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José GarcÃa Foto: polyband/Guy Ferrandis ![]() In Nils Taverniers Spielfilm âMit ganzer Kraftâ (âDe toutes nos forcesâ) steht bei Familie Amblard dem Vorhaben allerdings nicht nur ein physisches, sondern insbesondere auch ein psychisches Hindernis entgegen. Juliens Vater Paul (Jacques Gamblin) ist zwar nicht besonders trainiert, aber er war einmal ein passabler Leichtathlet, wie Julien den Zeitungsausschnitten entnehmen kann, die er eines Tages in der Garage des Hauses findet. Schwieriger zu überwinden ist eine andere Hürde: Paul geht seinem Sohn Julien in beinahe pathologischer Manier aus dem Weg. Offensichtlich hat er sich nie mit Juliens Behinderung abfinden können. Nachdem Paul seinen Job als Wartungsingenieur für Skilifte verloren hat, steigt die Spannung im Hause Amblard ins Unerträgliche. Paul ertrinkt in Selbstmitleid und redet kaum ein Wort. Die Versuche seiner Frau Claire (Alexandra Lamy), mit ihm zu reden, enden immer im Streit. Nicht einmal die älteste Tochter Sophie (Sophie de Fürst), die nicht mehr zu Hause wohnt, schafft es, zwischen den Familienmitgliedern zu vermitteln. Dazu kommt, dass Julien wie jeder andere 17-Jähriger auch gerne einmal gegen die Eltern rebelliert. Paul weigert sich, überhaupt darüber zu reden, als Julien ihm vorschlägt, an dem nächsten Sommer in Nizza stattfindenden Ironman France teilzunehmen. Julien reagiert auf diese schroffe Absage, indem er im Rollstuhl von zu Hause einfach abhaut. Als er nach einer stundenlangen Suchaktion an einer Autobahntankstelle aufgegriffen wird, begreift Paul endlich, wie wichtig dieses Rennen seinem Sohn ist. Nun muss eine letzte Hürde genommen werden: Die Zulassungskommission verweigert Julien die Teilnahme. Doch sie hat nicht mit dessen Hartnäckigkeit gerechnet: Zusammen mit seinem besten Freund Yohan (Pablo Pauly) macht sich Julien auf den Weg zur Rennleitung. Regisseur und Mit-Drehbuchautor Nils Tavernier inszeniert âMit ganzer Kraftâ nicht nur als Sport-, sondern auch als Familiendrama. Im ersten Film-Drittel dreht sich die Handlung vorwiegend um die Probleme innerhalb der Familie, die aus dem Nicht-Akzeptieren von Juliens Behinderung seitens seines Vaters Paul herrühren. Erst im zweiten Akt folgt die Vorbereitung auf das Rennen. Neben dem Training muss sich Paul auch um technische Details kümmern, etwa um ein Fahrrad, an dem er seinen Sohn festschnallen kann. Kameramann Laurent Machuel fängt bei den Trainingseinheiten groÃartige Landschaftsaufnahmen der französischen Alpen ein. Machuel fotografiert aber auch die Trainings- und später die Wettbewerbssequenzen sehr nah an den Darstellern mit entsprechendem Rhythmus, der Spannung schafft. Neben einem feinen Humor, der sich durch den ganzen Film zieht, trägt auch die insgesamt zurückgenommene Musik von Bardi Johannsson zur leichtfüÃigen Inszenierung entscheidend bei. Im letzten Film-Drittel erlebt der Zuschauer den Triathlon, angefangen beim Sprung der wohl mehreren hundert Teilnehmer ins Wasser. Auf die Wettbewerbssequenzen bezieht sich wohl die Bemerkung der deutschen Film- und Medienbewertung Wiesbaden (FBW) bei der Verleihung des Prädikats âbesonders wertvollâ: âPartiell entsteht hier ein Dokudrama mit vielen Szenen, in denen man Realität und Gespieltes, Wahres und Inszeniertes kaum unterscheiden kann.â Der körperbehinderte Fabien Héraud gestaltet Julian mit groÃer Glaubwürdigkeit. Der Zuschauer sieht ihm förmlich die Freude und den Spaà nicht nur beim Wettbewerb an. Neben der schauspielerischen imponiert auch die sportliche Leistung von Jacques Gamblin, der inzwischen zu den gefragtesten französischen Darstellern gehört. Zwar folgt âMit ganzer Kraftâ dem dramaturgischen Aufbau eines Sportlerfilms â augenzwinkernd wird hier auf âRockyâ verwiesen als sich während der Vorbereitungen Paul und Julien gemeinsam diesen klassischen Film über den Underdog anschauen, der gegen jede Chance beweisen will, was in ihm steckt. Taverniers Film berührt jedoch den Zuschauer, weil er ohne Pathos von der groÃen Kraft und Hingabe eines Vaters erzählt, der über sich hinauswächst, um die geforderten sportlichen Leistungen zu erbringen. Das abgegriffene Prinzip des âgemeinsam sind wir starkâ erhält eine neue Sicht durch die Liebe des Vaters zu seinem behinderten Kind, aber auch des Kindes zu seinem entfremdeten Vater. Denn âMit ganzer Kraftâ handelt nicht nur von sportlichen Leistungen, von den Hürden, die es zu überwinden gilt â zutreffend heiÃt der Filmuntertitel auf Deutsch âHürden gibt es nur im Kopfâ. Nils Taverniers Film handelt auch von den Hürden, die Vater und Sohn gemeinsam nehmen müssen, um ein gestörtes Vater-Sohn-Verhältnis zu heilen. |
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