PARIS MANHATTAN | Paris Manhattan
Filmische Qualität:   
Regie: Sophie Lellouche
Darsteller: Alice Taglioni, Patrick Bruel, Marine Delterme, Michel Aumont, Marie-Christine Adam, Louis-Do de Lencquesaing, Yannick Soulier, Woody Allen
Land, Jahr: Frankreich 2012
Laufzeit: 74 Minuten
Genre: Komödien/Liebeskomödien
Publikum: ab 16 Jahren
Einschränkungen: --
im Kino: 10/2012
Auf DVD: 2/2013


José García
Foto: Senator

Die Mittdreißigerin Alice (Alice Taglioni) arbeitet gerne als Apothekerin, erst recht nachdem sie die Apotheke ihres Vaters geerbt hat. Dass sie noch nicht unter die Haube gekommen ist, erfüllt zwar ihre Eltern (Marie-Christine Adam, Michael Aumont) mit Sorge, Alice selbst stört es aber nicht. Ihre Einsamkeit überspielt sie, indem sie mit dem gegenüber ihrem Bett in Großformatfoto hängenden Woody Allen fiktive Zwiegespräche führt. Mit anderen Männern hat sie sonst kein Glück. Eine Kostprobe davon bekommt der Zuschauer in einem Prolog, der etwa fünfzehn Jahre früher spielt: Auf einer Fete lernt sie Pierre (Louis-Do de Lencquesaing) kennen, der sich offensichtlich auch für Alice interessiert... bis er ein paar Minuten später ebenfalls Alices Schwester Hélène (Marine Delterme) kennenlernt und bald darauf auch heiratet. Fünfzehn Jahre später haben sie eine pubertierende Tochter und führen eine auf den ersten Blick perfekt scheinende Ehe, während Alice weiterhin mit Woody Allen Selbstgespräche führt.

Das Spielfilmdebüt der französischen Regisseurin Sophie Lellouche ist von Anfang bis Ende eine vorbehaltlose Hommage an Woody Allen. Die Verbeugung vor dem New Yorker Regisseur beginnt bereits im Filmtitel „Paris Manhattan“, der sich als eine unverhohlene Anspielung auf Woody Allens „Manhattan“ (1979) ausnimmt, und setzt sich auch im Vorspann fort: Ähnlich Robert B. Weide in seinem Dokumentarfilm „Woody Allen: A Documentary“ (siehe Filmarchiv) verwendet Regisseurin Lellouche die schwarzen Tafeln mit weißer Schrift, die seit 1975 in allen Filmen Woody Allens den Vorspann bilden, und unterlegt sie außerdem mit ähnlicher Musik. Darüber hinaus finden sich in „Paris Manhattan“ eine Vielzahl an Zitaten, Anspielungen oder einfach an Elementen aus der Woody-Allen-Filmwelt: Der Familienname „Ovitz“ mit dazugehöriger jüdischer Abstammung stellt eine solche Übernahme dar genauso wie etwa der an Allens „Hannah und ihre Schwestern“ (1986) gemahnende Einsatz von klassischer Musik, um eine seelische Stimmung hörbar zu machen. Besonders gelungen ist der Regisseurin die an „Manhattan Murder Mystery“ (1993) erinnernde Szene des Einbruchs in die Wohnung von Alices Schwester gelungen. Was aber Alice insbesondere zu einer typischen Figur aus dem Allen-Universum macht, ist ihre vordergründige Resignation in Sachen Liebe bei gleichzeitiger Sehnsucht nach ihr.

Diese könnte sich nun erfüllen, als gleichzeitig zwei Männer in Alices Leben eintreten: der sympathische und gebildete Vincent (Yannick Soulier), mit dem sie ihre Schwester und ihr Schwager verkuppeln wollen, und der spröde, wortkarge Victor (Patrick Bruel), den Alices Vater bereits als Schwiegersohn ausgewählt hat. Obwohl sich Alice vom gutaussehenden und charmant plaudernden Vincent durchaus angezogen fühlt, findet sie beim zynischen Alarmanlagen-Bauer Victor eine Mission: Er hat noch keinen einzigen Woody Allen-Film gesehen. Was daraus wird, beschreibt Patrick Bruel: „Meine Figur hilft Alice, den Schritt heraus aus der Virtualität hinein in die Wirklichkeit zu wagen, der sie sich endlich stellen muss. Um bei Woody Allen zu bleiben: Anders als in ‚The Purple Rose of Cairo’ (1985) fordert Victor bei uns die Heldin auf, von der Leinwand herab ins wahre Leben zu steigen.“

Obwohl „Paris Manhattan“ mit 74 Minuten eine extrem kurze Filmdauer hat, entwickelt Drehbuchautorin und Regisseurin Sophie Lellouche im richtigen Tempo erzählte Nebenhandlungen über Alices Eltern sowie über die angebliche Krise in der Ehe von Hélène und Pierre, die dazu beitragen, Alices Welt besser zu verstehen. Obwohl Eltern und Schwester in ihrer Sorge für Alice manchmal anstrengend sein können, verdeutlicht dies die Bedeutung der Familie. Mögen sie sich auch im falschen Augenblick Sorgen machen, so „zählt für sie allein das Glück und die Sicherheit ihrer Kinder“ (Sophie Lellouche). Die komödiantische Ader der Regisseurin kommt insbesondere in Alices immer wiederkehrender Neigung zum Ausdruck, die Kunden ihrer Apotheke statt mit Tabletten mit DVDs zu versorgen. Denn was könnte etwa gegen Depressionen besser helfen als ein Woody-Allen-Film? Selbst den jungen Mann, der die Apotheke überfallen will, entlässt sie nicht ohne eine kleine DVD-Sammlung.

Trotz der zahlreichen thematischen und formalen Anleihen kann „Paris Manhattan“ indes nicht als einfach als eine Nachahmung der Woody-Allen-Filme bezeichnet werden. Sophie Lellouche reiht nicht Versatzstücke aneinander, sondern spielt mit den Andeutungen und den Zitaten, um ein eigenständiges Filmwerk hervorzubringen. Obwohl es sich um ein Spielfilmdebüt handelt, besticht „Paris Manhattan“ durch die liebevoll gezeichneten Charaktere, die witzigen Dialoge, das richtige Tempo, die gut ausgewählte Filmmusik und den wohldosiert eingesetzten Humor. Obwohl Lellouches Film von Woody-Allen-Zitaten überquillt, ist „Paris Manhattan“ eine durch und durch französische Liebeskomödie, die in ihrem Gesamteindruck eher an Agnès Jaouis „Schau mich an“ („Comme une image“, siehe Filmarchiv) als an einen Woody-Allen-Film erinnert.
Diese Seite ausdrucken | Seite an einen Freund mailen | Newsletter abonnieren