TO THE WONDER | To the Wonder
Filmische Qualität:   
Regie: Terrence Malick
Darsteller: Ben Affleck, Olga Kurylenko, Rachel McAdams, Javier Bardem, Rachel Weisz
Land, Jahr: USA 2012
Laufzeit: 112 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: Erwachsene
Einschränkungen: X -
im Kino: 6/2013
Auf DVD: 11/2013


José García
Foto: Studiocanal

Nach „The Tree of Life“ (siehe Filmarchiv) kehrt der US-amerikanische Regisseur Terrence Malick mit dem Spielfilm „To the Wonder“ auf die Leinwand zurück. Sein neuer Film hat viele Gemeinsamkeiten mit seiner letzten Regiearbeit, aber etwa auch mit seinem Meisterwerk „Der schmale Grat“ („The Thin Red Line“, 1998). Denn auch für seinen neuen Film gilt: Dem visuellen-musikalischen Konzept misst Terrence Malick die gleiche Bedeutung wie der Handlung bei. Malicks Bildersprache zeichnen – auch in „To the Wonder“ – langsame, häufig subjektive Kamerafahrten, meisterhaft komponierte Bildeinstellungen, lediglich einen Ausschnitt etwa eines Gesichts wiedergebende Nahaufnahmen sowie sprunghaft geschnittene Bilder aus, die eine stark elliptische Erzählung ergeben. Dazu gehört ebenfalls die Off-Stimme, mit der innere Zustände ausgedrückt werden.

Die Handlung lässt sich denn auch leicht zusammenfassen: Der Amerikaner Neil (Ben Affleck) und die Französin russischer Abstammung Marina (Olga Kurylenko) sind frisch verliebt, als sie gemeinsam die französische Felseninsel Mont Saint Michel, genannt das „Wunder des Abendlandes“, besuchen. Beide glauben, die Liebe ihres Lebens gefunden zu haben. Gemeinsam mit Marinas Tochter ziehen sie von Paris in eine Kleinstadt in Oklahoma. Dort wird ihre Beziehung bald auf die Probe gestellt, als der Alltag sie einholt. Marina fühlt sich fern der Heimat fremd und sucht beim katholischen Geistlichen spanischer Abstammung Pater Quintana (Javier Bardem) Beistand. Der Priester ist aber selbst voller Zweifel am eigenen Glauben und konfrontiert Marina mit der Frage, ob Liebe überhaupt ewig bestehen kann. Mit ihrer Tochter zieht Marina zurück nach Frankreich und Neil beginnt eine Affäre mit seiner Jugendfreundin Jane (Rachel McAdams). Neil und Marina können jedoch einander nicht vergessen.

Mit seinem speziellen Licht-Konzept von den überbelichteten Bildern zu Beginn über die sonnendurchfluteten Einstellungen des Glücks bis zu den regenverhangenen Farben, vor allem mit dem Akzent auf der inneren Stimme in Monologen statt auf Dialoge fordert Terrence Malick mit „To the Wonder“ noch einen Schritt weiter als mit „The Tree of Life“ vom Zuschauer ein konzentriertes Hinschauen. Schwer zugänglich wirkt Malicks neuer Film insbesondere aber wegen der bereits erwähnten sprunghaften Narration: Die vielen Leerstellen in „To the Wonder“ erwecken den Eindruck einer komplexen Montage, die womöglich jedoch lediglich einen zerfaserten Plot offenbaren. Ähnlich verhält es sich mit dem visuellen Konzept der bildgewaltigen filmischen Meditation. Neben kraftvollen Bildern bietet Malicks neuer Film eine Reihe Symbole, die ganz schön knapp am Kitsch vorbeischrammen.

Hatte „The Tree of Life“ einen gewissen pantheistischen Eindruck erweckt, so steht „To the Wonder“ im Zeichen des christlichen, ja des katholischen Liebesverständnisses. Die ausdrückliche Erwähnung der Beichte und Kommunion, das Zitieren des Römer¬briefs „Alles geschieht zum Besten“ (bei Paulus: „Wir wissen, dass Gott bei denen, die ihn lieben, alles zum Guten führt“) sowie die Katharsis des katholischen Priesters, der seine sich in Monologen, aber noch deutlicher in der Körpersprache äußernden Selbstzweifel durch die Öffnung zu den Benachteiligten der Gesellschaft (zu den „Randgebieten“ in der Sprache von Papst Franziskus) überwindet und dadurch den Glauben wiederfindet, sind deutliche Anzeichen dafür. Pater Quintana weist darauf hin, dass eine auf bloßen Gefühlen basierende Liebe zum Scheitern verurteilt ist: „Wenn du liebst, riskierst du zu scheitern, betrogen zu werden. Du hast Angst, deine Liebe ist erloschen. Vielleicht wartet sie nur darauf, in etwas Höheres verwandelt zu werden.“ Bedeutsam in diesem Zusammenhang ist ebenfalls die schwarz gekleidete Frau, die als Versucherin auftritt, die Marina zum Verlassen Neils aufmuntert: „Sei frei“.

Terrence Malick beschreibt die Zerbrechlichkeit der menschlichen Liebe ohne transzendenten Bezug. Dazu wählt der US-Regisseur einen für viele Zuschauer sperrigen, einen metaphysisch-theologischen, mit der christlichen Anthropologie übereinstimmenden Weg: Der Mensch ist zu Höherem berufen, er sehnt sich nach unendlicher Liebe und Schönheit: „Wir steigen hoch zu dem Wunder“. Dieses Hochgefühl der gerade entdeckten Liebe drückt die Kamera von Emmanuel Lubezki, der bereits Malicks „The New World“ (2005) und „The Tree of Life“ (2011) fotografiert hatte, mit schönen Landschatsaufnahmen und lichtdurchflutete Bilder aus. Als sich dann die Schwierigkeiten, die Versuchungen einstellen, ändert sich ebenfalls die Kulisse: In die Natur schieben sich die kontaminierten Böden, denen Neil während seiner Arbeit als Geologe Proben entnimmt, der dunkle Schlamm der Baustellen und der Fabriken hinein. Neil bewegt sich zwischen dem lichten Himmel und der fauligen Erde, was sich wie eine Metapher auf die conditio humana ausnimmt. Der zu Höherem berufene, zur unendlichen Liebe neigende Mensch fühlt die Schwachheit seiner Natur, die tönerne Füße, die Versuchung, die er überwinden muss, will er wirklich zum Wunder hochsteigen. In „To the Wonder“ bietet Terrence Malick erneut eine zwar sperrige, aber wiederum poetische filmische Betrachtung über die menschliche Verfasstheit.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren