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José GarcÃa Foto: W-Film In âDas radikal Böseâ geht der österreichische Regisseur Stefan Ruzowitzky, der im Jahre 2008 für âDie Fälscherâ mit dem Oscar für den besten nicht-englischsprachigen Film ausgezeichnet wurde, der Frage nach, wie aus normalen jungen Männern Massenmörder werden konnten. Gemeint sind die systematischen ErschieÃungen jüdischer Zivilisten durch Polizeibataillone und Einsatzgruppen in Osteuropa während des Zweiten Weltkriegs. Mit dem Holocaust verbinden die meisten Menschen vor allem Gaskammern und Vernichtungslager. Dass dem ein konventioneller, aber um nichts weniger grausamer Genozid vorangegangen war, mit unfassbar zwei Millionen Opfern, ist jedoch kaum ins Bewusstsein der Ãffentlichkeit gedrungen. Denn ab 1941 wurden rund zwei Millionen jüdische Zivilisten von so genannten Einsatzgruppen und Polizeibataillonen ermordet â am helllichten Tag, öffentlich, zum Teil vor Zuschauern, mit Gewehren und Pistolen. Sie gingen so gründlich vor, dass kein Ãberlebender, kein Zeuge davon berichten kann. So antwortete etwa der ehemalige Bürgermeister des ukrainischen Städtchens Bibrka auf die Frage, wie viele Juden von den Nazis ermordet worden seien: âGenau so viele, wie laut Aufzeichnungen hier gelebt hatten.â Für seinen Film wählte Stefan Ruzowitzky eine eigenwillige Form: Nicht als Spiel- oder Dokumentarfilm inszenierte er âDas radikal Böseâ, sondern als eine Art Doku-Drama oder genauer gesagt als âNichtfiktion-Dramaâ. Zu den von Laienschauspielern nachgestellten Szenen, die insbesondere Gesichter in GroÃaufnahme zeigen, werden Originaltexte â Briefe, Tagebucheintragungen oder auch Gerichtsprotokolle â von bekannten jungen Schauspielern wie Devid Striesow, Benno Fürmann, Alexander Fehling, Volker Bruch, Stefan Urzendowsky und Nicolette Krebitz vorgelesen. Laut dem Regisseur ist dies nicht nur der Schwierigkeit geschuldet, heute noch lebende Täter zu finden. AuÃerdem liegt darin ein systematischer Ansatz aus der Skepsis gegenüber solchen Aussagen heraus: âAls studierter Historiker finde ich es manchmal geradezu unseriös, wie man in Dokumentarfilmen sehr alte Menschen über eine lange zurückliegende Zeit reden lässt, in der sie noch sehr jung waren. Aber selbst wenn es die Täter noch gegeben hätte, wären sie wahrscheinlich nicht zu einem Interview bereit gewesen â oder sie hätten zumindest nicht so offen gesprochen wie in den Protokollen oder ihren damaligen Briefen und Tagebüchern. In âDas radikal Böseâ melden sich die Täter in einer gänzlich neuen Form mit authentischen Gedanken und Statements von schonungsloser Offenheit aus dem Grab.â Darüber hinaus gibt Ruzowitzkys Film Interviews mit Psychologen, Historikern und Juristen wieder. Unter ihnen ragen insbesondere Benjamin Ferencz, der Chefankläger im Nürnberger Einsatzgruppen-Prozess, und der französische Priester und Holocaustforscher Père Patrick Desbois heraus, der mit seiner Organisation Yahad-In Unum die Massenexekutionen der Nazis in Osteuropa untersucht, die letzten Zeitzeugen interviewt, Massengräber aufgespürt und die Namen der Opfer vor dem Vergessen bewahrt hat. Auf den Spuren von Père Desbois führt der Film auch in die Ukraine, um die Schauplätze der Massentötungen an den Juden in und um Bibrka zu besuchen und mit Zeitzeugen ins Gespräch zu kommen. Drei psychologische Experimente vervollständigen den Film. Ruzowitzkys Film beginnt mit einem Zitat des KZ-Ãberlebenden Primo Levi: âEs gibt die Ungeheuer, aber sie sind zu wenig, als dass sie wirklich gefährlich werden könnten. Wer gefährlich ist, das sind die normalen Menschen.â An einigen Stellen macht âDas radikal Böseâ deutlich, dass eine Weigerung möglich gewesen wäre, dass die Täter sie aber in den allermeisten Fällen nicht in Erwägung zogen, um nicht âzu feige oder zu weichâ zu erscheinen. Erklärungsversuche, warum die meisten Mitglieder der ErschieÃungskommandos dem Anpassungsdruck nicht standhielten und zu Tätern wurden, werden zwar von Experten auf sehr unterschiedlichen Gebieten gegeben. Ruzowitzky weià aber, dass sein Film keine schlichten Antworten auf die Frage geben kann, wie aus normalen Menschen Ungeheuer werden können. Bei der Verleihung des Prädikats âbesonders wertvollâ stellt die Filmbewertungsstelle Wiesbaden FBW fest: âEine intelligent aufbereitete Dokumentation mit eigenem stilistischen Konzept und wichtigen neuen Einsichten in die menschliche Psyche.â Weil es Stefan Ruzowitzky um solche Einsichten geht, bleibt âDas radikal Böseâ nicht bei einer bloÃen Rekonstruktion der Ereignisse. Die allgemein gültigen Aussagen über Mechanismen der menschlichen Psyche zielen über den Genozid an zwei Millionen europäischen Juden durch die Einsatzgruppen und Polizeibataillonen hinaus auch auf die Zukunft. Die Filmemacher verstehen âDas radikal Böseâ ebenfalls als eine Warnung, dass solche Ungeheuerlichkeiten jederzeit wieder passieren könnten, wenn sich die Menschen nicht vorsehen. In diesem Zusammenhang bemerkt Holocaust-Forscher Père Desbois: âEs stört mich, wenn von unmenschlichen Taten die Rede ist. Schön wärâs! Leider ist Genozid etwas zutiefst Menschliches.â Mit seinem eigenwilligen künstlerischen Ansatz liefert âDas radikal Böseâ dem Zuschauer wertvolle Erkenntnisse, die ihn nachdenklich stimmen. |
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