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José GarcÃa Foto: dcm ![]() Im Nirgendwo von Montana lebt der zehnjährige T.S. Spivet (Kyle Catlett) zusammen mit seinen Eltern (Helena Bonham Carter, Callum Keith Rennie), seiner älteren Schwester Gracie (Niamh Wilson) und seinem Zwillingsbruder Layton (Jakob Davies) auf einer Ranch. Einen gröÃeren Gegensatz als zwischen T.S.â Eltern kann kaum erdacht werden. Sie seien wie Tag und Nacht, bemerkt T.S. â und die Leinwand teilt sich nach dem Splitscreen-Verfahren, um dies zu demonstrieren. Manchmal fragt sich der Junge, wie der wortkarge Rancher und Western-Fan und die verschrobene Insektenforscherin jemals ein Paar werden konnten. Dieser Gegensatz spiegelt sich in den Zwillingen wider: Layton ist nicht nur gröÃer als T.S. Zur Freude des Vaters entwickelt er sich auch zum richtigen kleinen Cowboy. Demgegenüber beschäftigt sich der schmächtige, hochbegabte T.S. mit Diagrammen und neuen Erfindungen. Seine Lehrer treibt er manchmal zur WeiÃglut, weil er tatsächlich alles besser weiÃ. Aber Layton starb bei einem Unfall. Der Film erzählt davon lakonisch und in Rückblenden. T.S. fühlt sich an Laytons Tod verantwortlich, weil er dabei war und ihn nicht verhindern konnte. Die Tüfteleien von T.S. führten dazu, dass er erstmals ein funktionierendes Perpetuum mobile entwickeln konnte. Die Erfindung spricht sich bis nach Washington herum: Die Smithsonian Institution verleiht ihm den renommierten Baird-Award, wobei die Kuratorin des Smithsonian Museums, Miss Jibsen (Judy Davis), irrtümlicherweise T.S.â Vater für den Erfinder hält. Der sensible T.S. macht sich mit einem riesigen Koffer auf die Reise an die Ostküste, um den Preis entgegenzunehmen und den Irrtum aufzuklären. T.S. gelingt es, einen Güterzug zum Halten zu bringen und den schweren Koffer in den Zug zu hieven. In Nebraska macht er die Bekanntschaft eines Landstreichers, der sich als âZweite Wolkeâ (Dominique Pinon, der Hauptdarsteller von âDelikatessenâ, in einer Gastrolle) vorstellt. In Chicago, wo der Zug endet, wird T.S. vom gutmütigen Lkw-Fahrer Ricky (Julian Richings) mitgenommen, der ihn nach Washington D.C. bringt. Dort trifft er endlich auf Miss Jibsen, die nicht schlecht staunt, als sie den kleinen Preisträger kennenlernt. Obwohl durch die verschiedenen Etappen der Reise des hochbegabten Jungen das von Regisseur Jeunet und seinem Mitautor Guillaume Laurant verfasste Drehbuch von âDie Karte meiner Träumeâ ziemlich episodisch wirkt, überzeugt insbesondere die Filmsprache von Jean-Pierre Jeunet. Ãhnlich âAmélieâ und âMicmacsâ setzt er für âDie Karte meiner Träumeâ nicht nur sehr satte Farben, sondern auch die Verknüpfung von Filmbildern und Zeichnungen ein, um das Innere des kleinen Jungen zu verbildlichen. Die farbenfrohen Bilder und die Blicke ins Innere der Figuren, etwa in die Hirnrinde von T.S.â Schwester Gracie, lassen bei allem Unterschied zu den in Paris spielenden früheren Filmen Jeunets die zum Markenzeichen des französischen Regisseur gewordene Mischung aus Realität und Fantasiewelt erkennen. Dazu gehören ebenso die skurrilen Ideen, die sich in vielen Details manifestieren, sowie die liebenswert verschrobenen Charaktere, die von den Schauspielern kongenial verkörpert werden. Der bei den Dreharbeiten zehnjährige Kyle Catlett, der offenbar genauso hochbegabt ist wie seine Figur, drückt seine Neugier auf die Welt insbesondere mit seinen wachen Blicken aus. Helena Bonham Carter, die als Lieblingsschauspielerin Tim Burtons seit mehr als einem Jahrzehnt inzwischen allerlei eigenwillig-skurrile Rollen mit Leben gefüllt hat, gestaltet die überspitzt gezeichnete Forscherin und Mutter als ein Echo dieser Figuren â was den Gegensatz zum bodenständigen Vater unterstreicht. Zwar bietet âDie Karte meiner Träumeâ gewisse Parodien, etwa einer Live-Fernsehshow oder auch des medienwirksamen Wissenschaftsbetriebs durch die als nervöse Managerin agierende Judy Davis. Zwar zeichnet Jean-Pierre Jeunets Film die Stadt als Schlangengrube im Gegensatz zum einfach-unschuldigen Leben auf dem Lande. âDie Karte meiner Träumeâ handelt jedoch darüber hinaus von allgemein gültigen Lebensthemen: Trauer, Abschiedsschmerz, Familiensinn. Regisseur Jeunet behandelt sie zwar mit einer gehörigen Portion Melancholie. Die groteske Ãberzeichnung der Erwachsenenwelt aus der Sicht eines hochbegabten Kindes trägt jedoch in besonderem MaÃe dazu bei, dass die Stimmung in keinem Augenblick in Sentimentalitäten abgleitet. |
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