FLIGHT | Flight
Filmische Qualität:   
Regie: Robert Zemeckis
Darsteller: Denzel Washington, Don Cheadle, Kelly Reilly, John Goodmann, Bruce Greenwood, Melissa Leo, Brian Geraghty, Tamara Tunie
Land, Jahr: USA 2012
Laufzeit: 138 Minuten
Genre: Dramen
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: S
im Kino: 1/2013
Auf DVD: 5/2013


José García
Foto: StudioCanal

Bei einem Linienflug von Orlando nach Atlanta mit einer sechsköpfigen Crew und 96 Passagieren gerät das Flugzeug während eines schweren Sturms in unvorhergesehene Turbulenzen. Captain Whip Whitaker (Denzel Washington) schafft es zwar, in einen ruhigeren Luftraum zu kommen. Bald aber stellen sich technische Probleme ein, so dass die Maschine in einen Sturzflug gerät. Entschlossen greift der Flugkapitän zu einem waghalsigen Manöver: Durch eine Rolle über die Flügel stellt Whitaker die Maschine kopfüber, was sie stabilisiert. Nun kann er ohne Antrieb segeln und nach einer Landungsmöglichkeit Ausschau halten. Diese bietet sich in einem Streifen Land neben einer Kirche. Whitaker dreht erneut die Maschine und setzt auf. Der Aufprall ist gewaltig, aber dank Whips Ruhe und Reaktionsfähigkeit verlieren nur sechs Menschen an Bord ihr Leben.

Deshalb wird Whip Whitaker von den Medien als Held gefeiert, als er noch im Krankenhaus liegt. Allerdings sind noch einige Fragen offen, woraufhin ihn sein Freund, der Gewerkschafter Charlie Anderson (Bruce Greenwood), hinweist. Der Zuschauer weiß bereits, worum es sich dabei handelt. Denn die erste Szene von „Flight“ zeigt den Piloten in einem Hotelzimmer zusammen mit einer Stewardess nach einer durchzechten Nacht. Obwohl er nach dem Aufwachen zunächst Kaffee mit zwei Aspirinen trinkt, nimmt Whip noch Alkohol und sogar Drogen ein, ehe er sich auf den Weg zum Flughafen macht. Ein Anruf seiner geschiedenen Frau verdeutlicht, dass sich Whip Whitaker in einer Lebenskrise befindet und psychisch alles andere als stabil ist. In einer Parallelhandlung wird Nicole (Kelly Reilly) eingeführt, die sich ebenfalls mit Alkohol- und Drogenproblemen herumschlägt. Im Krankenhaus treffen die beiden aufeinander. Weil Whip im Krankenhaus Blut abgenommen und dabei eine hohe Alkoholkonzentration festgestellt wurde, verpflichtet Charlie Anderson den Anwalt Hugh Lang (Don Cheadle). Diesem gelingt es zwar, das Beweismaterial zu vernichten. Whip zeigt sich aber nicht im Geringsten zur Kooperation bereit: Er beharrt darauf, dass viele Menschen ihm das Leben verdanken, und dass seine Alkohol- und Drogenprobleme mit dem Absturz nichts zu tun haben. Weder dem Anwalt Hugh Lang noch Nicole, die nach ihrer Entlassung Whip zu den Treffen der Anonymen Alkoholiker mitnehmen möchte, scheint es zu gelingen, dass sich der sture Pilot seinem Alkoholproblem stellt.

Robert Zemeckis filmt die Absturzszene ungemein realistisch: Die Kamera von Don Burgess – der mit dem Regisseur bereits in „Forrest Gump“ (1994) zusammenarbeitete – vermittelt dem Zuschauer mit den verwackelten Bildern und den Auf- und Abblenden das Gefühl, den Aufprall hautnah zu erleben. Auch die Bilder mit dem auseinandergerissenen Flugzeug beeindrucken. Dennoch ist „Flight“ kein Katastrophenfilm, sondern die Charakterstudie eines gefallenen Helden. Auch wenn Regisseur Zemeckis etwa vor der entscheidenden Verhandlung Spannung aufbaut, setzt das für den Oscar nominierte Drehbuch von John Gatins insbesondere auf Whips Kampf gegen sich selbst. Er selbst ist davon überzeugt, dass er „die Wahl zu trinken“ hat. Als er sich in ein Landhaus zurückzieht, schüttelt Whip den ganzen Alkohol weg, den er im Haus findet. Bald fängt er jedoch wieder an zu trinken. Seine Behauptung, er selbst würde entscheiden, wann er trinken will oder nicht, entpuppt sich als Selbstbetrug. Dabei hat er noch eine Art Rückversicherung: Sein Kumpel Harling Mays (John Goodman) sorgt mit seinen Kokainlieferungen dafür, dass Whip durch den Rauschgift aus dem Alkoholrausch herauskommt – ein Teufelskreis, den Whip Whitaker nur durch eine radikale Tat durchbrechen kann.

Obwohl diese am Ende etwas plakativ ausfällt, überzeugt insbesondere Denzel Washington in seiner Darstellung von Whip Whitaker, was ihm ebenfalls eine Oscarnominierung eingebracht hat. Dem amerikanischen Schauspieler gelingt es, ohne Manierismen eine durchaus komplexe Figur zu verkörpern, wobei er sich nicht auf die äußeren Anzeichen von Alkoholismus beschränkt, sondern Whips vielschichtige Persönlichkeit einschließt. Denn der Pilot ist ein durchaus angenehmer Zeitgenosse, der ein Held der Nation werden könnte, wäre „sein Problem“ nicht da. Allerdings besteht dieses Problem nicht einfach darin, dass er dem Alkohol verfallen ist. Es geht tiefer, denn Whip ist einfach zu stolz, um die Hilfen anzunehmen, die ihm seine Freunde oder auch Nicole anbieten.

Whips Selbstbetrug steht im Zusammenhang mit einem Thema, das in „Flight“ immer wieder vorkommt: Die Lüge. So spricht einer der Teilnehmer am AA-Treffen davon, dass sein ganzes Leben als Alkoholiker auf der Lüge beruhte. In einer anderen Szene bittet Whip die gläubige Stewardess Margaret (Tamara Tunie), für ihn zu lügen. Die Erlösung bringende Läuterung des Protagonisten besitzt durchaus religiöse Züge. Dass beim Absturz der Maschine ein Kirchturm beschädigt wird, hat Symbolcharakter. Ob es sich um „eine Handlung Gottes“ handelt, wie es ausdrücklich heißt, sei dahingestellt. Jedenfalls spielt der Glaube im Laufe von Whips Läuterung eine entscheidende Rolle, so dass sein „Ich danke Gott dafür“ keineswegs als Floskel gemeint ist.
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