetzt worden ist. Sabine lebt, arbeitet und fühlt wie eine heutige Frau“, ergänzt sie. Darin zeigt sich jedoch eine heikle Eigenschaft von „Die Gärtnerin von Versailles“: Drehbuchautoren und Regisseur projizieren einfach die Befindlichkeiten heutiger Menschen in eine ganz andere Zeit. Dies gilt vor allem für die emanzipatorischen Züge einer fiktiven Figur, die eher einem feministisch angehauchten Entwurf aus dem 21. Jahrhundert als der Zeit des Absolutismus entsprungen zu sein scheint.
Den (nicht-britischen) Zuschauer, der den Film in der Originalsprache sieht, irritiert darüber hinaus die Sprache. Denn die britische Produktion wurde selbstverständlich nicht auf Französisch, sondern auf Englisch gedreht. Wenn etwa Alan Rickman seinen Schauspieler Stanley Tucci lobt: „Es war sicher eine Herausforderung für ihn als Amerikaner, auf einem englischen Set neben englischen Schauspielkollegen eine relativ förmliche Sprache mit englischem Akzent zu sprechen“, dann wirkt dies ziemlich grotesk.
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