MÖBIUS-AFFÄRE, DIE | Möbius
Filmische Qualität:   
Regie: Éric Rochant
Darsteller: Jean Dujardin, Cécile de France, Tim Roth, Émilie Dequenne, Wendell Pierce, Alexey Gorbunov
Land, Jahr: Frankreich 2012
Laufzeit: 113 Minuten
Genre: Thriller
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: X +, D, G
im Kino: 8/2013


José García
Foto: Prokino

Éric Rochants Spielfilm „Die Möbius-Affäre“ löst beim Zuschauer von Anfang an manche Irritation aus. Untermalt von Choralgesängen fährt die Kamera aus der Vogelperspektive über Monaco. Bild und Ton passen kaum zusammen. Oder sollen die als Requiem anmutenden Choräle auf die Bankenkrise oder auf die Korruption in solchen Kreisen anspielen? Jedenfalls fährt die Kamera in kein Spielkasino oder ein ähnlich mondänes Etablissement, sondern in eine Bank, wo Analysten vor je mehreren Bildschirmen sitzen. Die Finanzexpertin Alice Redmond (Cécile De France) unternimmt gerade eine solch riskante Transaktion, dass ihr Chef sie zunächst auffordert, das Geschäft zurückzunehmen. Sie arbeitet bei einer russischen Bank, die dem Oligarchen Ivan Rostovski (Tim Roth) gehört.

Diesen Finanzmogul hat nun der russischen Geheimdienst, der KGB-Nachfolger FSB, im Visier, weil er ihm Geldwäsche vorwirft. Um belastendes Material gegen Rostovski zu beschaffen, wurde eine Einheit unter Top-Spion Grégory Lioubov alias Moïse (Jean Dujardin) nach Monaco entsandt. Dafür brauchen sie einen Maulwurf in der Bank. Die Wahl fällt auf Alice Redmond, weil der FSB ihr etwas versprechen kann, was sie sicher nicht ausschlagen wird: Seit dem von ihr mitverantworteten Lehman-Crash hat sie Einreiseverbot in die Vereinigten Staaten, wo ihr krebskranker Vater lebt – so erklärt es Moïse seiner Kollegin Sandra (Émilie Dequenne), als die beiden das Anwerbungsgespräch üben. Die Finanzexpertin erklärt sich bereit, den Maulwurf zu spielen. Ihr gelingt es, trotz der Bedenken seines Leibwächters Khorzov (Aleksey Gorbunov) Rostovskis Vertrauen zu gewinnen und ihn von ihren Anlage- und Geldwäscheplänen zu überzeugen. Als sein Chef schnelle Ergebnisse einfordert, entschließt sich Lioubov dazu, sich persönlich Alice zu nähern. Daraus wird eine leidenschaftliche Affäre, die beiden gefährlich zu werden droht. Denn damit verstärkt einerseits Alice das Misstrauen von Rostovskis Leibwächter, und auf der anderen Seite sieht sich Lioubov dazu gezwungen, die Anweisungen seines Chefs zu missachten. Die Beziehung zwischen Alice und Moïse/Lioubov wird noch dadurch verkompliziert, dass weder sie von seiner FSB- Zugehörigkeit noch er weiß, dass sie eine doppelte Spionin ist. Denn – wie der Zuschauer bereits erfahren hat – sie arbeitet auch für die CIA.

Als Vorbild für seinen Film nennt Drehbuchautor und Regisseur Éric Rochant Alfred Hitchcocks „Berüchtigt“ („Notorious“, 1946), der „zwar eine Art Spionagefilm ist, in erster Linie aber eine Liebesgeschichte erzählt. Also habe ich beschlossen, einen Film zu machen, der eine Liebesgeschichte im Kontext eines Spionagefilms erzählt, was durchaus ehrgeizig ist.“ Auf dem Papier liest sich das Spiel mit mehreren Identitäten, den verschiedenen Geheimdiensten und der internationalen Wirtschaftskriminalität zwar interessant. In der Inszenierung jedoch bleibt „Die Möbius-Affäre“ weit unter seinen Möglichkeiten. Denn abgesehen davon, dass es dem Zuschauer nicht leicht fällt, den Überblick darüber zu behalten, wer für wen arbeitet, gelingt dem Regisseur die Verbindung zwischen Spionage- und Liebesfilm keineswegs. Zu dieser Verknüpfung führt Éric Rochant aus: „Das Möbius-Band illustriert die Beziehung zwischen der Welt der Spionage und der Liebesgeschichte, weil es sich auch hier um einen Pfad mit nur einer Oberfläche handelt. Man bewegt sich vom einen zum anderen, ohne die Kante zu überschreiten. Es hängt alles miteinander zusammen.“

Die Verknüpfung der zwei Genres, die nach dem Bild des Möbiusbands zu einer einzigen Geschichte verschmelzen sollten, gelingt insbesondere nicht, weil die Erzählung etwa durch ausgedehnte Sexszenen und klägliche Dialoge viel zu sehr in die Länge gezogen wird. Der eigentliche Mittelpunkt der Handlung, die Beschaffung von Belastungsmaterial gegen den russischen Milliardär, gerät dabei völlig aus den Augen. Teilweise geht dies auf das Konto von Tim Roth, der über die verblüffende Ähnlichkeit mit Chelsea-Eigentümer Abramovich – „Ich fand tatsächlich schon immer, dass Tim Roth dem russischen Oligarchen Roman Abramovich auf fast unheimliche Weise ähnlich sieht“ (Éric Rochant) – hinaus kaum beängstigend wirkt. Aber auch die anderen Charaktere bieten wenig Tiefe: Jean Dujardin wird als Herzensbrecher gezeichnet, der die im Film behauptete zwielichtige Persönlichkeit als bester FSB-Agent mit schwieriger Vergangenheit kaum ahnen lässt. Ähnliches gilt für Cécile de France, der das Leben einer Doppelagentin der Zuschauer kaum abzunehmen bereit ist.

Zwar bietet „Die Möbius-Affäre“ einige gut inszenierte Szenen, etwa eine Schlägerei in einem Fahrstuhl im Stil klassischer Agentenfilme oder die Annäherung mit Blicken und Gesten zwischen dem FSB-Agenten und der Finanzexpertin. Insgesamt ist dies jedoch zuwenig, um daraus einen spannenden Thriller zu ergeben. Dass Éric Rochants Film größtenteils in Monaco angesiedelt ist, um im letzten Drittel im Schnelldurchlauf von einer Hauptstadt zur anderen zu hetzen, zeugt ebenfalls vom uneinheitlichen Rhythmus, der „Die Möbius-Affäre“ auszeichnet. Dadurch verschenkt Drehbuchautor und Regisseur Rochant das Potenzial, das die Geschichte und die durchaus vielseitigen Schauspieler hätten bieten können.
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