CAMILLE –VERLIEBT NOCHMAL! | Camilles Redouble
Filmische Qualität:   
Regie: Noémie Lvovsky
Darsteller: Noémie Lvovsky, Samir Guesmi, Judith Chemla, India Hair, Julia Faure, Yolande Moreau
Land, Jahr: Frankreich 2012
Laufzeit: 115 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: D, X-
im Kino: 8/2013
Auf DVD: 2/2014


José García
Foto: movienet

Camille Vaillant (Noémie Lvovsky) arbeitet als Schauspielerin. Allerdings spielt sie eher kleinere Rollen in billigen Filmen. Als „Camille – Verliebt nochmal“ beginnt, steht sie gerade im Horrorstreifen „Die Rache des Metzgers“ vor der Kamera. Einen Text hat sie dabei nicht zu sagen, sie muss sich nur ermorden lassen. Schnell ist die Szene im Kasten. Zynischer Kommentar des Regisseurs: Sie sei keine besonders gute Schauspielerin, aber das Blut spritze bei ihr so schön. Zu Hause läuft es für die etwa Mittvierzigerin auch nicht viel besser: Ihr Ehemann Eric (Samir Guesmi), der gerade die Scheidung eingereicht hat, packt seine Sachen, um auszuziehen. Leicht beschwipst vom Whisky, dem sie herzhaft zuspricht, wirft sie ihrem Mann und dem inzwischen eingetroffenen potentiellen Käufer der Wohnung die Umzugskisten auf den Kopf, so dass die beiden die Flucht ergreifen. Weil ihre fast erwachsene Tochter Silvester mit Freundinnen feiern möchte, bricht Camille alleine auf, um mit ihren besten Freundinnen auf ein besseres neues Jahr anzustoßen. Auf dem Weg dorthin geht sie noch bei einem schrulligen Uhrmacher (Jean Pierre Léaud) vorbei, damit er die Uhr repariert, die sie einst zum 16. Geburtstag geschenkt bekam. Wie konnte ihr Leben nur so werden?

Die Antwort folgt auf dem Fuße: Nach Mitternacht verliert Camille plötzlich das Bewusstsein... und wacht im Jahre 1985, kurz vor ihrem 16. Geburtstag, in einem Krankenhaus auf. Sie steht ebenfalls kurz davor, den Mann ihres Lebens zu treffen, was sich als Wendepunkt in ihrem Leben herausstellen soll. Als sie von ihren Eltern aus dem Krankenhaus geholt wird, kann Camille sie nur konfus und ungläubig anschauen. Nachdem sie ihr Mädchenzimmer wieder bezogen hat und zu Nenas „99 Luftballons“ aus ihrem Walkman zur Schule geradelt ist, findet Camille jedoch schnell Gefallen an ihrem alten Leben. In der Schule trifft Camille nicht nur auf ihre besten Freundinnen, sondern auch auf Eric, der bald Interesse an ihr zeigt. Doch diesmal versucht sie, ihm nicht zu nahe zu kommen. Dies ändert sich aber, als im Schultheater Goldonis „Die Verliebten“ gespielt, und Camille zusammen mit Eric die Hauptrolle übernehmen soll. Sie möchte vor allem ein engeres Verhältnis zu ihrer Mutter aufbauen, von der sie weiß, dass sie in 39 Tagen sterben wird.

Noémie Lvovsky arbeitete seit 1994 zunächst als Drehbuchautorin und Regisseurin, ehe sie im Jahre 2001 ihr Debüt als Schauspielerin gab. In „Camille – Verliebt nochmal!“ („Camille redouble“) übernimmt sie erstmals den dreifachen Part als Drehbuchautorin, Regisseurin und Hauptdarstellerin, so dass ihr Film als ein sehr persönliches Werk gelten darf. In Frankreich wurde er ein großer Publikums- und Kritikererfolg und in 13 Kategorien für den französischen Filmpreis „César“ nominiert. Im Gegensatz zu üblichen „Zeitreise-Filmen“ spielen Noémie Lvovsky und Samir Guesmi ihre Figuren in den zwei verschiedenen Zeitebenen. Dazu erklärt Lvovsky: „Ich wollte mit ‚Camille’ ja gerade erzählen, dass man in gewissen Momenten des Lebens nicht nur ein einziges Alter, sondern gleichzeitig irgendwie mehrere hat.“ Durch die bis in die Details stimmige Ausstattung etwa mit dem heute altertümlich wirkenden Kassettenrekorder, durch die Kostüme in bunt-grellen Farben und die 80er-Jahre-Musik gelingt es der Regisseurin, ein authentisches Bild der Zeit zu vermitteln. Sind laut der Regisseurin der Prolog als Alptraum und der Epilog als Traum inszeniert, so erhält der in der Vergangenheit angesiedelte Teil des Filmes einen ganz und gar realen Charakter.

„Camille – Verliebt nochmal!“ ist jedoch nicht ein herkömmlicher Zeitreise-Film wie etwa Robert Zemeckis‘ Trilogie „Zurück in die Zukunft“ (1985–1990). Nicht darum, die Vergangenheit zu verändern, geht es Camille respektive Noémie Lvovsky. Den Schlüssel liefert der vom Jean Pierre Léaud verkörperte Uhrenmacher, als dieser das sogenannte „Gelassenheitsgebet“ des amerikanischen Theologen Reinhold Niebuhr zitiert: „Gott gebe mir die Gelassenheit, Dinge hinzunehmen, die ich nicht ändern kann, den Mut, Dinge zu ändern, die ich ändern kann und die Weisheit, das eine vom anderen zu unterscheiden.“ Bald lernt Camille, dass sie ihre Vergangenheit nicht ändern, insbesondere den Tod ihrer Mutter nicht verhindern kann. Deshalb beschließt sie, sich besonders liebevoll um sie zu kümmern. Ihr geht es nicht darum, die Vergangenheit, sondern ihre eigene Einstellung abzuändern. Dabei greift Regisseurin Lvovsky auf Gegenstände mit Symbolcharakter zurück. Nicht nur der Kassettenrekorder, mit dem sie die Stimmen ihrer Eltern aufnimmt, sondern etwa auch die von ihren Eltern geschenkte Uhr oder der von ihrem Mann überreichte Ring, versinnbilden die Auseinandersetzung mit der eigenen Jugend, mit der eigenen Persönlichkeit. Camille bemüht sich, die in ihrer rebellischen Jugend gestörte Beziehung zu den Eltern und besonders zu ihrer Mutter wiedergutzumachen. Obwohl der ungelenke deutsche Verleihtitel es kaum vermuten lässt, macht gerade diese Mischung aus komödiantischen Elementen und den in solchen kleinen Szenen nachdenklich stimmenden Momenten aus „Camille – Verliebt nochmal!“ eine wunderbare Komödie über die wichtigen Dinge des Lebens über die Generationen hinweg.
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