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JOSà GARCÃA Foto: X-Verleih Nach âLola renntâ und âDer Krieger und die Kaiserinâ stieg Tom Tykwer zur gröÃten Hoffnung unter den deutschen Nachwuchsregisseuren auf. Seine neueste Arbeit âHeavenâ bedeutete für den 1965 in Wuppertal geborenen Tom Tykwer in zweifacher Hinsicht eine besondere Herausforderung: Zum einen verfilmte er erstmalig ein fremdes Drehbuch, das letzte Skript des 1996 verstorbenen polnischen Regisseurs Krzysztof Kieslowski und dessen Co-Autor Krzysztof Piesiewicz. Zum anderen schaffte Tkywer mit âHeavenâ den Sprung ins internationale Geschäft: Sein neuer Film wurde als Coproduktion zwischen âX Filme Creative Poolâ â dem Berliner Filmemacher-Kollektiv, dem Tom Tykwer angehört â und der Hollywoodfirma âMiramaxâ realisiert. Dass âHeavenâ als Eröffnungsfilm der 52. Berlinale ausgewählt wurde steigerte zusätzlich die Spannung, mit der dieser Film erwartet wurde. Turin. Die junge Englischlehrerin Philippa (Cate Blanchett) ist wild entschlossen, einen Drogendealer zu töten, dem sie die Schuld am Tod ihres Mannes und an der Sucht vieler ihrer Schüler gibt. Durch einen Zufall zündet ihre selbstgebastelte Bombe nicht im Büro des Dealers, sondern in einem Aufzug, und vier unschuldige Menschen fallen dem Attentat zum Opfer. Die Polizei kommt Philippa leicht auf die Spur; widerstandslos lässt sie sich festnehmen. Sie leugnet nichts; sie bereut nichts, weil sie noch immer meint, den Drogenbaron beseitigt zu haben. Als sie jedoch erfährt, wen ihre Bombe getroffen hat, ist Philippa am Boden zerstört. Während die Polizei auf einem politischen Motiv beharrt, schenkt der junge Polizist Filippo (Giovanni Ribisi), der als Dolmetscher hinzugezogen wird, der Engländerin Glauben. Denn insgeheim ist er fest davon überzeugt, dass sie füreinander geschaffen sind; man beachte allein den Gleichklang ihrer Namen. Filippo will Philippa aus der Haft befreien, nicht ohne aber auf der Flucht ihr zu helfen, den Drogenboss zu töten â ohne Rücksicht darauf, ob es seine Karriere oder gar sein Leben kosten kann. âHeavenâ ist ein in technischer Hinsicht hervorragender Film. Tykwers Team, mit dem er in seine Filme hineingewachsen ist, hat wieder ganze Arbeit geleistet: Frank Griebe â der zurzeit wohl brillanteste Kameramann Deutschlands â befreit âHeavenâ nach und nach von seiner Härte in Richtung einer sanfteren Erzählweise. Zur Mannschaft Tykwers gehören auch der Szenenbildner Uli Hanisch, der âHeavenâ in die richtige Atmosphäre getaucht, sowie Mathilde Bonnefoy, die ihn im richtigen Tempo geschnitten hat. Die Musik, die gröÃtenteils von Arvo Pärt stammt, unterstützt die Wirkung des Filmes, ohne sich je in den Vordergrund zu drängen. Das Ergebnis lässt sich mit groÃen internationalen Produktionen messen; stellenweise besticht es durch eine Eleganz, die den im Drehbuch angelegten voyeuristischen Tendenzen keinen Raum lässt â wenngleich eine unzusammenhängende Szene mit explizitem Sex als störender Fremdkörper im fertigen Film geblieben ist. Unter formalen Gesichtspunkten könnte âHeavenâ darüber hinaus lediglich vorgeworfen werden, dass im zweiten Teil des Filmes â durch die Tunnelfahrt eines Zuges wird die Zäsur deutlich, mit der die lieblichen Farben der Toskana die âharteâ Atmosphäre Turins ablösen â die Trennung zwischen Realität und Symbolik dem Zuschauer nicht immer klar wird. In einem Gespräch mit der âZeitâ führte Tom Tykwer selbst dazu aus: âGegen Ende hat sich der Film über allen Realismus erhoben. Wir wollten eine Dynamik anzetteln, die sich irgendwann von den Fesseln der faktischen Plausibilität löst und stattdessen einer spirituellen Plausibilität folgt.â Inhaltlich wiegen die Einwände allerdings schwerer. Die rein âsäkulareâ Erlösung ohne göttlichen Segen, sondern allein durch die menschliche Liebe âals fundamentales Lebenskonzeptâ (Tykwer) könnte noch als diskussionswürdige Sicht eines Agnostikers angesehen werden; der Kameraschwenk über den Beichtstuhl in Montepulcinanos Kirche, ehe Philippa bei Filippo ihre âBeichteâ ablegt, weist jedenfalls ausdrücklich auf die reinigende Kraft des Sündenbekenntnisses hin, und als solche wird sie ja auch in unserer säkularisierten Gesellschaft gelesen. Dennoch: In der Ambiguität dieses Bekenntnisses bleibt ein empfindlicher PferdefuÃ. âHeavenâ übernimmt das Motiv der Selbstjustiz, das Moment der Rache unkritisch. Das Tötungsverlangen Philippas wird in keinem Augenblick in Frage gestellt. Auf dieses Manko hat etwa dieâtazâ hingewiesen: âFür Tykwer stellt sich das Problem nicht, wenn Philippa sich zur Rächerin aufschwingt, sondern erst, wenn sie die Falschen trifft.â Deshalb erweist sich Tykwers in einem Interview mit der âWeltâ herangezogener Vergleich seines Filmes mit âDead Man Walkingâ als letztlich nicht stichhaltig: âIch habe vor kurzem âDead Man Walkingâ wieder gesehen und erstaunliche Parallelen entdeckt. Sean Penn stirbt zwar, ist aber trotzdem nicht verloren, weil er zurück zu seiner Menschlichkeit gefunden hatâ. Trotz Ãhnlichkeiten überzeugt die Gegenüberstellung nicht, weil zwischen âHeavenâ und âDead Man Walkingâ ein fundamentaler Unterschied besteht: âDead Man Walkingâ (Tim Robbins 1995) handelt vom geistlichen Beistand, den Schwester Helen Prejean C.S.J. (gespielt von Susan Sarandon) dem wegen Vergewaltigung und Mordes zum Tode verurteilten Matt Poncelet (Sean Penn) angedeihen lässt. Nachdem alle Begnadigungsversuche scheitern, zielen die Bemühungen der Nonne darauf, dass Matt â auch vor sich selbst â die Tat gesteht und sie bereut. Reue und Vergebung bilden eindeutig das Sujet von âDead Man Walkingâ, weshalb auch die letzte Einstellung des Filmes eine Kapelle zeigt, in der nach Matt Poncelets Hinrichtung zusammen mit Schwester Helen der Vater eines der Opfer betet, um seinen Hass zu überwinden. In âHeavenâ wird dagegen nicht deutlich, worüber Philippa am Schluss Reue empfindet. Das Märchenhafte der Symbolik einer Erlösung durch Liebe als Lebenseinstellung lässt den Zuschauer eher ratlos zurück. |
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