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JOSà GARCÃA Foto: Ottfilm ![]() Regisseur Eric Till, der mit âBonhoeffer â Die letzte Stufeâ (2000) einem breiten deutschen Publikum bekannt wurde, zeichnet die Lebensstationen Luthers streng chronologisch nach. Der Film beginnt mit dem Ereignis, das Luthers Leben tiefgreifend veränderte: nachdem am 2. Juli 1505 in Luthers Nähe ein Blitz einschlug, rief er die Heilige Anna an und gelobte: âIch will Mönch werden.â Eintritt ins Augustiner-Kloster, Priesterweihe, Primiz, Romreise ... In atemberaubendem Tempo zeigt der Film diese Ereignisse, drängt sie auf wenige Minuten zusammen, um dann wieder kurz Luft zu holen, wenn Luthers erste innere Anfechtungen bei seinen Gesprächen mit Luthers Mentor, dem Generalvikar des Augustinerordens Johann von Staupitz gezeigt werden. Nach diesem Einblick in die innere Glaubenskrise Luthers setzt âLutherâ wieder auf Ereignisse, die sich spektakulär inszenieren lassen: Ablasspredigt des Dominikaners Johann Tetzel, Anschlag der 95 Thesen Luthers an die Tür der Schlosskirche in Wittenberg im Oktober 1517, Verbrennung der Schriften Luthers in einigen deutschen Städten sowie der päpstlichen Bann-Bulle âExsurge Domineâ durch Luther, Gefangennahme und Schutzhaft Luthers auf der Wartburg, âConfessio Augustanaâ auf dem Augsburger Reichstag 1530, und nicht zuletzt Luthers Hochzeit mit der ehemaligen Zistersiensernonne Katharina von Bora. Weil âLutherâ keine Dokumentation, sondern ein Spielfilm ist, sind fiktive Gestalten â die um ihre behinderte Tochter besorgte Hanna, der befreundete Augustinermönch Ulrich, der einfache Maurer Otto â durchaus legitim, um Luthers Beziehungen kondensiert darzustellen. Dass sie jedoch von den Filmemachern dazu verwendet werden, die als zu âabstraktâ angesehenen Ereignisse im Leben Luthers â etwa das so genannte âTurmerlebnisâ, nach dem Luther das Bild eines strafenden Gottes durch das eines gnädigen Gottes ersetzte â zu illustrieren, stuft âLutherâ auf einen Kostümfilm herunter. Denn durch die Konzentration auf äuÃere Ereignisse wird in âLutherâ kaum ein dramaturgisch stimmiges Bild der historischen Gestalt geliefert. Es war nicht anders zu erwarten, dass ein von der mächtigen Organisation âThrivent Financial for Lutheransâ mitproduzierter und von der Evangelischen Kirche Deutschland unterstützter Spielfilm die Gestalt Martin Luthers in einem über jeden Zweifel erhabenen Licht zeigen würde. Kein Wunder also, dass etwa Luthers unrühmliche Rolle beim Bauernkrieg kaum angerissen wird â seine Schrift âWider die räuberischen und mörderischen Rotten der Bauernâ lieferte den Landesherren 1525 die Berechtigung, hunderttausende Bauern niederzumetzeln â, dass im ganzen Prozess Luther völlig einseitig als armes Opfer der âmächtigen Kircheâ dargestellt wird. So wird etwa Luthers Disputation mit dem Theologen Johannes Eck ganz ausgelassen, das Streitgespräch mit Kardinal Cajetan in Umkehrung der Tatsachen inszeniert, so als habe Luther den Kardinal widerlegt, während er doch dessen klarer Argumentation und menschlicher Konzilianz vollkommen unterlegen war. Unverständlich bleibt es allerdings, warum die innere Zerrissenheit Luthers (âWie bekomme ich einen mir barmherzigen Gott?â) nur am Rande der schön zu bebildernden Ereignisse gezeigt wird. Wie aus dem Kampf gegen die Ablass-Missbräuche eine neue âTheologieâ entstand, kann so der Film nicht verständlich machen. Zentrale Begriffe des Protestantismus wie Rechtfertigung, âWerkgerechtigkeitâ, Strafgericht und Barmherzigkeit sucht der Zuschauer in âLutherâ vergebens. Dass sie jedoch heute in einem Spielfilm angesprochen werden können, beweist ein ebenfalls zurzeit im Kino laufender Film: Lars von Triers âDogvilleâ (siehe Kritik), der diese theoretisch-theologischen Fragen mit den künstlerischen Mitteln des Mediums Spielfilms umsetzt. |
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