LOVE IS ALL YOU NEED | Den skaldede frisør
Filmische Qualität:   
Regie: Susanne Bier
Darsteller: Pierce Brosnan, Trine Dyrholm, Kim Bodnia, Paprika Steen
Land, Jahr: Dänemark / Schweden / Italien / Frankreich / Deutschland 2012
Laufzeit: 112 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: X
im Kino: 11/2012
Auf DVD: 4/2013


José García
Foto: Prokino

Die Hochzeit von Patrick (Sebastian Jessen) und Astrid (Molly Blixt Egelind) bringt zwei ganz unterschiedliche Familien zusammen. Ehe der Zuschauer die jungen Leute kennenlernt, werden jedoch zunächst einmal deren Eltern vorgestellt: Astrids Mutter Ida (Trine Dyrholm) die als Friseuse arbeitet, hat gerade ihre letzte Chemotherapie hinter sich. Ob damit der Brustkrebs besiegt ist, bleibt zunächst selbstverständlich abzuwarten. Als sie nach Hause zurückkehrt, ertappt Ida ihren Mann Leif (Kim Bodnia) mit der jungen Tilde (Christiane Schaumburg-Müller). Dann muss auch noch ihr Sohn Kenneth (Micky Skeel Hansen) zu einem militärischen Auslandseinsatz. Patricks Vater Philip (Pierce Brosnan) kam vor etlichen Jahren von England nach Dänemark der Liebe wegen. Seit dem Tod seiner Frau hält er aber Distanz zu anderen Menschen im Allgemeinen und zu Frauen im Besonderen – sehr zum Bedauern seiner Schwägerin Benediktine (Paprika Steen), die allzu gerne die Stelle ihrer verstorbenen Schwester einnehmen würde. Damit wird allerdings auch deutlich: Eigentlich geht es in Susanne Biers „Love is all you need“ nicht so sehr um die Hochzeit von Patrick und Astrid, sondern darum, wie Ida und Philip zusammenkommen.

Weil sich Patrick und Astrid lediglich seit drei Monaten kennen, haben sie offenbar keine Gelegenheit gefunden, um ihre Familien miteinander bekannt zu machen. Drehbuchautor Anders Thomas Jensen wartet freilich nicht bis zum italienischen Amalfi, um die beiden einander kennenlernen zu lassen. Bereits im Parkhaus des Kopenhagener Flughafens fährt die entnervte Ida beim Parken ein Auto an – natürlich Philips Wagen. Der mürrische Geschäftsmann reagiert ziemlich rücksichtslos, ehe es sich herausstellt, dass sie zur selben Hochzeit unterwegs sind. Allerdings sind sie nicht die einzigen, die dorthin wollen. Denn Idas Mann Leif taucht zusammen mit seiner neuen Freundin Tilde plötzlich in Amalfi auf. Und dies soll nicht die einzige Überraschung während des Wochenendes bleiben. Unter dem azurblauen italienischen Himmel und umgeben von Zitronenbäumen taut freilich der zugeknöpfte Geschäftsmann völlig auf.

In ihren früheren Filmen „Brothers – Zwischen Brüdern“ (2004), „Nach der Hochzeit“ (2006) und dem mit dem Oscar für den besten nichtenglischsprachigen Film ausgezeichneten „In einer besseren Welt“ (2010) gelang es der Zusammenarbeit zwischen Drehbuchautor Anders Thomas Jensen und Regisseurin Susanne Bier, allgemeingültige menschliche Fragen aufzuwerfen. In diesen Filmen ging es immer wieder darum, wie der Mensch eine belastende Vergangenheit bewältigen, wie er von der Schuld erlöst werden kann, um ein neues Leben zu beginnen. Auch „Love is all you need“ handelt von Menschen, die eine Vergangenheit zu bewältigen haben. Ähnlich „Nach der Hochzeit“ ist die geplante Hochzeit zwischen zwei jungen Menschen lediglich der Anlass für eine Handlung, die eher die Eltern der Brautleute in den Mittelpunkt stellt. Die Inszenierung könnte jedoch nicht unterschiedlicher sein. Nicht die düstere Stimmung des dänischen Winters fängt die Kamera von Morten Søborg ein, sondern Postkartenbilder der italienischen Amalfiküste mit strahlender Sonne und immer blauem Himmel. Obwohl sich die verschiedenen Wendungen im Drehbuch denkbar vorhersehbar ausnehmen, gelingt es der dänischen Regisseurin, einen angemessenen Rhythmus für die unterschiedlichen Entwicklungen zu finden.

Obwohl „Love is all you need“ eine ganz andere Stimmung als Biers frühere Dramen auszeichnet, unterscheidet sich ihr neuer Film von den gängigen Hollywood-Komödien darin, dass Susanne Bier keine eindimensionalen, oberflächlichen Figuren zeichnet. Dafür sorgen schon die Spuren, die sowohl in Ida als auch in Philip die Vergangenheit hinterlassen hat: Ihre Krankheit, die Untreue ihres Mannes auf der einen, der Tod seiner Frau auf der anderen Seite. Diese dramatischen, teilweise melodramatischen Elemente verknüpft Susanne Bier mit einem trockenen Humor, der manch dänischen Film auszeichnet.

Dass „Love is all you need“ ebenso tiefgründige Themen behandelt, wird nicht nur in diesen gebrochenen Figuren deutlich. Zunächst sieht es außerdem so aus, als wollten Drehbuchautor Thomas Anders Jensen und Regisseurin Susanne Bier dem Film in der Frage der ehelichen Treue Tiefgang verleihen: „Wie kannst Du nur?“, fragt etwa die betrogene Ida ihren oberflächlich-grobschlächtigen Mann, als sie ihn beim „Seitensprung“ ertappt. Eine Zeit lang scheinen die Filmemacher von „Love is all you need“ die Frage der Vergebung und des Neuanfangs thematisieren zu wollen, um sich gegen Ende für eine vorhersehbare „Liebesgeschichte“ zu entscheiden. Dass in Susanne Biers Film darüber hinaus eine homosexuelle Nebenhandlung Platz findet, passt ebenfalls ins Bild einer mainstreamigen Komödie, die sich von den früheren Arbeiten des dänischen Drehbuch- und Regiegespanns denkbar entfernt.
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