JAGD, DIE | Jagten
Filmische Qualität:   
Regie: Thomas Vinterberg
Darsteller: Mads Mikkelsen, Annika Wedderkopp, Thomas Bo Larsen, Susse Wold, Anne Louise Hassing,Lars Ranthe, Alexandra Rapaport
Land, Jahr: Dänemark / Schweden 2012
Laufzeit: 111 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 3/2013
Auf DVD: 8/2013


José García
Foto: Wild Bunch

Kindesmissbrauch stand in den letzten Jahren insbesondere im Zusammenhang mit katholischen Geistlichen in den Schlagzeilen. So abscheulich dies gerade bei Priestern auch ist, statistisch handelt es sich dabei um eine kleine Minderheit. Bei Kindesmissbrauch ist „Tatort meistens die Familie“, so Bärbl Meier vom Verein „Wildwasser“, der Missbrauchsopfer berät: „Fremde machen rund fünf Prozent der Täter aus“, sagt Meier. Dagegen sind 22 Prozent Bekannte, sogar 60 Prozent Verwandte. In fast jedem dritten Fall der leibliche Vater. Dies ist längst auch in der Fiktion von Spielfilmen angekommen, so etwa auch in der dänisch-schwedischen Produktion „Die Jagd“.

„Die Jagd“ („Jagten“) beginnt mit einer feucht-fröhlichen Feier an einem Badesee nach einer Jagd. Zur Gruppe enger Freunde in der dänischen Kleinstadt gehört auch Lucas (Mads Mikkelsen), der nach der Schließung der örtlichen Schule nun im Kindergarten arbeitet. Lucas ist geschieden. Seinen Sohn Marcus (Lasse Fogelstrøm) darf er nur alle 14 Tage sehen. Dennoch scheint Lucas mit seinem Leben zufrieden zu sein. Er hat jedenfalls viel Spaß, im Kindergarten mit den Kindern herumzutollen und insbesondere mit den Jungs Fußball zu spielen. Zur Kindergarten-Aushilfe Nadja (Alexandra Rapaport) spürt er eine aufkeimende Zuneigung, die offenkundig von ihr erwidert wird. Zur Familie seines besten Freundes Theo (Thomas Bo Larsen) hat er auch ein gutes Verhältnis. So bringt er Theos kleine Tochter Klara (Annika Wedderkopp) nach Hause, wenn sie sich wieder einmal verlaufen hat, oder auch zum Kindergarten, wenn sich Klaras Eltern streiten. Klara mag Lucas, ja sie mag ihn so sehr, dass sich die Kleine gekränkt fühlt, als der Kindergärtner Klaras selbst gebasteltes Herz gar nicht als Geschenk annehmen will und sie zurechtweist, weil sie ihn einen Kuss auf den Mund gibt. Aus dieser Enttäuschung heraus erzählt das Mädchen der Kindergartenleiterin Grethe (Susse Wold), dass sich Lucas ihr sexuell angenähert habe. Die Details holt sie sich aus dem Pornobild, das sie auf dem Handy ihres großen Bruders gesehen hat. Was nun folgt, ist eine regelrechte Jagd auf den bis dahin allseits beliebten Mann, der nun in der ganzen Stadt zur persona non grata wird.

Mit verwackelten, entsättigten Bildern verdeutlicht Regisseur Thomas Vinterberg, wie einem unschuldigen Mann der Boden unter den Füßen weggezogen wird, was sich in Großaufnahmen in Lucas’ Gesicht widerspiegelt. Eindringlich erzählt „Die Jagd“, wie eine durchaus gebotene Wachsamkeit in eine Vorverurteilung umschlägt, wenn etwa seitens eines Psychologen Suggestivfragen gestellt dadurch und eine Kindergartenleiterin vorschnell Schlüsse zieht, und wie schnell dadurch eine Existenz zerstört werden kann. Mads Mikkelsen, der für diese Rolle auf dem Filmfestival Cannes 2012 den Darstellerpreis gewann, zeigt auf seinem Gesicht alle Empfindungen von Erstauen über Ratlosigkeit bis hin zur Enttäuschung. Die erst siebenjährige Annika Wedderkopp gestaltet aber nicht weniger nuancenreich, wie Klara zwischen Kränkung und Liebe zur Wahrheit hin- und herschwankt, ohne ganz ermessen zu können, was sie mit ihrer Aussage bewirkt hat.
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