MAGIC IN THE MOONLIGHT | Magic in the Moonlight
Filmische Qualität:   
Regie: Woody Allen
Darsteller: Colin Firth, Emma Stone, Hamish Linklater, Eileen Atkins, Marcia Gay Harden, Jeremy Shamos, Catherine McCormack, Simon McBurney
Land, Jahr: USA 2014
Laufzeit: 97 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 12/2014
Auf DVD: 4/2015


José García
Foto: Warner Bros.

Woody Allens Vorliebe für die 1920er Jahre dürfte spätestens seit „Midnight in Paris“ (siehe Filmarchiv) allgemein bekannt sein. Darin trifft auf magische Art ein Drehbuchautor, der gerne Schriftsteller wäre, im Paris der zwanziger Jahre auf seine Vorbilder F. Scott Fitzgerald, Ernest Hemingway und Gertrude Stein. Magie steht darüber hinaus in einer Reihe Woody-Allen-Filme – „Alice“ (1990), „Schatten und Nebel“ (1991), „Im Bann des Jade Skorpions“ (2001) oder „Scoop“ (2006) – im Mittelpunkt. Auch in „The Purple Rose of Cairo“ (1985), dem Film, den viele Woody-Allen-Kenner für sein Meisterwerk halten, ist eine Art Magie im Spiel. Darin steigt die Figur eines Filmes aus der Leinwand herunter, womit die Scheidewand zwischen Realität und filmischer Fiktion durchbrochen wird.

Ein Magier steht im Mittelpunkt in Allens neuestem Spielfilm „Magic in the Moonlight“. Im Berlin des Jahres 1928, in dem eine an Marlene Dietrich angelehnte Cabaret-Sängerin (Ute Lemper) auftritt, bietet Stanley Crawford (Colin Firth) unter dem Künstlername Wei Ling Soo und chinesischer Maske ein spektakuläres Programm an, bei dem er beispielsweise auf der Bühne einen Elefanten verschwinden lässt. Der arrogante Crawford ist davon überzeugt, dass es keine Zauberei gibt: Alles sei nur Illusion, die durch eine ausgeklügelte Technik hervorgerufen werde. Deswegen macht er sich einen Spaß daraus, angebliche, in der Zeit nach dem Ersten Weltkrieg häufig anzutreffende Spiritisten zu entlarven.

Deshalb lässt sich Stanley Crawford von seinem langjährigen Freund Howard Burkan (Simon McBurney) leicht überreden, als er ihn bittet, zusammen mit ihm an die französische Riviera zu fahren. Die dort lebende Witwe Grace Catledge (Jacki Weaver) hat die junge amerikanische Wahrsagerin Sophie Baker (Stone) eingeladen, um den Kontakt zu ihrem verstorbenen Mann herzustellen. In ihrer Villa lebt auch ihr Sohn Brice (Hamish Linklater), der sich in Sophie verliebt. Sophie kam in Begleitung ihrer Mutter Mrs. Baker (Marcia Gay Harden). Obwohl der Zauberer bei der ersten Begegnung Sophie ziemlich von oben herab behandelt, machen ihn einige Bemerkungen der jungen Frau stutzig. Nach und nach wird Crawford Zeuge von Sophies zahlreichen erstaunlichen Leistungen, die in ihm Unbehagen auslösen, weil sie kaum mit seinem rationalen Denken in Einklang zu bringen sind. Bald gesteht er seiner geliebten Tante Vanessa (Eileen Atkins), wie er langsam an sich selbst zweifelt und zu glauben beginnt, dass Sophie tatsächlich über übersinnliche Fähigkeiten verfügen könnte. Damit müsste Stanley Crawford allerdings sein auf Skepsis und wissenschaftlich erwiesenen Tatsachen aufgebaute Weltanschauung revidieren. Darüber hinaus fühlt er sich trotz des Altersunterschieds zunehmend zu Sophie hingezogen.

In „Magic in the Moonlight“ zeichnet Woody Allen wieder einmal – wie bereits etwa in „Match Point“ (2005) – das Bild einer sorglosen, reichen, privilegierten und leicht dekadenten Gesellschaft. Kameramann Darius Khondji, der bereits in mehreren Woody-Allen-Filmen – vor allem in „Midnight in Paris“ (2011) – für eine zauberhafte Stimmung gesorgt hatte, betont die helle, fröhliche Atmosphäre durch eine starke Farbpalette. Khondji: „Wir verwendeten alte CinemaScope-Objektive aus den 1970er-Jahren und drehten auf Filmmaterial, wobei wir mit einem speziellen Verfahren den Kontrast milderten und die Bilder in natürlicher Weichzeichnung wirken lassen.“

In den Dialogen lässt Drehbuchautor Woody Allen seinen gewohnten, amüsanten Zynismus zur Geltung kommen. Als Brice Sophie einen Heiratsantrag macht, kommentiert sie ihn mit den Worten: „An die Yachten und die Juwelen könne ich mich schon gewöhnen“. Dazu gehört etwa auch ein Seufzer, der an den Beginn des Oscar-prämierten „Der Stadtneurotiker“ („Annie Hall“, 1977) erinnert: „Das Leben ist bestialisch und viel zu kurz“. Die Dramaturgie von „Magic in the Moonlight“ dreht sich um die Frage, ob Sophie wirklich über paranormale Fähigkeit verfügt oder aber eine Schwindlerin ist. Da der Zuschauer diese Frage aus Crawfords Perspektive erlebt, fühlt er sich von der Auflösung genauso überrascht wie der Magier.

Im aktuellen Woody-Allen-Film geht es insbesondere auch um die immer wieder angesprochene Frage, ob es noch über die sichtbare Welt hinaus etwas anderes gibt: einen Plan im Universum, ein Leben nach dem Tod, letztlich Gott. Auch Nietzsche wird in diesem Zusammenhang bemüht. Pünktlich zum deutschen Start von „Magic in the Moonlight“ hat Woody Allen in einem Interview mit der „Süddeutschen Zeitung“ erklärt, er bezeichne sich selbst als „strikten Atheisten mit Nietzsche-Weltsicht“. Insofern führe er „ein trauriges Leben, ohne Hoffnung, furchterregend und düster, ohne Ziel oder jegliche Bedeutung“.

Da der Zuschauer Stanley Crawford als Alter Ego Woody Allens ansehen darf, mag er an die Festigkeit einer solchen Weltsicht jedoch nicht ganz glauben. Stanley Crawford ist von der Sterblichkeit besessen. Er glaubt zwar an nichts, was er nicht erklären könne, weshalb er ein überaus unglücklicher Mensch ist. Nicht nur eine Szene über „die Kraft des Gebetes“, die er immer belächelt habe, lässt aber in seinem Weltbild Risse entstehen. Darüber hinaus sucht er nach Hoffnung in einer hoffnungslosen Welt. Sind außerdem nicht auch die romantischen, völlig irrationalen Gefühle, die er immer mehr für Sophie empfindet, auch ein Beweis dafür, dass der Mensch nicht nur aus Verstand besteht?
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